Helter - Skelter - Melter

itsme

Mitglied
Es gibt einige ganz einzigartige Orte auf der Welt. Ich meine jetzt nicht die, von denen jeder einige in sich bewahrt, weil ihn mit diesen Orten unauslöschliche Erinnerungen verbinden, auch nicht die, die man auf Hochglanz Postkarten findet oder solche, die zum Welt Kulturerbe gezählt werden.

Es gibt nur einen Mount Everest. Steht man auf seinem Gipfel, ist man am höchsten Punkt der Erde. Es gibt nur einen Punkt auf diesem Planeten, an dem man sich einmal um sich selbst drehen kann, und man schaut immer nach Süden. Auch der tiefste Meeresgrund in den Ozeanen ist eine solche Stelle. Es ist nur sehr wenigen Menschen vorbehalten, diese einzigartigen Orte auf unserer Erde zu besuchen.

Weit weniger spektakulär sind einige andere dieser Orte. Sie sind deutlich bequemer erreichbar, besitzen für mich aber auch Magie. Als Kind stieg ich mal mit meinen Eltern auf den Rhein ? Weser ? Turm im Rothaargebirge, und ich war ganz fasziniert, als ich auf einer Tafel las, daß ich mich auf der Wasserscheide zwischen Rhein und Weser befand. Fließt das Wasser rechts den Berg hinunter, gelangt es irgendwann in die Weser. Fällt der Regen nur ein paar Zentimeter weiter nach links, nimmt das Wasser einen ganz anderen Weg, und erreicht einige hundert Kilometer entfernt die Nordsee. Nur wenige Zentimeter entscheiden. Später stand ich auf der schwäbischen Alb an der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau. Wassertropfen, die gemeinsam, nebeneinander aus einer Wolke fallen, werden sich nie wiedersehen, dachte ich. Die Nordsee und das Schwarze Meer liegen tausende Kilometer auseinander.

In den canadischen Rocky Mountains gibt es eine ganz einzigartige Wasserscheide (so weit mir bekannt ist). In den Columbia Icefields, einem riesigen Gletscher, entspringen drei Flüsse. Einer davon stürzt sich nach Südwesten durch die Täler der Rockies bis er den Pazifik erreicht. Ein anderer hat einen Weg zunächst nach Osten gefunden, wendet sich dann nach Süden, mischt sich in den Rio Colorado, und übergibt sein Wasser schließlich dem Golf von Mexico. Der dritte hat sich für eine nördliche Richtung entschieden. Sein einsamer Weg durch die Wildnis Kanadas endet im Eismeer. Als ich vor Jahren in der Gegend unterwegs war, mußte ich einfach an dieser Stelle stehen. Ich beschaffte mir eine Karte, und ein Ranger beschrieb mir einen gekennzeichneten Weg. Am frühen Nachmittag des folgenden Tages hatte ich die Wasserscheide zwischen drei Ozeanen in über 2500m Höhe erreicht. Eine Bronzetafel am Boden bestätigte es. Kein Mensch war mir begegnet. Den meisten Besuchern der Columbia Icefields ist der Aufstieg zu mühsam.

Kein Lufthauch bewegte die Ruhe dieses ....ja, magischen Ortes. Selbst die Sonne schien nur gedämpft durch einen hohen Cirrus Schleier; ihr Beitrag zu der Stille. Ich habe lange in alle Richtungen geschaut, und ich bin sicher, weit hinter dem Horizont die drei Ozeane gesehen zu haben. Dann nahm ich eine Flasche Wasser aus meinem Rucksack, und schüttete in die drei Richtungen Wasser auf dem Felsrücken aus, auf dem ich mich befand. Tropfen davon sollten irgendwann einen Südseestrand benetzen, einer Robbe im Eismeer aus dem Fell tropfen, und andere mit dem Golfstrom nach Europa getragen werden.

Wie sehr doch manchmal nur wenige Schritte in eine andere Richtung gedrängt, gestolpert oder absichtlich getan, auf völlig andere Wege führen können.
 
M

margot

Gast
hallo

lieber itsme, dein text gefällt mir außerordentlich gut.
ich fühle mich inspiriert und auch an eigene berührungen
mit für mich magischen orten erinnert - meistens aus
purem naturerlebnis heraus. unter freiem himmel ist
das erleben am intensivsten. ich würde gemütskrank werden,
wenn ich immer eine decke über dem kopf hätte.
wasser ist als medium ein sehr magisches, darum suche
ich am liebsten auf meinen reisen orte mit wasser auf:
flüsse, seen, ozeane - aber auch bäche und rinnsale
entzücken mich, wenn ich sie auf einem waldspaziergang
kreuze.
in nordamerika war ich leider noch nie.
mein naturerlebnis ist dort am intensivsten, wo ich keine
strommasten sehe.

bewunderung und grüße
margot
 

itsme

Mitglied
.......

Es ist sehr schön in den Rocky Mountains, meist wild, ursprünglich und ohne Strommasten ........ auch Amerikaner trifft man dort seltener ;-)
 
M

margot

Gast
hört sich gut an

wenn du zeit hast, lese bitte "wildnis"
von john krakauer.

margot
 



 
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