Herbst

2,00 Stern(e) 6 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sekers,

die Idee finde ich gut, das Blatt als Metapher zu benutzen für eine unstillbare Sehsucht, eine Treue, die geradewegs in den Tod führt.

Der Titel "Herbst" will mir nicht so recht dazu passen, denn das würde ja bedeuten, dass es allen Blättern so ergeht und ich glaube nicht, dass Du es so gemeint hast.

Ich möchte Dir einen verkürzten Vorschlag unterbreiten. Etwas komprimiert wirkt der Text attraktiver, finde ich.


Ein grünes, zartes Blatt
sah viele Sonnen,
jeden Tag eine andere.

Die erste war die Schönste.

Es sehnte sich so sehr
nach der ersten Sonne,
dass es zu trinken
vergaß.

Es wurde braun
und fiel vom Baum
an einem Herbsttag.



Der Text klingt ein bisschen wie aus einem Märchenbuch, als ob eine Elfe beispielsweise einem Kind erklären würde, warum Blätter von den Bäumen fallen.

Ich warte mal noch mit meiner Bewertung, bis ich eine Antwort von Dir habe, denn vielleicht habe ich Dich ja ganz falsch verstanden. Auf jeden Fall verstehe ich die niedrigen kommentarlosen Bewertungen hier nicht.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

sekers

Mitglied
es war ein Mal

Hallo Vera Lena,

Danke dass du Dich mit den Herbstzeilen auseinandersetzt.

und obwohl auseinander-setzen so distanziert klingt, ist es in Wahrheit doch mehr das Gegenteil, mehr ein zusammen-Sitzen und brüten und herauskitzeln versuchen, was denn der Text wieder bedeuten könnte.

schreiben ist ja, wie man hier auf der LL sieht, nicht schwer. sich verständlich machen hingegen eine Kunst

ich möchte Dir gerne also sagen versuchen,
was ich vermeintlich meinte:


"... viele, viele ...", "... jeden Tag eine andere [Sonne sehen]..."
also der Text sollte nicht ganz wie aus einem Märchenbuch klingen, sondern so anheben, wie ein Kind vielleicht ein Märchen erzählen würde.

"aber die erste ... die schönste"
typisch Märchen, jetzt beginnt die eigentliche Handlung.

das Kind, das auf diesen grünen Seiten so technokratisch und oft das Lyrich genannt wird, erklärt einem anderen (jetzt also dem Lyrdu), was es mit dem braunen Blatt, das da am Boden liegt, für eine Bewandtnis hat.

und Kinder gebrauchen ja, Ralf Langer würde sagen Versatzstücke, Floskeln aus den Märchenbüchern, wenn sie selbst einmal zu erzählen beginnen.

dieses Kind hat irgendwo, Funk, Fernsehen oder Mutter, aufgeschnappt, dass nicht trinken nicht gut ist. (Ich meine diese 2 l Flüssigkeit pro Tag Geschichte habe ich mindestens schon 2000 Mal gehört, aber das ist eine Abschweifung)

und dann ist zu so einer kindlichen Erklärungsgeschichte kein allzu weiter Weg mehr.

"Und braun wurde."
jetzt ist das Märchen, die Erklärung und beides vorüber.

was es nicht weiß, aber der Verfasser der Zeilen, und das ist ihm bewusst auch erst geworden, nachdem V.-L. fragte, ist, dass es dabei ist zu lernen/zu erzählen, dass mit dieser altklugen Geschichte auch seine eigene Kindheit vorbei ist.

daher dann noch das zugegebenermaßen mehrdeutige(, aber wir sind ja in der Lyrecke):

"und dann fiel es vom Baum."

dass Du, liebe Vera Lena, gewiefte Leserin und Versteherin, unstillbare Sehnsucht, Treue, die geradewegs in den Tod führt, liest, sagt mir wiederum, oder macht mich erkennen, dass diese Begriffe mehr mit dem Kindsein zu tun haben - müssen, als unsereins, der so viel schreibt und unverständlicht, eigentlich für möglich hielte.

Liebe Grüße

G.

PS: hätte ich fast vergessen. der Herbst. ja, es war Oktober und ich ging gerade mit einer Freundin spazieren. Herr, es ist Zeit ...
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber sekers

danke für Deine Antwort! Ja, das Sich- binden-können stammt ganz gwiss aus der Kindheit, denn hier wird alles im Unterbewusstsein gespeichert, was das Kind in dieser Hinsicht durch die Erwachsenen positiv oder negativ erfährt. Natürlich spielt auch noch eine Rolle, was es dann später erlebt, wenn es schon alt genug ist, um sich an diese Erfahrungen erinnern zu können.

Na, das freut mich, dass ich die Nähe zum Märchen, welche Du auch teilweise beabsichtigt hattest, herauslesen konnte.

Das Herabfallen vom Baum möchtest Du auch noch interpretiert haben, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe.

Nun ja, es müsste sich um den Abnabelungsprozess handeln. Jetzt muss das Blatt durch Vergehen und Neuwerden seinen eigenen Weg aufnehmen.

Du hast hier viel hineingepackt in eine derart alltägliche Angelegenheit des Herbstes, dass man sich gar nicht bemüht, etwas dahinter erschauen zu wollen, sondern man sagt sich:"Was soll denn hieran Besonders sein, verstehe ich nicht; und schon prangt eine 2 unter diesem Text.

Das konnte ich mir aber dann doch nicht denken, dass Du Dir hier nichts gedacht hattest.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
Oben Unten