Hildegund

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Hildegund


Ich fand einmal ein Schneckentier,
Das lebt seit Wochen schon bei mir,
In einer Schüssel mit Salat.

Sie ist zufrieden mit der Welt
In die ich sie hinein gestellt,
Und ist auch sonst ganz schön auf Draht.

’Nen Namen braucht das Findelkind,
Hab überlegt, und fand geschwind,
Daß Hildegund der rechte sei.

Sie ist nicht ängstlich, ist nicht dumm,
Schaut sich nach frischem Grünzeug um,
Das ich ihr täglich gern erneu.

Doch eines Tages sprach zu mir
Die Hildegund, das Schneckentier:
„Ich sterbe bald vor Einsamkeit!“

Die Langeweile bringt mich um,
Doch du machst keinen Finger krumm,
hast nichts, was mich auch mal erfreut.“

Ich war erstaunt, welch ein Talent,
Was man bei Schnecken so nicht kennt,
Und sagte nur: „Ich werd’ mal schaun!“

Am nächsten Tag beim Einkauf dann,
Sucht’ ich nach einem Schneckenmann,
ganz gleich ob beige er oder braun.

Nachdem ich jeden Kopfsalat
Gewissenhaft durchblättert hatt’,
Blieb einzig noch das letzte Stück.

Die Hoffnung sank von Blatt zu Blatt,
Doch dann war ich auf einmal platt,
Ein Schneckenmann, o welch ein Glück!

Kurzum ging ich behend nach Haus
Und packte meine Beute aus,
Trug gleich ihn hin zu Hildegund.

Ganz selig strahlte ihr Gesicht,
Als Jonathan, so hieß der Wicht,
Sie zärtlich küßte auf den Mund.

Gemeinsam speisten sie sodann
– Jetzt Ehefrau und Ehemann –
Salat und tranken roten Wein.

Was dann geschah? Na sonnenklar!
Nach einem Liebesspiel gebar
Die Hildegund zig Kinderlein.


Brigitte Pulley-Grein

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