Herbst

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Herbst

Jetzt hast du so viele Jahre
gelebt, so viele Jahre hast du
gelebt: partout.
Schatten im Gesicht. Die ersten grauen Haare.
Bald fallen dir auch die Augen zu.
An den Bäumen verbrennt das Laub.
Und die Beeren glühn. Pflugschare
schälen die Erde.
Und die Pferde
schäumen an der Kandare.
Wie Staub
hängen die Blätter. Und die Stare
versammeln sich auch - zur Flucht,
an den Flammenrändern.
Über den Gärten, Ländern
und über der Schlucht:
Wolkenreste,
wie Asche, als ob alles schwebe.
Spinnen spannen ihre Gewebe
zwischen die schwarzen Äste.
Aus den Bäumen fällt die Frucht.

(1960)
 
Hallo Mr. Stahlbaum,

ein großartig herbes Gedicht. Die ersten drei Zeilen haben es mir angetan. Gibt die Jahreszahl in Klammern tatsächlich die Entstehungszeit an? Es erinnert mich - ohne dass ich Nachahmung sähe - an manche Lyriker, die um diese Zeit schrieben. Ich habe ein wenig an Huchel, Bobrowski, Eich ect. gedacht.

Beste Grüße
 
Das Gedicht und anderes

Mon-cher-fou!

Nachdem ich mir Ihr/Dein Profil angesehen habe, weiß ich noch immer nicht, wem ich hier antworte.

Das Gedicht ist tatsächlich 1960 entstanden. Meine Frau hatte es jetzt wiederentdeckt. Sie meint, ich müsste mich damals wohl geirrt haben, denn inzwischen sind die LETZTEN Haare weiß.

Ich habe damals (den ganzen) Rilke und Benn gelesen, einiges auch von Eich und anderen. In den Sechzigern waren wir noch ziemlich sinnlich-emotional und zeigten auch unsere Gefühle.

Übrigens, mon cher Fou, als am 30. November 1953 die ersten Fallschirmspringer meines Bataillons in Dien Bien Phu (Nordvietnam) gelandet waren und ihnen bewusst wurde, wo sie sich befanden, sagte einer von ihnen: "Tiens, bien fou!"

Mehr dazu auf meiner Homepage.

Herzliche Grüße vom Stahlbaum
 



 
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