Herzlos

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Kinski

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Herzlos



Ein Blatt reißt sich von der Blüte und schwebt zu den schon verwelkten.
Die Rose stirbt vor sich hin. Wie die Liebe zwischen uns. Einst war sie prächtig und schön anzusehen, so wie die Rose noch vor Tagen.
Eigentlich wollte ich mir nur ein paar Sachen holen. Dachte Du wärst fort, zur Arbeit gegangen.
Doch nun stehst Du vor mir. Verschränkst die Arme vor Deiner üppigen Brust.
Die Abendsonnestrahlen lassen Dich blinzeln. Dein schmolliger Mund verzieht sich zu einer Wulst.
Hätte ich gewußt, Dich anzutreffen, hätte ich überlegt, was ich Dir sagen könnte. Aber nun bin ich sprachlos. So wie Du.
Die Wut steht Dir im Gesicht geschrieben. Deine Brauen tragen einen Ausdruck, den ich nie an Dir mochte. Mit Haß besetzt. Die Stirn in Falten gelegt.
Weißt Du noch als der kleine Hund aus dem Stadtpark unsern Picknickkorb geplündert hatte? Ich fand es lustig. Wie süß der kleine Fratz doch war. Du fandst es nicht zum Lachen. Weißt Du noch? Genauso siehst Du jetzt auch aus.
Ich höre mein Herz pochen. Es kommt mir vor, als würde es immer lauter schlagen. Als würde es versuchen, das Schweigen zu brechen. Die Stille, die eingekehrt ist, seit ich vor Dir stehe.
Ich fasse Mut und grüße Dich verlegen.
Die Wulst aus getrockneten Lippen verschiebt sich und preßt ein sanftes "Hallo" heraus.
Etwas Wärme fließt durch meinen Bauch. Ich bin froh, die Barriere aus stiller Frust durchbrochen zu haben.
"Wie geht es Dir", frage ich gleich noch nach. Möchte ein Gespräch mit Dir aufbauen, obwohl ich weiß, dass ich eigentlich nur ein paar Sachen holen wollte.
Du antwortest nicht. Drehst Dich lieber weg und schaust aus dem Fenster.
Nein, ich bin Dir nicht böse, wenn Du nicht antwortest. Hab ich doch ehr damit gerechnet als mit einer schlechten Lüge.
Ich schleiche an Dir vorbei und steuere direkt in das Schlafzimmer.
Ich staune. Alles ist unverändert. Noch genauso, wie ich es verlassen habe. Das Bett ist zerwühlt, der Nachttisch umgestoßen, die Erde der Yucca-Palme ziert immer noch den Teppich.
Ich bahne mir einen Weg durch die Scherben des Blumentopfes zum Schrank. Dabei halte ich vor einem weiteren Scherbenhaufen, der in mir mehr Gefühle auslöst als die zerstörte Pflanze. Es ist der zerbrochene Rahmen eines gemeinsamen Fotos von uns. Wir beide, Du und ich. Es ist schon alt, das muß ich dazusagen. Du bestreitest das gern, aber - so war es nun mal.
Streiten. Das mochtest Du immer sehr. Auch wenn ich sie nie mit Dir teilte, so warst Du immer der Meinung: Richtige Paare streiten auch mal. So wie wir gestern nacht. War es das Wert? Wie gern würde ich Dich das fragen - aber ich halte mich lieber geschlossen. Ich kann immer noch Deine Faust an meinem Kiefer spüren.
Ich rümpfe mir die Nase und tue so, als interessiere mich alles nur halb so viel. Obwohl ich genau weiß, dass mich die Trauer um unsere Beziehung auffrißt. Es ist keine 24 Stunden her, da rauften wir gegenseitig uns die Köpfe, als wären wir kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug stritten. Und dieses Spielzeug hieß Stolz. Nicht mehr und nicht weniger.
Das Säuseln des Windes durch das geöffnete Fenster streut das fehlende Salz in den Kochtopf, der in mir brodelt. Ich koche förmlich, will es mir aber nicht eingestehen. Warum auch? Habe ich denn Grund genug zu glauben, ich sei schuld an der Misere?
Ein gleichgültiges Schulternzucken erschüttert meinen Körper und ich wackele weiter in Richtung des Schranks.
Musik ertönt aus dem Nebenraum. Ich bleibe still stehen und lausche.
"Can`t you see he´s the heartless your pain is not love he´s taking it too far don´t you know it is wrong...",
die melodische Geräuschkulisse wird immer lauter, bis ich nicht mehr den Verkehr auf der Straße höre. Bis sie mit einem Male abrupt abreißt und wieder die Stille die gepeinigte Situation beherrscht.
Mein Kopf schwenkt langsam und bedächtig um hundertachtzig Grad. Die Abendsonne scheint nun vollständig durch die Fenster und errötet das Schlafzimmeraccessoire in tiefes, dunkles Orange. Während die Wärme der Strahlen stetig abnimmt, steigt meine Körpertemperatur. Mein Gesicht läuft puterrot an, Schweißperlen bedecken meine Stirn.
Die Vernunft fragt mich erneut: "Was mache ich hier nur?" Verdammt, was tue ich hier?!?
Ich stapfe erregt zurück ins Wohnzimmer. Die Gedanken schrillen Sturm. Meine Hände zittern wie ein Erdbeben. Die Knie sind wie Wackelpudding, bereit zum Einstürzen.
Du sitzt in eingeschüchterter Haltung auf dem Sofa. Den Kopf gesenkt, die Hände zusammengefaltet, in den Schoß gelegt. Was erwartest Du? - will ich Dich fragen. Was bedrückt Dich? - quält es mich.
Ich schlurfe sacht in Deine Nähe und lasse mich auf dem Boden nieder.
Ein Taschentuch schaut neben Dir aus einer Sofaspalte hervor. Dein Gesicht ist ebenfalls rot, roter als meines. Die Vorstellung, Du hättest Dich leidenschaftlich ergossen, löst in mir tiefe Betrübnis aus.
Meine Erregung ringt mit meinem Gewissen und gibt sich letzten Endes ganz auf.
Ich suche Deinen Blick. Möchte einen Kontakt mit ihm aufbauen. Obwohl er sich trostloser Leere ergötzt, sprudelt mir ein himmelblaues Meer entgegen.
Die Hände suchen verzweifelt nach Deiner Nähe. Greifen alles, wonach ihnen ist. Eiskalt.
Spürst Du es auch? Mein Zittern bringt mich um den Verstand. Langsam, unter Qualen, erleide ich Schiffbruch mit meinem Starrkopf.
Doch Du wendest Dich von mir ab. Stehst auf und läufst verwirrt durch die Wohnung.
Ich begreife, dass es keine Hoffnung mehr für uns gibt. Alles ist zu Ende.
Mit gesenkten Kopf begebe ich mich, an Dir vorbei, zur Haustür.
Dort angelangt, drehe ich mich ein letztes Mal um.
Du stehst angelehnt an der Wand und schüttelst aufmerksam Deinen klugen Kopf. Die Haare wehen durch die Luft, als würden sie mir zuwinken.
Mein eigentliches Vorhaben hat sich ebenfalls aufgelöst. Es ist wie weggeblasen.
Zum Aufgeben gezwungen stehe ich nun an dieser Tür, die uns so oft nur als einzigen Ausweg erschien. Dann, wenn die Meinungen eskalierten. Und uns in gegenseitige Sicherheiten trieb.
"So soll es dann sein", bewege ich nur meine Lippen und senke meinen Kopf.
Meine Hände hängen schlaf am Körper herunter, die Schultern nach vorn gebeugt dreh ich mich um und öffne die weißgestrichene Tür.
Erst als ich draußen stehe, die Tür ist bereits hinter mir ins Schloß gefallen, begreife ich den Ernst der Lage in seinem vollkommenen Ausmaß.
Es wird nicht einfach werden, ist mein erster Gedanke in der lodernden Freiheit. Hell und mit gigantischen Händen will sie - nach mir greifen - mich umarmen, weil sie weiß, wie es um mich steht, welchem Abgrund ich gegenüber stehe. Aber habe ich eine Chance ihr zu entkommen? Sie kennt jeden Schritt, den ich gehe; sie kennt jeden Gedanken, den ich daran verschwende. Aber sie will mich schützen, wie eine Mutter ihr Junges.
Einsam und trotzdem allein, schweige ich noch immer vor mich hin, jedoch weiß ich, daß es mir nicht viel bringen wird.
So lasse ich ein Stück Gegenwart hinter mir und renne los.
 



 
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