Herr Stocke

sajo

Mitglied
Herr Stocke

Ob sich Herr Stocke als glücklichen Menschen bezeichnen würde ist schwer zu sagen. Er trägt keinen Ehering und ist auch kein Adonis. Hoch aufgeschossen mit schmalen, etwas hängenden Schultern, Bäuchlein, Halbglatze, Brille und einer kaum besiegten Akne wirkt er wie ein zu groß geratenes, unsportliches Kind hinter seinem Tresen. Der Umgang mit seinen Kunden hat noch dazu Spuren in seiner Körperhaltung hinterlassen. Schon allein wegen der von ihm erwarteten Diskretion muss er sich hinunter beugen, seine Ohren den Mündern seiner Kundschaft nähern, die oft nur leise ihre Wünsche vorbringt. Meist wird ihm ein Zettel über den Tresen geschoben, den er prüfend überfliegt und mit einem „ich will mal schauen, ob wir das dahaben“ nach hinten trägt, in seine alphabetisch geordnete Schatzkammer der Mittelchen und Essenzen.
Dabei nimmt er einen lautstark vorgetragenen mütterlichen Wunsch nach einem silikonfreien Schnuller ebenso gelassen entgegen wie die schamvoll geflüsterten Anfragen nach Salben, Cremes oder sonstigen Dingen für untenrum. Diese Artikel verlangen ihm einen gänzlich neutralen Gesichtsausdruck ab, den er mit einem „Ühüm!“unterstreicht, als ob es sich bei den nachgefragten Produkten um ein Päckchen Tempo-Taschentücher handeln würde.
Leider gibt es trotz der auf dem Fußboden angebrachten Trennungslinie zwischen Warten und Dransein doch hin und wieder die eiligen oder die allzu neugierigen Kunden, die gern Näheres über die Angelegenheiten des Mitmenschen vor sich gewusst hätten. Dem begegnet Herr Stocke mit Hochziehen einer Augenbraue und einem strengen Blick über die Gläser seiner Metallbrille hinweg. Das reicht.
Fast alle seine Kunden spricht Herr Stocke mit Namen an: Zum Einen ist das Gekanntsein in einem Dorf nicht verwunderlich, zum Anderen liest er die Namen der ihm noch unbekannten Kunden von den herübergereichten Rezepten oder später auf den EC-Karten ab. So ist es nur gerecht, dass auch er sich preisgibt. Jedenfalls seinen Nachnamen verrät, den er auf einem Ansteck-Schildchen am weißen Kittel trägt: „Herr Stocke“. Nicht viel, aber immerhin etwas, das ihn seinen Kunden menschlich näherbringt. Kein Vorname , kein Geburtsdatum, und nichts, was auf seine möglicherweise ja auch bestehenden körperlichen Leiden hindeuten würde. Aber immerhin ein Name, und so ein Mindestmaß an Ausgewogenheit in der Beziehung zwischen ihm und seinen Kunden.
Herr Stocke weiß seine Worte passend für jedermann zu wählen, die Einnahme eines Präparates leise, aber präzise zu erklären. Und selbst wenn er Arzneien herausgibt, die ihn erschrecken lassen, weil sie auf eine heimtückische oder schwere Krankheit schließen lassen, bleibt er äußerlich gleichmütig und korrekt in seiner Darstellung der Anwendung. Er ist der Anwalt der Möglichkeit des Gesundens, er will Hoffnung verkörpern.
Und so hat er dann beim Bezahlen am schnurlosen EC-Kartenlesegerät- für jeden Kunden und immer wieder - denselben Scherz bereit: “ Darf ich Sie nun bitten, hier Ihr Geheimnis einzugeben!“ Ein kleines Geheimnis, aus vier einzutippenden Zahlen bestehend, das auch er nicht erfährt. Alles Andere schließt er in sich ein - dankbar dafür, wie nah er dem Leben täglich kommt.
 
A

aligaga

Gast
Hallo @sajo,

du hast sicher die Gebrauchsanweisung für dieses Forum aufmerksam durchgelesen, bevor du dich registrieren hast lassen und damit anfingst, deine G’schichterln einzustellen.

Bitte sei doch so gut und betrachte diese community nicht als Ort der bloßen Selbstdarstellung, sondern nimm Teil am großen Ganzen. Wir leben davon, dass wir uns gegenseitig wertschätzen, ggf. auch kritisieren. Das heißt, dass auch du hin und wieder die Arbeiten anderer zur Kenntnis nehmen und ihnen ggf. auf die Sprünge helfen solltest. Dafür, dass dabei die Spielregeln eingehalten werden, sorgt eine Moderation.

Wer registriert ist, sollte mittun. Ich bin sicher, du könntest manchen wertvollen Beitrag leisten.

Gruß

aligaga
 



 
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