Herbstwind

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Herbstwind



September atmet Abschied kühl ins Land;
Wenn Falter rastlos schwirren um Laternen,
Bevor sie endlich taumelnd sich entfernen,
Naht rasch die Nacht in ihrem Taugewand.


Wenn Nebelschleier wehen überm See,
Und Käuzchenruf erschrickt verlassne Wesen,
Schwingt Herbstwind heulend seine Rasselbesen;
Des Sommers Kehraus – wundersames Weh.


Nun klingen wieder leisre Lieder an,
Schon lang verstummten unsre stolzen Weisen,
Das Aufbegehren, raus aus starren Gleisen,


Nicht länger nur um eine Mitte kreisen,
Geglaubt, die Erde hält den Atem an;
Was Ewigkeit uns schien – die Zeit – verrann!


Brigitte Pulley-Grein

1 6. O k t. 2 0 0 5
 

Walther

Mitglied
Guten Tag,

es ist schön, eine/n weitere/n Sonetter/in zu finden. Diese Art ist ja nicht mehr sehr häufig heutzutage.

Das Gedicht ist in seiner Komposition gut gelungen. Es greift das Dialogisierende der Gedichtform auf. Werden in der ersten Strophe noch Sommerboten zitiert, treibt in der zweiten Strophe schon der Herbst sein (Un-)Wesen.

Dann der Wechsel von der Außen- in die Innensicht. Die Naturbeschreibung erhält als Ergänzung die Innensicht des Menschen, der von der Natur und ihren Fortfolgen, seien sie vom Wetter bestimmt oder auch nur tradiert, stärker beeinflußt wird, als er es wahrhaben will. Den mächtigen vierversigen Strophen kommt als Sechserpack wiederum ein Doppel hinterher, das in der dritten Strophe die Einzelsicht und dann das Allgemeingefühl umgreift, die Vorahnung der Weihnacht, deren Einkehrelement der Herbst vorzubereiten scheint.

Fürwahr, ein schönes Verswerk, auch wenn die verwandten Bilder etwas abgenutzt erscheinen. Man soll sich dieser wehen Abschiedsstimmung des Jahresende und der Wende in den Winter nicht verschließen. Und Gefühle sind Gefühle. Diese werden weder alt noch durch Moden entwertet. Sie sind einfach. Und so ist dieses Gedicht.

Lieben Gruß

W.
 
Hallo Walther,

herzlichen Dank für Deinen lobenden Kommentar! Es freut mich, daß Du Gefallen an meinem Sonett hast.
Ja, Du hast völlig Recht, Gefühle wird es immer geben, sie kommen nicht aus der Mode.
Ich stehe jedenfalls dazu, daß ich der romantischen Lyrik sehr zugetan bin. Und trotz der gewiß gut gemeinten Ratschläge mancher Zeitgenossen, ich solle doch auch mal freie Lyrik schreiben (habe ich versucht, aber es reimt sich oft schon nach der zweiten Zeile) will und werde ich mir treu bleiben!
Seit geraumer Zeit widme ich mich intensiv dem Sonett. Rainer Maria Rilke, der Meister des Sonetts, unerreichbar, aber mein großes Vorbild, wird wohl immer seine Verehrer(innen) haben, unabhängig vom jeweiligen Zeitgeist. Und das ist auch gut so!

Mit lieben Grüßen,

Brigitte Pulley-Grein.
 
S

Stoffel

Gast
Liebe Brigitte,

neben Mai ist der September mein Lieblingsmonat, und ich habe wirklich mit geatmet.
Ich habe keine Ahnung von "Sonett", werde mich da aber mal kundhaft tun, aber es liest sich wunderschön.:)

Bilder und Gefühle..die..so..nett:)

lG
Gute Nacht
Sanne
 

Walther

Mitglied
Guten Abend, liebe Damen!

Ja, Rainer Maria Rilke, Sonette an Orpheus, man möchte fast seufzen! Nur hat es dieser weder mit der Form noch dem Reimschema so genau genommen wie wir gerade. Er hat durchaus auch vierhebig geknittelt, seine Enjambements sind manchmal sehr gewagt. Aber: Es sei ihm genehmigt, denn er konnte es, das Sonetten ...

Nun wollen wir es hier mit den Lobeshymnen nicht übertreiben, aber zum Lesen anregen. Und wem Herr Rilke zu unmodern ist, dem empfehle ich Jan Wagner oder Robert Gernhardt. :)

Ich grüße so nett und freundlich aus den Tiefen des Netzes!

W.
 
Herzlichen Dank für Dein lobendes Feedback, liebe Sanne!
Ja, auch ich liebe den Herbst, mehr noch den Spätherbst und Winter. Es ist beinahe schon eine "Herbst(sehn)sucht. Jeden Tag, jede Stunde möchte ich so lange wie möglich festhalten können - und genießen.
Doch dazu bleibt mir - noch berufstätig - stets zu wenig Zeit.
Darum schreibe ich mir meine Herbstgefühle hin und wieder von der Seele. So habe ich den Herbst derart verinnerlicht, daß ich bei Bedarf einfach abtauchen kann.

Ein schönes Winterwochenende wünscht Dir,

Brigitte.
 

Perry

Mitglied
Hallo Brigitte,
auch mir gefällt dein herbstliches Sonett sehr gut. Ich bewundere die "handwerkliche" Fähigkeit dieser Reimkunst. Bei mir bleibt dabei immer ein wenig die Poesie auf der Strecke, deshalb bevorzuge ich mehr die freie Lyrik.
Aber ich denke, wichtig ist dass bei aller Reimkunst der inhaltliche Sinn rüberkommt und das ist Dir gut gelungen.
LG
Manfred
 
Herzlichen Dank für Dein positives Feedback, Perry!

Es freut mich, daß Dir mein Sonett gefällt.
Und bei aller Reimkunst - gereimt oder frei - sollte doch die Freude am Schaffen das Wichtigste dabei sein.

In diesem Sinne grüße ich schaffensfroh und herzlich,

Brigitte.
 



 
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