Heulsuse

1,00 Stern(e) 1 Stimme
Klar! Nach unserem letzten Endlostelefonat steht für mich fest, dass du wieder einmal nur eine starke Schulter zum Anlehnen suchst.
Trotzdem werde ich auch heute dein Jammern stillschweigend ertragen.
Worte wie: "Du bist der Einzige, der mich versteht," oder: "Wenn ich dich nicht hätte", gehen mir längst nicht mehr runter wie Öl.
Just im Moment deiner Lobhudelei werde ich dir falschen Schlange erklären, dass ich in Zukunft so ein Benehmen keineswegs mehr tolerieren, nicht länger für dich den Pausenclown, den Softy, das Weichei oder gar den Lückenbüßer spiele werde.
"Ich bin nicht der selbstlose Freund, für den du mich hältst," muss ich zugeben.
Der zum hundertsten Mal auf energisch einstudierte Blick in den Spiegel meiner Studentenbude verspricht mir, dass es diesmal klappen könnte.
Es klingelt.
Deine zarte Haut scheint sich nicht nur vom echt deprimierenden Dauerregen, sondern auch von den vergossenen Krokodilstränen, aufzulösen. Du musst aus Zucker, zumindest aber genau so süß sein, kommt es mir in den Sinn und ich schmelze bereits beim ersten Kuss dahin.
Mein Gott, wie zerbrechlich sie ist, denke ich.
Es gibt wie immer Gebäck, Tee, Schnulzenmusik und ganz viel Zärtlichkeit. Wie üblich türmt sich ein Gebirge vollgeheulter Papiertaschentücher neben uns auf.
Was soll´s?
Mir ist egal, wenn die Spatzen von den Dächern pfeifen:
"Sie nennt alle Männer Darling."

Ich leide mit ihr.
Und überhaupt, wo hört Mitleid auf? Wo fängt Liebe an?
 



 
Oben Unten