Heuchelei

Inge Anna

Mitglied
Heuchelei

Nicht einer hat den Zug verpasst
zur Feier Deiner siebzig Lenze;
die Heuchelei ist heut' zu Gast:
Schmarotzer sprengen jede Grenze.

Du nimmst die milden Gaben an,
lauschst öden, abgewetzten Worten;
lächelst ergeben dann und wann,
öffnest des Lügenschlosses Pforten.

Dein jüngster Spross geht brav ans Werk,
küsst dich auf Wange, Stirn und Mund;
Gewaltig ist sein Schuldenberg:
allein Dein Geld macht ihn gesund.

Auch Edwin balzt um Deinen Zaster,
er streichelt zärtlich Deine Hände,
Suff und Weiber sind sein Laster
und finanziell ist er am Ende.

Hermann mit dem Doktortitel
hat als Arzt sich schlecht bewährt;
es fehlen ihm gewisse Mittel,
sechs Enkel hat er Dir beschert.

Die Schar bedient sich Deiner Seele,
mit engelreinem Lobgesang,
ein Schluchzen brennt Dir in der Kehle,
hier wird gebuhlt um ersten Rang.

Die Schwiegertöchter, aufgeputzt
als säßen sie im Staatstheater;
da stehst Du, schäbig ausgenutzt,
reicher und doch armer Vater.

Die gespielte Heiterkeit
soll Dein gutes Herz bewegen;
werd' nicht schwach, noch hast Du Zeit,
das Goldgeschäft zu überlegen.

Hüte dich vor ihren Fängen,
ja, man wittert fette Beute;
wie sie eifern, wie sie drängen:
Wend Dich ab - tu' es noch heute!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
jaja,

nur arme leute haben liebevolle verwandte! bloß gut, daß ich arm bin, um meine habe streitet sich keiner. lg
 



 
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