Heute hast du einen guten Tag

4,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Heute hast du einen guten Tag

Du hältst den Kopf geneigt
im Winkel von 30 Grad, denke ich,
denn ich betrachte dein Profil.

Mit beiden Händen hältst
du das Buch,
aber die Zeichen
sagen dir nichts.

Dein Wachsein weilt woanders.

Spräche ich zu dir,
du könntest die Worte
nicht entziffern,
nicht mehr.

Die Linie deines welken Halses
wie schutzbedürftig,
wie verlangend
zeichnet sie sich
in diese Welt,
ein Relikt, ein Zurückgelassenes,
dem du schon vorausgeeilt bist.

Ich umhülle sie
mit meinem Gedenken,
mit guten Erinnerungen,
mit Dankbarkeit.
 
M

Melody

Gast
Och Vera, du bist so lieb und so einfühlsam. *soifz*

Dein Gedicht ist so schön geschrieben.
Das lyrische Ich (ich sage aus gutem Grund jetzt nicht du:)) sah ein Photo einer Person im Profil, die ihm etwas bedeutet es möchte das zum Ausdruck bringen.

Aber warum änderst du in der letzten Strophe die angesprochene Person und setzt ein "sie" ein?
Ist das etwas, was das Ich am Ende des Gedichts zu sich selbst sagt? Oder eine Änderung der Perspektive, um zu zeigen, dass das Ich durch das ganze Gedicht hindurch nur in Gedanken bei dieser Person ist, die es anspricht?
"Ich umhülles sie mit meinen Gedanken..."?
Ich glaube schon, oder? Dieser Person soll nämlich niemals gesagt werden, was mit ihr los ist, weil sie das nicht verkraften würde....

*finds schön, aber traurig* :(

Liebe Grüße,
von Melody
 

Vera-Lena

Mitglied
Hinweis

Liebe melody,

danke für Deinen Kommentar und Deinen Hinweis. Mit "sie" meine ich die Linie des Halses, denn die Person sitzt leibhaftig vor dem lyrischen "Ich". Wenn das aber nicht deutlich geworden ist, müßte ich etwas ändern. Vielleicht sollte ich die letzte Strophe nicht absetzen, sondern anfügen und zwischen "bist" und "Ich" keinen Punkt sondern ein Komma setzen. Das "Ich" umhüllt die Linie des Halses mit seinem Gedenken, mit Erinnerungen und Dankbarkeit, weil die Person nicht mehr ansprechbar ist. Ich dachte der Titel:" Heute hast du einen guten Tag" würde verdeutlichen, daß das "Du" leibhaftig vorhanden ist. Aber dazu ist die LL da, um einem klar zu machen, daß man längst nicht das ausgedrückt hat, was man sich vorgestellt hatte.

Also vielen Dank:))))
Ganz liebe Grüße Vera-Lena
 
M

Melody

Gast
Ja, dass die Person leibhaftig vorhanden ist, das habe ich verstanden :) Auf jeden Fall!
Nur das mit der "Linie des Halses" sehe ich jetzt erst.
Es ist ein wenig zweideutig.
Wart erst einmal, was die anderen dazu sagen....vielleicht verstehen sie es ja auch auf Anhieb ;) Denn wenn du die Strophen aneinanderreihtest, dann ginge optisch irgendwie etwas verloren, oder? *grübel*

Grüß dich
Melody
 
K

Klopfstock

Gast
Liebe Vera-Lena,
also, wenn ich dieses Gedicht richtig verstanden habe,
dann geht es hier um eine geliebte Person die an Alters-Demenz erkrankt ist und in Folge dessen nichts mehr richtig wahrnehmen kann. Dieses bestätigt mir auch der Titel des Gedichtes (ich kann mich aber auch irren)
Auch der Hals, "das zurückgelassene Relikt" spricht dafür.
Körperlich zwar noch da, weil die Seele schon in der Ewigkeit. Aus dem "sie" geht aber deutlich hervor, daß es sich um diesen Hals handelt, um die Linie dieses Halses.
Ein sehr einfühlsames, zartes und liebevolles Gedicht,
das mich sehr anspricht.
Na, ja, ich hoffe, daß ich es richtig verstanden habe,
weil Inerpretationen fremder Gedichte mir etwas schwer fallen - bei den eigenen ist es leichter, ist ja klar;)

Wünsche Dir einen schönen Tag
und sende ganz liebe Grüße:)
 

Vera-Lena

Mitglied
Stein vom Herzen

Liebe Irene,

mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon befürchtet, daß es unklar wäre, aber nun sehe ich, es ist durchaus verständlich. Danke!!!!!:))) :)))))) :)))))
Ich wolte auf keinen Fall dicker auftragen, dann wäre alles kaputt gewesen.

Ich danke Dir 1000 Mal!

Zum Glück ist es ja wohl auch bei Dir heute nicht so heiß wie in anderen Regionen Deutschlands, und so wünsche ich Dir noch einen schönen Abend.:))))
Ganz liebe Grüße Vera-Lena
 
M

Melody

Gast
*uiui* mir fällt das erst jetzt wie Schuppen von den Augen. Das Buch, dass die Person nicht lesen kann, das Zurückgelassensein und das Wachsein, dass nicht mehr im hier und jetzt stattfindet.

Oh weia Vera...:( sorry.

Was genau ist Alters-Demenz? Ist es dasselbe wie Alzheimer? Oder ist es mit Altersschwäche gleichzusetzen?


Liebe Grüße
von Melody
 

Vera-Lena

Mitglied
nicht genau hingesehn

Liebe Melody,

manchmal hat man nicht genau hingesehen. Das kommt schon mal vor. Altersschwäche ist etwas Anderes als Demenz oder Alzheimer. Bei den beiden Letzten handelt es sich um Zustände von Verwirrung, bei Alzheimer können sogar Horror-Visionen auftreten, die für die Betreffenden unglaublich qualvoll sind. Aber in meinem Gedicht hat ja die kranke Person heute einen guten Tag, sie leidet nicht so sehr, ist aber geistig irgendwo anders.

Wünsche Dir noch einen schönen Abend.:)))
Liebe Grüße Vera-Lena
 

Jamie Avery

Mitglied
liebe vera-lena

ich habe es auch auf anhieb wie irene empfunden und finde dies ist ein gut gelungenes, ja zärtliches gedicht für
die in demenz versunkene liebe person...
lieber gruß

:) Bea (im Reisefieber)
 
M

Melody

Gast
Nachtrag

....die Situation deines Gedichtes erinnert mich jetzt doch sehr an das Buch "The Notebook" von Nicholas Sparks.
Er schreibt sehr idealistisch von der Liebe, doch auf eine sehr anrührende Art und Weise, dass das keine Rolle mehr spielt. Ich habe am Ende des Buches richtig weinen müssen, und sowas passiert mir echt sehr selten.
In diesem Buch geht es um zwei Menschen, die ihre wahre Liebe im anderen gefunden haben - und es endet zerzerreißend, und doch tiefgreifend und wundervoll.
Vielleicht möchtest du es ja einmal lesen. Den deutschen Titel habe ich momentan nicht im Kopf.

Liebe Grüße
von Melody (im Wäschewaschfieber*g*)
 

Vera-Lena

Mitglied
Nicholas Sparks

Liebe Melody,

das Buch habe ich auch gelesen. Mir hat es auch sehr gut gefallen.
Bin auch beim Wäschewaschen.
Liebe Grüße:)))))
Vera-Lena
 



 
Oben Unten