Herbst

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anbas

Mitglied
Herbst

In kahlen Bäumen
hocken Krähen
und warten auf den ersten Schnee.
Raureif
funkelt über Wiesen,
welke Blätter
decken
feuchte Wege ab.

Der Fluss
treibt lautlos
dahin.
Matt dämmert
die Sonne
am blassen Himmel.

Und ich
stehe hier
auf altem Holz
der schmalen Brücke.
Mein Atem
steigt
zu Krähenwipfeln
während
wunde Lippen
zittern.

Dann
beuge ich
langsam mich vor
und spucke
ganz lässig
in mein Spiegelbild.
 
H

Haki

Gast
Ein trauriges, nachdenkliches, wütendes gedicht.

mir gefallen die bilder, die du schaffst.


Der Fluss
treibt lautlos
dahin.
Matt dämmert
die Sonne
am blassen Himmel.
diese strophe kann m.E. weg, da sie erstens sehr aufgebraucht erscheint, schon so oft gehört und gelesen und darüberhinaus gar nicht vonnöten ist für das gesamtgefüge...


dann finde ich das "ganz lässig" irgendwie unpassend. es zerstört irgendwie das gefühl, das du zuvor ihm leser weckst.

ansonsten ein rundum stimmiges metapherngerüst.

Liebe grüße,
Haki
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo,

ein wirklich feines herbstgedicht. gratulation. wenn noch mäkeln, dann nur über die krähenwiederholung, aber wirklich störend ist sie nicht.

anders als haki kann ich keine richtige wut entdecken, das spucken fasse ich eher trotzig auf, als kleinen punkrock. auch trauer scheint mir ein wenig hochgegriffen. ja, es ist auch finster, es schwingt abschied mit,melancholie etc., aber traurig finde ich doch übertrieben. auch sind der lautlose fluss und die matte sonne nicht nur gerechtfertigt, sondern wesentlich - ist herbst.

liebe grüße
nofrank
 

anbas

Mitglied
Hallo Haki, hallo nofrank,

vielen Dank für Eure Auseinandersetzung mit dem Gedicht und Eure Rückmeldungen.

Beim Schreiben des Textes herrschte bei mir tatsächlich eher eine melancholische Stimmung vor. Ich mag die Melancholie und von daher auch durch aus den manchmal recht grauen Herbst. Gleichzeitig aber liebe ich auch den Frühling, den Aufbruch, die Freude. Ich spuke in mein Spiegelbild, nehme mich und die eher bedrückenden Seiten der Melancholie nicht so ganz ernst. Es ist ein breites Grinsen im matten Licht der Sonne und der gedämpften Herbststimmung.

Der Fluß und die matte Sonne - zum einen war beides da, als ich die Idee zu dem Gedicht hatte. Zum anderen empfinde ich es beim Lesen des Gedichtes so, dass sich hier das Tempo beim Lesen ändert. Es wird langsamer, so wie der Fluß langsam dahin treibt. Wie gesagt, das ist mein Empfinde beim Lesen des Gedichtes.

Was die Wiederholung der Krähen betrifft, bin ich selber unschlüssig. Einerseits schließt sich so ein Kreis. Auch gefällt mir die Variante nicht, wenn es heißen würde 'zu den Baumwipfeln' oder - wie in einer der ersten Fassungen geschrieben - 'zu den Wipfeln der Bäume'. Andererseits ist es eine Wiederholung, die nicht unbedingt sein muss. Ich werde noch mal drüber nachdenken.

Liebe Grüße

Andreas
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo anbas

möglichkeiten:

Ich stehe
auf dem altem Holz
der schmalen Brücke.
Mein Atem
steigt hinauf
zum Gekrächze
während
wunde Lippen
zittern.

Langsam beuge ich mich
über das Brückengeländer
und spucke
in mein Spiegelbild.


Alles Liebe Otto
 
T

Thys

Gast
Hi anbas,

ich liebe den Herbst und den folgenden Winter überhaupt nicht.
Trotzdem passt Dein Text auch für mich.

Gruß

Thys
 

Daunelt

Mitglied
Hallo Anbas,

auch ich liebe den Herbst, es ist immer meine produktivste Zeit. Die Melancholie der Natur hat etwas müdes, beruhigendes und auch wieder stolzes - jedenfalls empfinde ich es so. Manchmal aber stehen hinter der Traurigkeit quälende Probleme und sei es nur, daß man wieder ein Jahr älter wird. Dann sich vorbeugen und auf das Spiegelbild spucken, ist eine gute Taktik. Werde versuchen, es nächstens so machen !

Daunelt
 

anbas

Mitglied
Vielen Dank für Eure Kommentare und Dir, lieber Otto, für Deinen Änderungsvorschlag. Ich werde aber wohl bei meiner Fassung bleiben.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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