Herbstregen

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Vera-Lena

Mitglied
Herbstregen

Wie eingesammeltes Spielzeug
sind die Häuser auf den Bergen
verschwunden.
Nebel lecken talwärts,
zerknabbern Erinnerungen
an sommerhelle Tage.

Aber du
kannst mir nicht
verblassen.
Nieselregen
stäubt
deine Küsse
auf mein Haar.
Aus aller Bäume Zweigen
lächelst du mir
in jedem Tropfen zu,
und ich schlüpfe
winzig klein
hinein in diese
tausend Medaillons,
verschmelze mit dir
bis du wieder
greifbar
vor mir
stehst.
 
L

Lotte Werther

Gast
Liebe Vera-Lena,

Ich liebe Wortbilder.
Starker Anfang, Kompliment.
Häuser als Spielzeug, Nebel, die lecken und zerknabbern...

Ein schönes Gedicht.

Lotte Werther
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Vera,

auch ich mag Wortbilder gern.
Solche, wie diese, die ein bestimmtes Gefühl erwecken.

Frage nur*grübel*
"Aus aller Bäume Zweigen"
hört sich bissl komisch an.
"Aus aller Bäume Zweige" vielleicht?

Aber Du bist sicher besser in Deutsch, als ich und es ist wie Du es schriebst bestimmt richtig.:)

lG
Susanne
 

Vera-Lena

Mitglied
Bilder

Liebe Lotte,

herzlichen Dank für Deine Antwort!
Da kann ich Dir gleich einen Romanautor empfehlen, der überaus poetisch schreibt, ein Ire: Niall Williams und ich lese gerade von ihm:"Die Musik des Himmels." Es ist oft interessant, Übersetzungen aus fremden Sprachen zu lesen, weil man manchmal an ungewohnte Wortgebilde dabei gerät.
Dass längere Texte durchweg eine poetische Sprache haben, kommt ja eher selten vor. Vielleicht kennst Du ihn auch schon. Er hat noch Anderes geschrieben.

Ich wünsche Dir schon mal ein schönes Wochenende. Ab Sonntag soll ja die Sonne diesen Tag wieder mit ihrem Namen krönen.
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Zungenbrecher

Liebe Stoffel,

ich gebe Dir völlig Recht mit den Baumzweigen. Das klingt eher nach Zungenbrecher, aber grammatikalisch ist es richtig. In einem normalen Satz würde es "Aus den Zweigen aller Bäume" heißen. Ich hatte an dieser Stelle schon so viel rumgebastelt, mit dem Besen Kitsch rausgebürstet usw, dass ich einfach keine Lust mehr hatte zum Ändern. Kann aber sein, dass mir urplötzlich etwas Besseres einfällt.
Danke für Deinen Hinweis und Deine Antwort!
Auch Dir ein schönes Wochenende.:)))))
Mir kann es ja eigentlich nicht schlecht gehen, wenn mir bei diesem Wetter wieder nichts Anderes als die süße Liebe einfällt.....Naja..:D

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Schakim

Mitglied
Liebe Vera-Lena!


Stäubt Nieselregen Küsse,
spür' ich oft harte Nüsse -
Sie fallen ab vom Baum ...
Das ist nun gar kein Traum -
Selbst Kastanien wollen fliegen,
um in meiner Hand zu liegen ...
Bald ist's ein lautes Klopfen
nicht so wie leise Tropfen -
Nein! Ein Springen und ein Rollen,
weil alle kommen wollen ...


Ach, Vera-Lena, Dein Gedicht ist prächtig! Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und sende Dir liebe Grüsse!
Schakim
 

stemo

Mitglied
zerknabberte Erinnerungen

Hallo Verla-Lena
Poetische Bilder, fliessend, ein schönes Gedicht, nur:
"Nebel, die Erinnerungen zerknabbern" wirkt mir als Bild ziemlich dissonant. Ich kann es schlecht nachvollziehen, dass Nebel als etwas Weiches, Wallendes, Verhüllendes usw. wie zum Beispiel ein Nagetier mit den entsprechenden Geräuschen meine Erinnerungen zerknackt, oder Nebel vor dem Fernseher mit einem Sack Chips auf dem Schoss?
 

Vera-Lena

Mitglied
zugeschaut

Lieber stemo,

ich habe einfach zugeschaut, wie die Nebelzungen erst dies verschwinden liessen und dann auch noch jenes, als sie talwärts gewabert sind. Meistens sieht man sie ja aufsteigen, und dann haben sie auch Zungen. Wenn man sich beim Wort "knabbern" Geräusche vorstellt, dann wäre diese Vokabel in diesem Text wirklich verfehlt. Aber ich habe noch daran gedacht, wie ich mit meiner kleinen Tochter immer früher "Anknabbern" gespielt habe, und da haben wir mit unseren Zähnen so getan, als würden wir die Wange des anderen anknabbern, und das war völlig geräuschlos.

So hat jeder so seine eigenen Assoziationen. Ich danke Dir, dass Du mir die Deinen mitgeteilt hast.

Einen schönen Abend wünsche ich Dir noch.:))))
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

stemo

Mitglied
hartnäckig?

Ja liebe Vera-Lena
Das mit der Assoziation zum "Anknabbernspiel" mit Deiner kleinen Tochter finde ich, wenn Du tatsächlich hier in Deinem Gedicht daran gedacht hast, sehr reizvoll, wenn auch aus dem Zusammenhang des Textes nicht direkt ersichtlich. Verborgene persönliche Zusammenhänge in einem Gedicht stören mich überhaupt nicht, im Gegenteil. Ich halte es oft selber so, nur dann (bin ich zu hartnàckig?): Deine Erinnerung: Das Anknabbern mit den Zähnen: Passt das zu Deiner Erfahrung von Nebel?
Haben meine Einwände nun einfach etwas mit blöder Logik zu tun, müssen sie der dichterischen Freiheit weichen, der dichterischen Laune, dem "Event" der Eingebung?
Ich selber komme manchmal erst später drauf, dass in einem Gedicht gewisse Dinge nicht zusammengehören, obwohl mir das im schöpferischen Moment der Gedichtentstehung absolut so erschien. Deshalb braucht es eigene Distanz oder die Fragen aufmerksamer Leser....
Liebe Grüsse!
 
S

Stoffel

Gast
guten Morgen,

ich hab seit 3 Wochen ein unfertiges Gedicht im Kopf, wo auch "knabbern" drin vorkommt. Und es hat nichts mit dem menschlichen Knabbern zu tun. Ich finds nicht unpassend und durchaus verwendbar.:)
Und wenn etwas weiter weg ist und "knabbert", würde man es auch nicht hören. Denk ich mal.

Schönen Tag allen
lG
Stoffel
 

Vera-Lena

Mitglied
interssant

Lieber stemo,

Deine Anmerkungen finde ich sehr interessant. Wann sind Einwände gegen einen Text eher persönlich, wann sind sie allgemein? Eine Frage, die bedeutsam ist, für die es vielleicht in der Germanistik sogar Richtlinien gibt, woher nähmen die berufsmäßigen Kritiker sonst Ihre Maßstäbe.
Als ich in Kindlers Lieteraturlexikon mal über einen Roman von Jakob Wassermann gelesen habe, er wäre leider mißlungen, habe ich mir nicht die Mühe gemacht, herauszufinden, wie diese Beurteilung entstanden sein könnte, denn mir hat der Roman gefallen, und ich war im ersten Moment über dieses Urteil sogar entrüstet. Man könnte sich mit so Vielem intensiver beschäftigen, wenn man wollte. Aber ich persönlich habe keine Lust auf ein Germanistikstudium. Ich mache es so wie Du, manches spricht mich an, und dann weiß ich wieso, und manches spricht mich nicht an. Wir sind doch alle keine Schreiber, die mit ihren Zeilen Geld verdienen müssen und der Nachwelt standhalten müssen. Für uns ist die LL eine Freizeitbeschäftigung. Und wenn sich da jeder Mühe gibt innerhalb seines persönlichen Rahmens, dann ist es gut genug.
Zu dem Knabbern ist mir noch eingefallen: Wenn die Motten deinen Pullover zerknabbern, dann hörst Du es leider auch nicht. Für mich macht angeknabbert hauptsächlich die Aussage, dass da unregelmäßige Ränder entstehen.
Ich danke Dir für Deine Anregung allgemeiner Art, über das Verwenden von Bildern in Texten nachzudenken.
Einen schönen Herbsttag wünsche ich Dir.:))))
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Knabbern

Liebe Stoffel,

ich wünsche Dir dass dein Text samt "knabbern" nach 3 Wochen nun bald zur Geburt kommt und dass er Dir gut gelingt.:))))))
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Udogi-Sela

Mitglied
Hallo Vera-Lena, mir ist es auch so ergangen: ich las das Gedicht; es gefällt mir ausgezeichnet, bis auf, na ja, eben dieses „knabbern“. Stemo hat es schon treffend beschrieben. Auch die danach folgenden Kommentare beseitigen bei mir nicht das Gefühl, dass dieses Wort irgendwie nicht passt.
Aber Gott sei Dank gibt es ja auch andere Meinungen.
Vielleicht ist es auch der Zusammenhang zwischen der Beschreibung des „Zerknabberns“ und der Aussage: „Du kannst mir nicht verblassen“. Wenn etwas „zerknabbert“ wird, kann es nicht gleichzeitig „verblassen“.
Hat auch so ein bisschen die Aussage von: „Du entkommst mir nicht!“
Ist ja vielleicht auch so gewollt.

Ich wiederhole: Gefällt mir ausgezeichnet!

Herzlichst
Udo
 

Vera-Lena

Mitglied
schon öfter

Lieber Udo,

das ist mir schon öfter passiert, wenn ich gemeint habe:"Du bist in meinem Innersten unverlierbar", dann wurde es mir ausgelegt:"Du kannst mir nicht entkommen". Das wäre das Letzte, was ich inhaltlich in ein Liebesgedicht fügen wollte. Aber Interptetationen sind völlig frei. Das "Zerkanbbern" steht doch im Gegensatz zum "Verblassen".
Es steht doch auch ein "aber" dazwischen. Erinnerungen können von was auch immer überlagert oder "angeknabbert" werden... Aber Dich vergesse ich niemals. So ist es gemeint.

Es freut mich aber, dass Dir der Text ansonsten gefällt.

Irgendwie ist das für mich seltsam. Eigentlich weiß man doch, dass Erinnerungen nicht plötzlich verschwinden. Sie zerfransen, erst verliert sich dieses und dann jenes, oder sehe nur ich das so, oder erlebe ich das so, weil ich schon älter bin. Großes Fragezeichen?!!!

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
was ist jetzt los?

Lieber Schakim,

wo ist denn meine Antwort auf deine Antwort geblieben? Die ist irgendwo im Netz verschwunden. Kastanien könnten auch mir zur Zeit auf den Kopf fallen, sie sind hier ganz in der Nähe. Zum Glück haben sie es nicht auf mich abgesehen.

Ein schönes herbstliches Wochenende wünsche ich Dir.:)))
Liebe Grüsse Vera-Lena
 



 
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