Historische Erzählung

Thomas Spyra

Mitglied
Tödlicher Theriak

Nebel waberte sachte über dem Wasser. Träge floß die Aisch dahin. Hin und wieder blitzte die Sonne durch die nebelver-hangenen Zweige. Der einstige angehende Reichsritter Klodwig von Hohenroth saß, in der abgerissenen Uniform der Windsheimer Stadtwachen, auf der Brüstung der alten Bogenbrücke südlich der kleinen Stadt, ließ seine Beine baumeln, und stierte in das ruhig dahinfließende Wasser. Die Kühle des Morgens ließ ihn erzittern oder waren es vielleicht doch die Ereignisse der letzten Tage?
Spring - raunte ihm eine innere Stimme zu, spring, mach deinem Leben ein Ende! Feigling, auf was wartetst du!

Bilder der Vergangenheit zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Erinnerungen, aus glücklichen, unbeschwerden Kindertagen, an eine strenge, aber auch interessante und ab-wechslungsreiche Jugendzeit.
Die Streitigkeiten seines Vaters Helferich von Hohenroth, mit den Verwandten seiner Stiefmutter Kriemhilde, hatten jäh die friedliche Zeit in der kleinen Burganlage auf der Frankenhöhe beendet. Rücklings war sein Vater, ein stolzer und kräftiger Mann, niedergestochen worden.

Zusammen mit seiner Zwillingsschwester Friedelind musste Klodwig die Burg verlassen und in die Stadt Windsheim ziehen. Durch die Gunst des Waffenmeisters bekam er eine Stelle als Stadtbüttel. Mit stolzgeschwellter Brust war er nun durch die Stadt geschritten oder hatte seinen Dienst an einem der drei Stadttore versehen.
Sein Vater hatte ihn zum künftigen Ritter ausbilden lassen. Die Knappenjahre waren keine Herrenjahre gewesen, aber es war eine der schönsten Zeiten in seinem bisherigen Leben. So nah und intensiv hatte er seinen Vater, einen altgedienten Kämpfer, der an der Seite von Kaiser Heinrich VII. so manche Schlacht geschlagen hatte, noch nie erlebt.

Die beiden Zwillinge waren zwar von ihrem Vater als eigene Kinder anerkannt worden, aber ihre Eltern waren nicht ver-heiratet gewesen. Sie hatten in Sünde miteinander gelebt, wie der Hauskaplan Bruder Markus immer betonte. Ihre Mutter, eine Müllerstochter aus der Lindleinsmühle, war bei der Ge-burt gestorben. Kurz darauf hatte der Vater standesgemäß die um einige Jahre ältere Witwe Kriemhilde geheiratet. Diese war eine herrschsüchtige, herbe Schönheit und brachte zwei ältere Kinder mit in die Ehe. Für die „Müllersbastarte“ hatte sie überhaupt kein Verständnis. Als lästige Erbschleicher be-zeichnete sie die beiden Kinder. Unablässig bearbeitete sie Helferich, er möge doch seine unehelichen Kinder verstoßen. Aber der Ritter ließ sich nicht erweichen, floss doch Blut von seinem Blute in den Adern der Beiden.
Den treu ergebenen Mönch Bruder Markus, der seinen Vater auf so manches Schlachtfeld begleitet hatte, fand Klodwig, nach seines Vaters Tod, sterbend im Zwinger. Dieser konnte ihm daher auch keine Hinweise mehr auf den hinterlistigen Meuchelmörder geben.
Klodwig war froh, dass ihm seine große und gertenschlanke Schwester mit ihren strahlend blauen Augen, ihren Rosen-mund und den Grübchen auf den Wangen, das Heft aus der Hand nahm. Friedelind hatte von Bruder Markus viel über Naturheilmittel gelernt. Besonders das Allheilmittel Theriak, eine Kräutertinktur nach einem alten griechischen Rezept, ließ sich gut verkaufen. Mehr schlecht als recht konnten sich die beiden Geschwister in der an die Stadtmauer angebauten Behausung einrichten. Eine hohe Miete verlangte der Büttner-meister Bercht dafür. Vor den Toren der Stadt wäre es billiger, aber auch unsicherer gewesen. Diebstahl, Raub, Mord und Todschlag war zu diesen unruhigen Zeiten Anfang des 14. Jh. an der Tagesordnung. Rechte für die armen Leute gab es so gut wie keine. Nur in den aufblühenden Reichsstädten gab es etwas Freiheit für die Bürger. Auch durften dort die Stadtoberen in einem gewissen Rahmen selbst Recht sprechen.
Nun lebten sie schon über zwei Jahre hier. Aus Klodwig war ein großer stattlicher junger Mann und aus seiner Schwester Friedelind eine attraktive Schönheit geworden. Beide Ge-schwister hatten das leuchtend rote Haar ihrer Mutter geerbt. Friedelind flocht das ihr bis zur Taillie reichende Haar zu einem Zopf und versteckte es unter der Jungfernhaube.

Vor einigen Wochen kam der ehemalige Pferdeknecht seines Vaters ans Stadttor und erzählte ihnen, dass er gesehen habe, wie ihr Stiefbruder Bernhard den Vater brutal von hinten niedergestochen hat. Er hatte bisher geschwiegen. Nun aber sei er hinausgeworfen worden. Er hatte Hafer mitgehen lassen, um für seine große Familie einen Brei kochen zu können. Nur das Bitten seiner jungen Frau und ihre Bereit-schaft Bernhard willig zu sein, hatte ihn vor Schlimmeren be-wahrt. Aber er hatte sich Rache geschworen.
Friedelind meinte, sie sollten sich an den kaiserlichen Ober-richter in der Stadt wenden. Alleine konnten sie doch nichts gegen Bernhard bewirken. Klodwig besprach sich auch noch mit seinem Hauptmann, und dieser begleitete ihn dann zum Oberrichter. Es sei eine schwere Anschuldigung meinte dieser, und ob der Pferdeknecht bereit sei dies auch zu beeiden. Da allerdings seine Gerichtsbarkeit nicht über die Stadtgrenze hinausreichte, müsste noch der Reichsritter von Seckendorff hinzugezogen werden. Die Zeit floß dahin, nichts passierte.

Eines Tages kam eine schlampige, nach Bier stinkende Frau zu Friedelind und jammerte, ihr Mann sei krank. Der Urin wolle nicht mehr ausfließen. Bestimmt gäbe es Mittelchen, die bei so etwas helfen, meinte sie. Nichts ahnend gab die junge Hohenrotherin ihr Theriak und Kräuter. Dazu eine genaue Anweisung, wie sie damit verfahren sollte.
Nach zwei Tagen erschien die Frau wieder, diesmal allerdings in Begleitung der Gerichtsbüttel und beschuldigte Friedelind der Hexerei. Ihr Mann sei gestorben, weil die Kräuter und die Tinktur verhext gewesen seien. Als sie der jungen Frau noch die Haube vom Kopf riss und die leuchtend roten Haare hervorquollen, war es auch für die Büttel offensichtlich, hier stand eine Hexe vor ihnen. Man führte Friedelind ab und warf sie ins Gefängnis. Alle Unschuldsbeteuerungen waren um-sonst. Plötzlich beschuldigte sie auch Bernhard von Hohen-roth. Sie habe den Tod des Vaters herbeigehext.

Bei Hexerei musste der Oberrichter den Fürstbischof von Würzburg verständigen. Bereits nach einer Woche begann der eilig gesandte Inquisitor mit den Befragungen.
Friedelind gestand aber nichts, da es ja nichts zu gestehen gab. Auch nach dem ersten Foltergrad, dem Anlegen von Daumenschrauben, blieb sie standhaft. Dann nach dem zweiten Grad, dem Spannen auf die Streckbank und dem Brechen der Glieder, brach die junge Frau zusammen und ge-stand ihnen alles, was man ihr vorsagte. Schnell war dann das vorgeschriebene Urteil gesprochen. Tod auf dem Scheiter-haufen. In sechs Wochen sollte es vollstreckt werden.
Wimmernd, mit gebrochenen Gliedern lag die Gefolterte auf dem Stroh. Der Kopf war kahl geschoren, schließlich steckte die Kraft des Teufels in den roten Haaren. Gemeinsam mit der Frau des Gefängniswärters versuchte Klodwig ihre größten Schmerzen zu lindern. Doch Friedelind hatte keinen Lebens-willen mehr, sie wollte nur noch sterben.
Dann war es soweit, früh am Morgen rollte der Henkerskarren zum Stadttor hinaus. Als Letzter, der mit Helleparten bewaffneten Stadtbüttel, musste Klodwig hinterherlaufen. Gleich nach dem Tor an der Aisch entlang und dann hinauf auf den Galgenbuck, weit vor die Stadtmauern. Viele Menschen warteten auf den Zug mit der Gefangenen. Endlich war wieder einmal etwas los, eine Hinrichtung hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Dieses Spektakel war etwas für Groß und Klein. Mit Entsetzen schaute Klodwig in die Menge. Jolende Männer, gaffende Frauen, kreischende Kinder – wie konnte man sich nur am Leid anderer so aufgeilen?
Der Blutrichter verlas noch einmal das Urteil und dann brüllte die Menge: Bren-nen, bren-nen! Ein tierischer, langgezogener Schrei entfuhr Friedelind, als die Flammen das Nesselhemd auflodern ließen. Die Menge klatschte und ergötzte sich an dem nun nackten, sich im Feuer windenden Opfer.
Klodwig ertrug die Qual seiner Schwester nicht länger, er sprang vor und stieß seine Lanze direkt in ihr Herz.
Wütendes Geschrei setzte ein, wurde man doch, durch den schnellen Tod der Hexe, eines Schauspiels beraubt. Sofort stürzten sich einige der Stadtbüttel auf ihn. Aber im all-gemeinen Tumult konnte er sich losreißen und in den an-grenzenden Wald entkommen. Noch Stunden später suchten sie ihn, aber vergebens. Zu dicht war hier der Frankenwald.

Morgenstimmung an der Aisch, Blätter tanzten auf der leichten Stömung dahin. Stille – Ruhe - nur vom Trillern der Lerchen untermalt. Aus der Ferne das Krähen der Hähne, Hundegebell, eine Glocke rief zum Morgengebet. Bilder zum Träumen und Geniesen. Eigentlich zu schön, um freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Aber alles war für ihn sinnlos ge-worden, wozu weiterleben.
Mit einem tiefen Seufzer stürzte sich Klodwig in den Fluß. Als er wieder zu sich kam, spürte er, wie ihn jemand ans Ufer zerrte. Er wehrte sich, nicht zurück in diese Welt. Ein paar Schläge rechts und links auf die Wangen, er schlug die Augen auf und sah in das Antlitz eines jungen Mädchens. Laß mich - ich will sterben - das Leben hat keinen Sinn mehr - wollte er der Unbekannten zurufen, aber er brachte keinen Ton heraus. Er starrte sie nur an. Glänzend schwarze lange Haare, zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, umrahmten weich das von der Sonne sanft gebräunte Gesicht. Doch die schwarzbraunen Augen funkelten ihn voller Zorn an. Wie konntet ihr euer Leben so wegwerfen, der heutige Tag ist viel zu schön, um zu sterben. Er hörte zwar ihre Stimme, nahm aber die Worte nicht richtig wahr.
Später stellte sich die schöne Unbekannte als Christina Lindlein vor, sie sei die Tochter vom Müller der Lindleins-mühle und gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, als sie ihn bemerkte, wie er sprang. Klodwig, nun wieder ganz auf der Erde, stotterte eine Entschuldigung. Aber sie wollte davon nichts wissen. Nichts auf der Welt rechtfertigt das, von Gott geschenkte Leben, zu beenden, meinte sie.
Als er ihr seinen Namen nannte, stellten sie erfreut fest, dass sie miteinander verwandt waren. Seine Mutter und ihr Vater waren Geschwister gewesen. Christina half ihm auf und ge-meinsam schritten sie durch den dichten Wald zur Mühle.

Die Wochen vergingen wie im Flug. Viel Wasser floß gurgelnd die Aisch hinunter. Dem jungen Hohenroth plagte das Gewissen. Er hatte seine Schwester getötet? Durfte er eingreifen? Der Müller, sein Onkel, beruhigte ihn, er habe seiner Schwester nur den grausamen Tod verkürzt.
Wie so oft in letzter Zeit, saß er frühmorgens bevor alle anderen aufgestanden waren, am Wehr und starrte in die ruhig dahinfließende Aisch.
Vielleicht kann ich mit Christina ja glücklich werden? Aber vergessen? Nein – niemals! Rache für seine Schwester, für seinen Vater? Würde er hier in der abgeschiedenen Mühle seine Ruhe finden? Frieden mit sich selbst und der Ver-gangenheit schließen? Viele Fragen, viel zu viele.
Könnte er doch seine Gedanken und Sorgen mit dem Fluß den weiten Aischgrund hinunterschicken.
Alles von sich abfließen lassen - wegspülen.
 

Thomas Spyra

Mitglied
Tödlicher Theriak

Nebel waberte sachte über dem Wasser. Träge floß die Aisch dahin. Hin und wieder blitzte die Sonne durch die nebelver-hangenen Zweige. Der einstige angehende Reichsritter Klodwig von Hohenroth saß, in der abgerissenen Uniform der Windsheimer Stadtwachen, auf der Brüstung der alten Bogenbrücke südlich der kleinen Stadt, ließ seine Beine baumeln, und stierte in das ruhig dahinfließende Wasser. Die Kühle des Morgens ließ ihn erzittern oder waren es vielleicht doch die Ereignisse der letzten Tage?
Spring - raunte ihm eine innere Stimme zu, spring, mach deinem Leben ein Ende! Feigling, auf was wartetst du!

Bilder der Vergangenheit zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Erinnerungen, aus glücklichen, unbeschwerden Kindertagen, an eine strenge, aber auch interessante und ab-wechslungsreiche Jugendzeit.
Die Streitigkeiten seines Vaters Helferich von Hohenroth, mit den Verwandten seiner Stiefmutter Kriemhilde, hatten jäh die friedliche Zeit in der kleinen Burganlage auf der Frankenhöhe beendet. Rücklings war sein Vater, ein stolzer und kräftiger Mann, niedergestochen worden.

Zusammen mit seiner Zwillingsschwester Friedelind musste Klodwig die Burg verlassen und in die Stadt Windsheim ziehen. Durch die Gunst des Waffenmeisters bekam er eine Stelle als Stadtbüttel. Mit stolzgeschwellter Brust war er nun durch die Stadt geschritten oder hatte seinen Dienst an einem der drei Stadttore versehen.
Sein Vater hatte ihn zum künftigen Ritter ausbilden lassen. Die Knappenjahre waren keine Herrenjahre gewesen, aber es war eine der schönsten Zeiten in seinem bisherigen Leben. So nah und intensiv hatte er seinen Vater, einen altgedienten Kämpfer, der an der Seite von Kaiser Heinrich VII. so manche Schlacht geschlagen hatte, noch nie erlebt.

Die beiden Zwillinge waren zwar von ihrem Vater als eigene Kinder anerkannt worden, aber ihre Eltern waren nicht ver-heiratet gewesen. Sie hatten in Sünde miteinander gelebt, wie der Hauskaplan Bruder Markus immer betonte. Ihre Mutter, eine Müllerstochter aus der Lindleinsmühle, war bei der Ge-burt gestorben. Kurz darauf hatte der Vater standesgemäß die um einige Jahre ältere Witwe Kriemhilde geheiratet. Diese war eine herrschsüchtige, herbe Schönheit und brachte zwei ältere Kinder mit in die Ehe. Für die „Müllersbastarte“ hatte sie überhaupt kein Verständnis. Als lästige Erbschleicher be-zeichnete sie die beiden Kinder. Unablässig bearbeitete sie Helferich, er möge doch seine unehelichen Kinder verstoßen. Aber der Ritter ließ sich nicht erweichen, floss doch Blut von seinem Blute in den Adern der Beiden.
Den treu ergebenen Mönch Bruder Markus, der seinen Vater auf so manches Schlachtfeld begleitet hatte, fand Klodwig, nach seines Vaters Tod, sterbend im Zwinger. Dieser konnte ihm daher auch keine Hinweise mehr auf den hinterlistigen Meuchelmörder geben.
Klodwig war froh, dass ihm seine große und gertenschlanke Schwester mit ihren strahlend blauen Augen, ihren Rosen-mund und den Grübchen auf den Wangen, das Heft aus der Hand nahm. Friedelind hatte von Bruder Markus viel über Naturheilmittel gelernt. Besonders das Allheilmittel Theriak, eine Kräutertinktur nach einem alten griechischen Rezept, ließ sich gut verkaufen. Mehr schlecht als recht konnten sich die beiden Geschwister in der an die Stadtmauer angebauten Behausung einrichten. Eine hohe Miete verlangte der Büttner-meister Bercht dafür. Vor den Toren der Stadt wäre es billiger, aber auch unsicherer gewesen. Diebstahl, Raub, Mord und Todschlag war zu diesen unruhigen Zeiten Anfang des 14. Jh. an der Tagesordnung. Rechte für die armen Leute gab es so gut wie keine. Nur in den aufblühenden Reichsstädten gab es etwas Freiheit für die Bürger. Auch durften dort die Stadtoberen in einem gewissen Rahmen selbst Recht sprechen.
Nun lebten sie schon über zwei Jahre hier. Aus Klodwig war ein großer stattlicher junger Mann und aus seiner Schwester Friedelind eine attraktive Schönheit geworden. Beide Ge-schwister hatten das leuchtend rote Haar ihrer Mutter geerbt. Friedelind flocht das ihr bis zur Taillie reichende Haar zu einem Zopf und versteckte es unter der Jungfernhaube.

Vor einigen Wochen kam der ehemalige Pferdeknecht seines Vaters ans Stadttor und erzählte ihnen, dass er gesehen habe, wie ihr Stiefbruder Bernhard den Vater brutal von hinten niedergestochen hat. Er hatte bisher geschwiegen. Nun aber sei er hinausgeworfen worden. Er hatte Hafer mitgehen lassen, um für seine große Familie einen Brei kochen zu können. Nur das Bitten seiner jungen Frau und ihre Bereit-schaft Bernhard willig zu sein, hatte ihn vor Schlimmeren be-wahrt. Aber er hatte sich Rache geschworen.
Friedelind meinte, sie sollten sich an den kaiserlichen Ober-richter in der Stadt wenden. Alleine konnten sie doch nichts gegen Bernhard bewirken. Klodwig besprach sich auch noch mit seinem Hauptmann, und dieser begleitete ihn dann zum Oberrichter. Es sei eine schwere Anschuldigung meinte dieser, und ob der Pferdeknecht bereit sei dies auch zu beeiden. Da allerdings seine Gerichtsbarkeit nicht über die Stadtgrenze hinausreichte, müsste noch der Reichsritter von Seckendorff hinzugezogen werden. Die Zeit floß dahin, nichts passierte.

Eines Tages kam eine schlampige, nach Bier stinkende Frau zu Friedelind und jammerte, ihr Mann sei krank. Der Urin wolle nicht mehr ausfließen. Bestimmt gäbe es Mittelchen, die bei so etwas helfen, meinte sie. Nichts ahnend gab die junge Hohenrotherin ihr Theriak und Kräuter. Dazu eine genaue Anweisung, wie sie damit verfahren sollte.
Nach zwei Tagen erschien die Frau wieder, diesmal allerdings in Begleitung der Gerichtsbüttel und beschuldigte Friedelind der Hexerei. Ihr Mann sei gestorben, weil die Kräuter und die Tinktur verhext gewesen seien. Als sie der jungen Frau noch die Haube vom Kopf riss und die leuchtend roten Haare hervorquollen, war es auch für die Büttel offensichtlich, hier stand eine Hexe vor ihnen. Man führte Friedelind ab und warf sie ins Gefängnis. Alle Unschuldsbeteuerungen waren um-sonst. Plötzlich beschuldigte sie auch Bernhard von Hohen-roth. Sie habe den Tod des Vaters herbeigehext.

Bei Hexerei musste der Oberrichter den Fürstbischof von Würzburg verständigen. Bereits nach einer Woche begann der eilig gesandte Inquisitor mit den Befragungen.
Friedelind gestand aber nichts, da es ja nichts zu gestehen gab. Auch nach dem ersten Foltergrad, dem Anlegen von Daumenschrauben, blieb sie standhaft. Dann nach dem zweiten Grad, dem Spannen auf die Streckbank und dem Brechen der Glieder, brach die junge Frau zusammen und ge-stand ihnen alles, was man ihr vorsagte. Schnell war dann das vorgeschriebene Urteil gesprochen. Tod auf dem Scheiter-haufen. In sechs Wochen sollte es vollstreckt werden.
Wimmernd, mit gebrochenen Gliedern lag die Gefolterte auf dem Stroh. Der Kopf war kahl geschoren, schließlich steckte die Kraft des Teufels in den roten Haaren. Gemeinsam mit der Frau des Gefängniswärters versuchte Klodwig ihre größten Schmerzen zu lindern. Doch Friedelind hatte keinen Lebens-willen mehr, sie wollte nur noch sterben.
Dann war es soweit, früh am Morgen rollte der Henkerskarren zum Stadttor hinaus. Als Letzter, der mit Helleparten bewaffneten Stadtbüttel, musste Klodwig hinterherlaufen. Gleich nach dem Tor an der Aisch entlang und dann hinauf auf den Galgenbuck, weit vor die Stadtmauern. Viele Menschen warteten auf den Zug mit der Gefangenen. Endlich war wieder einmal etwas los, eine Hinrichtung hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Dieses Spektakel war etwas für Groß und Klein. Mit Entsetzen schaute Klodwig in die Menge. Jolende Männer, gaffende Frauen, kreischende Kinder – wie konnte man sich nur am Leid anderer so aufgeilen?
Der Blutrichter verlas noch einmal das Urteil und dann brüllte die Menge: Bren-nen, bren-nen! Ein tierischer, langgezogener Schrei entfuhr Friedelind, als die Flammen das Nesselhemd auflodern ließen. Die Menge klatschte und ergötzte sich an dem nun nackten, sich im Feuer windenden Opfer.
Klodwig ertrug die Qual seiner Schwester nicht länger, er sprang vor und stieß seine Lanze direkt in ihr Herz.
Wütendes Geschrei setzte ein, wurde man doch, durch den schnellen Tod der Hexe, eines Schauspiels beraubt. Sofort stürzten sich einige der Stadtbüttel auf ihn. Aber im all-gemeinen Tumult konnte er sich losreißen und in den an-grenzenden Wald entkommen. Noch Stunden später suchten sie ihn, aber vergebens. Zu dicht war hier der Frankenwald.

Morgenstimmung an der Aisch, Blätter tanzten auf der leichten Stömung dahin. Stille – Ruhe - nur vom Trillern der Lerchen untermalt. Aus der Ferne das Krähen der Hähne, Hundegebell, eine Glocke rief zum Morgengebet. Bilder zum Träumen und Geniesen. Eigentlich zu schön, um freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Aber alles war für ihn sinnlos ge-worden, wozu weiterleben.
Mit einem tiefen Seufzer stürzte sich Klodwig in den Fluß. Als er wieder zu sich kam, spürte er, wie ihn jemand ans Ufer zerrte. Er wehrte sich, nicht zurück in diese Welt. Ein paar Schläge rechts und links auf die Wangen, er schlug die Augen auf und sah in das Antlitz eines jungen Mädchens. Laß mich - ich will sterben - das Leben hat keinen Sinn mehr - wollte er der Unbekannten zurufen, aber er brachte keinen Ton heraus. Er starrte sie nur an. Glänzend schwarze lange Haare, zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, umrahmten weich das von der Sonne sanft gebräunte Gesicht. Doch die schwarzbraunen Augen funkelten ihn voller Zorn an. Wie konntet ihr euer Leben so wegwerfen, der heutige Tag ist viel zu schön, um zu sterben. Er hörte zwar ihre Stimme, nahm aber die Worte nicht richtig wahr.
Später stellte sich die schöne Unbekannte als Christina Lindlein vor, sie sei die Tochter vom Müller der Lindleins-mühle und gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, als sie ihn bemerkte, wie er sprang. Klodwig, nun wieder ganz auf der Erde, stotterte eine Entschuldigung. Aber sie wollte davon nichts wissen. Nichts auf der Welt rechtfertigt das, von Gott geschenkte Leben, zu beenden, meinte sie.
Als er ihr seinen Namen nannte, stellten sie erfreut fest, dass sie miteinander verwandt waren. Seine Mutter und ihr Vater waren Geschwister gewesen. Christina half ihm auf und ge-meinsam schritten sie durch den dichten Wald zur Mühle.

Die Wochen vergingen wie im Flug. Viel Wasser floß gurgelnd die Aisch hinunter. Dem jungen Hohenroth plagte das Gewissen. Er hatte seine Schwester getötet? Durfte er eingreifen? Der Müller, sein Onkel, beruhigte ihn, er habe seiner Schwester nur den grausamen Tod verkürzt.
Wie so oft in letzter Zeit, saß er frühmorgens bevor alle anderen aufgestanden waren, am Wehr und starrte in die ruhig dahinfließende Aisch.
Vielleicht kann ich mit Christina ja glücklich werden? Aber vergessen? Nein – niemals! Rache für seine Schwester, für seinen Vater? Würde er hier in der abgeschiedenen Mühle seine Ruhe finden? Frieden mit sich selbst und der Ver-gangenheit schließen? Viele Fragen, viel zu viele.
Könnte er doch seine Gedanken und Sorgen mit dem Fluß den weiten Aischgrund hinunterschicken.
Alles von sich abfließen lassen - wegspülen.
 

Thomas Spyra

Mitglied
Tödlicher Theriak

Nebel waberte sachte über dem Wasser. Träge floß die Aisch dahin. Hin und wieder blitzte die Sonne durch die nebelver-hangenen Zweige. Der einstige angehende Reichsritter Klodwig von Hohenroth saß, in der abgerissenen Uniform der Windsheimer Stadtwachen, auf der Brüstung der alten Bogenbrücke südlich der kleinen Stadt, ließ seine Beine baumeln, und stierte in das ruhig dahinfließende Wasser. Die Kühle des Morgens ließ ihn erzittern oder waren es vielleicht doch die Ereignisse der letzten Tage?
Spring - raunte ihm eine innere Stimme zu, spring, mach deinem Leben ein Ende! Feigling, auf was wartetst du!

Bilder der Vergangenheit zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Erinnerungen, aus glücklichen, unbeschwerden Kindertagen, an eine strenge, aber auch interessante und ab-wechslungsreiche Jugendzeit.
Die Streitigkeiten seines Vaters Helferich von Hohenroth, mit den Verwandten seiner Stiefmutter Kriemhilde, hatten jäh die friedliche Zeit in der kleinen Burganlage auf der Frankenhöhe beendet. Rücklings war sein Vater, ein stolzer und kräftiger Mann, niedergestochen worden.

Zusammen mit seiner Zwillingsschwester Friedelind musste Klodwig die Burg verlassen und in die Stadt Windsheim ziehen. Durch die Gunst des Waffenmeisters bekam er eine Stelle als Stadtbüttel. Mit stolzgeschwellter Brust war er nun durch die Stadt geschritten oder hatte seinen Dienst an einem der drei Stadttore versehen.
Sein Vater hatte ihn zum künftigen Ritter ausbilden lassen. Die Knappenjahre waren keine Herrenjahre gewesen, aber es war eine der schönsten Zeiten in seinem bisherigen Leben. So nah und intensiv hatte er seinen Vater, einen altgedienten Kämpfer, der an der Seite von Kaiser Heinrich VII. so manche Schlacht geschlagen hatte, noch nie erlebt.

Die beiden Zwillinge waren zwar von ihrem Vater als eigene Kinder anerkannt worden, aber ihre Eltern waren nicht ver-heiratet gewesen. Sie hatten in Sünde miteinander gelebt, wie der Hauskaplan Bruder Markus immer betonte. Ihre Mutter, eine Müllerstochter aus der Lindleinsmühle, war bei der Ge-burt gestorben. Kurz darauf hatte der Vater standesgemäß die um einige Jahre ältere Witwe Kriemhilde geheiratet. Diese war eine herrschsüchtige, herbe Schönheit und brachte zwei ältere Kinder mit in die Ehe. Für die „Müllersbastarte“ hatte sie überhaupt kein Verständnis. Als lästige Erbschleicher be-zeichnete sie die beiden Kinder. Unablässig bearbeitete sie Helferich, er möge doch seine unehelichen Kinder verstoßen. Aber der Ritter ließ sich nicht erweichen, floss doch Blut von seinem Blute in den Adern der Beiden.
Den treu ergebenen Mönch Bruder Markus, der seinen Vater auf so manches Schlachtfeld begleitet hatte, fand Klodwig, nach seines Vaters Tod, sterbend im Zwinger. Dieser konnte ihm daher auch keine Hinweise mehr auf den hinterlistigen Meuchelmörder geben.
Klodwig war froh, dass ihm seine große und gertenschlanke Schwester mit ihren strahlend blauen Augen, ihren Rosen-mund und den Grübchen auf den Wangen, das Heft aus der Hand nahm. Friedelind hatte von Bruder Markus viel über Naturheilmittel gelernt. Besonders das Allheilmittel Theriak, eine Kräutertinktur nach einem alten griechischen Rezept, ließ sich gut verkaufen. Mehr schlecht als recht konnten sich die beiden Geschwister in der an die Stadtmauer angebauten Behausung einrichten. Eine hohe Miete verlangte der Büttner-meister Bercht dafür. Vor den Toren der Stadt wäre es billiger, aber auch unsicherer gewesen. Diebstahl, Raub, Mord und Todschlag war zu diesen unruhigen Zeiten Anfang des 14. Jh. an der Tagesordnung. Rechte für die armen Leute gab es so gut wie keine. Nur in den aufblühenden Reichsstädten gab es etwas Freiheit für die Bürger. Auch durften dort die Stadtoberen in einem gewissen Rahmen selbst Recht sprechen.
Nun lebten sie schon über zwei Jahre hier. Aus Klodwig war ein großer stattlicher junger Mann und aus seiner Schwester Friedelind eine attraktive Schönheit geworden. Beide Ge-schwister hatten das leuchtend rote Haar ihrer Mutter geerbt. Friedelind flocht das ihr bis zur Taillie reichende Haar zu einem Zopf und versteckte es unter der Jungfernhaube.

Vor einigen Wochen kam der ehemalige Pferdeknecht seines Vaters ans Stadttor und erzählte ihnen, dass er gesehen habe, wie ihr Stiefbruder Bernhard den Vater brutal von hinten niedergestochen hat. Er hatte bisher geschwiegen. Nun aber sei er hinausgeworfen worden. Er hatte Hafer mitgehen lassen, um für seine große Familie einen Brei kochen zu können. Nur das Bitten seiner jungen Frau und ihre Bereit-schaft Bernhard willig zu sein, hatte ihn vor Schlimmeren be-wahrt. Aber er hatte sich Rache geschworen.
Friedelind meinte, sie sollten sich an den kaiserlichen Ober-richter in der Stadt wenden. Alleine konnten sie doch nichts gegen Bernhard bewirken. Klodwig besprach sich auch noch mit seinem Hauptmann, und dieser begleitete ihn dann zum Oberrichter. Es sei eine schwere Anschuldigung meinte dieser, und ob der Pferdeknecht bereit sei dies auch zu beeiden. Da allerdings seine Gerichtsbarkeit nicht über die Stadtgrenze hinausreichte, müsste noch der Reichsritter von Seckendorff hinzugezogen werden. Die Zeit floß dahin, nichts passierte.

Eines Tages kam eine schlampige, nach Bier stinkende Frau zu Friedelind und jammerte, ihr Mann sei krank. Der Urin wolle nicht mehr ausfließen. Bestimmt gäbe es Mittelchen, die bei so etwas helfen, meinte sie. Nichts ahnend gab die junge Hohenrotherin ihr Theriak und Kräuter. Dazu eine genaue Anweisung, wie sie damit verfahren sollte.
Nach zwei Tagen erschien die Frau wieder, diesmal allerdings in Begleitung der Gerichtsbüttel und beschuldigte Friedelind der Hexerei. Ihr Mann sei gestorben, weil die Kräuter und die Tinktur verhext gewesen seien. Als sie der jungen Frau noch die Haube vom Kopf riss und die leuchtend roten Haare hervorquollen, war es auch für die Büttel offensichtlich, hier stand eine Hexe vor ihnen. Man führte Friedelind ab und warf sie ins Gefängnis. Alle Unschuldsbeteuerungen waren um-sonst. Plötzlich beschuldigte sie auch Bernhard von Hohen-roth. Sie habe den Tod des Vaters herbeigehext.

Bei Hexerei musste der Oberrichter den Fürstbischof von Würzburg verständigen. Bereits nach einer Woche begann der eilig gesandte Inquisitor mit den Befragungen.
Friedelind gestand aber nichts, da es ja nichts zu gestehen gab. Auch nach dem ersten Foltergrad, dem Anlegen von Daumenschrauben, blieb sie standhaft. Dann nach dem zweiten Grad, dem Spannen auf die Streckbank und dem Brechen der Glieder, brach die junge Frau zusammen und ge-stand ihnen alles, was man ihr vorsagte. Schnell war dann das vorgeschriebene Urteil gesprochen. Tod auf dem Scheiter-haufen. In sechs Wochen sollte es vollstreckt werden.
Wimmernd, mit gebrochenen Gliedern lag die Gefolterte auf dem Stroh. Der Kopf war kahl geschoren, schließlich steckte die Kraft des Teufels in den roten Haaren. Gemeinsam mit der Frau des Gefängniswärters versuchte Klodwig ihre größten Schmerzen zu lindern. Doch Friedelind hatte keinen Lebens-willen mehr, sie wollte nur noch sterben.
Dann war es soweit, früh am Morgen rollte der Henkerskarren zum Stadttor hinaus. Als Letzter, der mit Helleparten bewaffneten Stadtbüttel, musste Klodwig hinterherlaufen. Gleich nach dem Tor an der Aisch entlang und dann hinauf auf den Galgenbuck, weit vor die Stadtmauern. Viele Menschen warteten auf den Zug mit der Gefangenen. Endlich war wieder einmal etwas los, eine Hinrichtung hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Dieses Spektakel war etwas für Groß und Klein. Mit Entsetzen schaute Klodwig in die Menge. Jolende Männer, gaffende Frauen, kreischende Kinder – wie konnte man sich nur am Leid anderer so aufgeilen?
Der Blutrichter verlas noch einmal das Urteil und dann brüllte die Menge: Bren-nen, bren-nen! Ein tierischer, langgezogener Schrei entfuhr Friedelind, als die Flammen das Nesselhemd auflodern ließen. Die Menge klatschte und ergötzte sich an dem nun nackten, sich im Feuer windenden Opfer.
Klodwig ertrug die Qual seiner Schwester nicht länger, er sprang vor und stieß seine Lanze direkt in ihr Herz.
Wütendes Geschrei setzte ein, wurde man doch, durch den schnellen Tod der Hexe, eines Schauspiels beraubt. Sofort stürzten sich einige der Stadtbüttel auf ihn. Aber im all-gemeinen Tumult konnte er sich losreißen und in den an-grenzenden Wald entkommen. Noch Stunden später suchten sie ihn, aber vergebens. Zu dicht war hier der Frankenwald.

Morgenstimmung an der Aisch, Blätter tanzten auf der leichten Stömung dahin. Stille – Ruhe - nur vom Trillern der Lerchen untermalt. Aus der Ferne das Krähen der Hähne, Hundegebell, eine Glocke rief zum Morgengebet. Bilder zum Träumen und Geniesen. Eigentlich zu schön, um freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Aber alles war für ihn sinnlos ge-worden, wozu weiterleben.
Mit einem tiefen Seufzer stürzte sich Klodwig in den Fluß. Als er wieder zu sich kam, spürte er, wie ihn jemand ans Ufer zerrte. Er wehrte sich, nicht zurück in diese Welt. Ein paar Schläge rechts und links auf die Wangen, er schlug die Augen auf und sah in das Antlitz eines jungen Mädchens. Laß mich - ich will sterben - das Leben hat keinen Sinn mehr - wollte er der Unbekannten zurufen, aber er brachte keinen Ton heraus. Er starrte sie nur an. Glänzend schwarze lange Haare, zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, umrahmten weich das von der Sonne sanft gebräunte Gesicht. Doch die schwarzbraunen Augen funkelten ihn voller Zorn an. Wie konntet ihr euer Leben so wegwerfen, der heutige Tag ist viel zu schön, um zu sterben. Er hörte zwar ihre Stimme, nahm aber die Worte nicht richtig wahr.
Später stellte sich die schöne Unbekannte als Christina Lindlein vor, sie sei die Tochter vom Müller der Lindleins-mühle und gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, als sie ihn bemerkte, wie er sprang. Klodwig, nun wieder ganz auf der Erde, stotterte eine Entschuldigung. Aber sie wollte davon nichts wissen. Nichts auf der Welt rechtfertigt das, von Gott geschenkte Leben, zu beenden, meinte sie.
Als er ihr seinen Namen nannte, stellten sie erfreut fest, dass sie miteinander verwandt waren. Seine Mutter und ihr Vater waren Geschwister gewesen. Christina half ihm auf und ge-meinsam schritten sie durch den dichten Wald zur Mühle.

Die Wochen vergingen wie im Flug. Viel Wasser floß gurgelnd die Aisch hinunter. Dem jungen Hohenroth plagte das Gewissen. Er hatte seine Schwester getötet? Durfte er eingreifen? Der Müller, sein Onkel, beruhigte ihn, er habe seiner Schwester nur den grausamen Tod verkürzt.
Wie so oft in letzter Zeit, saß er frühmorgens bevor alle anderen aufgestanden waren, am Wehr und starrte in die ruhig dahinfließende Aisch.
Vielleicht kann ich mit Christina ja glücklich werden? Aber vergessen? Nein – niemals! Rache für seine Schwester, für seinen Vater? Würde er hier in der abgeschiedenen Mühle seine Ruhe finden? Frieden mit sich selbst und der Ver-gangenheit schließen? Viele Fragen, viel zu viele.
Könnte er doch seine Gedanken und Sorgen mit dem Fluß den weiten Aischgrund hinunterschicken.
Alles von sich abfließen lassen - wegspülen.
 



 
Oben Unten