Hochverrat

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Hochverrat

Elf stressige Monate hatte ich aufem Jagdlehrgang leidlich durchgestanden. Dat Lernen ging mir echt anne Substanz, aber kein Mensch nahm mein schleichendet Siechtum wahr.

Ich musste doch tatsächlich selbst auf meinen miesen Gesundheitszustand hinweisen:
„Berta, ich bin nicht gut aufn Damm. Ich bin restlos erschöpft, richtig fertig, erledigt! Siehst du dat eigentlich nich? Du biss doch meine Frau, seit wann biss du so blind? Mein Nervenkostüm iss wegen deiner dösigen Diät völlig inne Wicken. Mein Gesicht iss hohl und blass, richtig ausgemergelt seh ich aus. Zwölf Kilo hab ich schon am Balg verlorn! War dat vielleicht ne Entwässerungskur, die du mit mir wegen der paar lächerlichen Pfündchen aufgebrummt hass? Dat iss doch nich normal, dat ich am Tag zwanzigmal nässen muss! Mein Immunsystem iss ebenfalls inne Binsen. Ich bilde mir dat nich ein, Berta, fühl ma meine Birne. Ich hab bestimmt hohet Fieber. Ich sieche hilflos dahin. Ich brauch dringend wieder ma en Stück Fleisch zwischen die Zähne. Ich sehne mich nach ner kräftigen Rindfleischsuppe mit Marklößchen, schön mit Zwiebackbrösel zubereitet, wie dat meine Mutter immer lecker gekocht hat.
Wenn ich sterben tu, hass du mich wegen deiner blödsinnigen Schlankheitskur aufm Gewissen! Bauchkniepen mit mehrmaligem Lokussieren, Nervenflattern und Schreckhaftigkeit machen mich noch zusätzlich platt. Dat biss nur du Schuld, Berta. Und dat ausgerechnet vierzehn Tage vor der Jägerprüfung, ich werde wahnsinnig!“
„Willi, jetz übertreibse ma wieder, ich weiß, dat du schon bei jeder kleinen Blähung gerne klagen tus. Stell dich bitte nich so jammerlappig an, dat iss ja schrecklich mit dir!“

Nach solch mitfühlenden Worten von der eigenen Ehegattin, fühlsse dich anschließend wie son geprügelten Straßenköter, nee, noch viel elender. Erinnert Sie dat an wat?

Ich war wirklich weidwund und legte mich, schwer abgekommen, abends int Wundbett. Berta rief nich sofort den Notarzt – nee, erst am nächsten Morgen bequemte se sich, en Heiler zu bestellen! Son jungen schnöseligen Vetretungsarzt. Andere Männer wären in dieser langen Leidenszeit schon längst inne ewigen Jagdgründe abmarschiert.
Der Quacksalber kam, quatschte im Flürken wat mit Berta und untersuchte mich endlich. Dann stellte er en paar dämliche Fragen und schüttelte sofort ne Diagnose außem Ärmel raus:
„Herr Püttmann, wir Ärzte nennen Ihre Krankheit: „Virus examicus“, das ist kein Virus, nein, nur ein typisches Prüfungssyndrom. Das hat Sie ganz böse erwischt. Es ist bei Ihnen besonders stark ausgeprägt. Unter diesen Umständen kann die anstehende Jägerprüfung nur in die Hose gehen. Herr Püttmann, versuchen Sie es nächstes Jahr noch einmal. Das ist ja wirklich nicht so tragisch, denn die Jagd ist ja schließlich nur ein Hobby.“ Berta verdrehte die Augen, sie ahnte, wat auf den Kerl zukam.
Hatten dat meine Lauscher richtig vernommen? War ich hier etwa im falschen Film? Der Mann war ja doof wie en Pott Wasser. So eine dämliche Hundsfott!
„Nächstet Jahr?“, brüllte ich den Kurpfuscher an, „haben Se für mich noch andere dösige Ratschläge aufe Pfanne? Ich schinde mich ein Jahr lang ab wie bekloppt, und Sie sagen so leichtfertig daher, die Jagd wär ja nur en Hobby. Ich soll et im nächsten Jahr noch ma versuchen! Schliefen Se jetz ganz schnell aus meinem Bau, bevor ich total stinkig werde und mich vergessen tu. Mich hält nix mehr auf. Ich bin topfit! Und jetz raus!“
Ja, ich bitte Sie! Den Kerl hätten sie doch auch rausgeschmissen, oder?
Ein unheimlicher Adrinalinstoß durchfuhr meinen Körper. Mit einem Satz schwang ich meinen Hintern aussem Wundbett. Gut, son bissken wackelig war ich noch aufe Ständer, aber et ging. Berta und der Medizinmann schüttelten bedenklich die Köppe und tuschelten son paar Minuten miteinander. Dann verließen beide dat Haus. Berta kam nach ner guten Stunde zurück – voll gepackt mit Fressalien.
Mensch, wat bot sich mir da plötzlich fürn herrlichen Anblick! Allein schon vom Beäugen dieser Futterage, spürte ich Feiertagsstimmung und ne beginnende Gesundung im Balg.
Fleisch, Würste, Schinken und Beinscheiben – für dat leckere Rindfleischsüppchen. Frischet Obst und Gemüse. Ha, wie köstlich, allet hatte Berta für ihr kranket, vom Wildbret abgekommenet Williken eingekauft.
Bestimmt hatte sich der Heilkünstler an seine ärztlichen Pflichten erinnert und Berta ma richtig den Marsch geblasen. Er hatte ihr hoffentlich gesteckt, dat ich mit der abartigen Diät fast eingegangen wär!
So langsam ging et mit mir wieder bergauf. Die quälende Nervosität steckte aber noch tief inne Knochen drin. Sie übertrug sich natürlich auch auf Berta. Klar, dat se oft stinkig auf mich war. Oft musste ich mir anhören, dat ich nich mehr zu ertragen wär. Et gab dauernd Knies. Sie holte dann immer die ollen Kamellen auße Versenkung. Et fiel so manchet unbedachte Wort, leider!
Iss Ihnen schon ma aufgefallen, dat in Zeiten höchster geistiger Belastung der Partner plötzlich mit außergewöhnlich nervenschädigenden Verrücktheiten angeschissen kommt? Wie heute Morgen:
Berta kam da mit einem äußerst drolligen Vorschlag ausse Höhle:
„Willi, hömma gut zu. Dat Beste für uns beide wird et sein, wenn ich mich ma für vierzehn Tage hier verzieh. Brigitta und Gudrun sind auch stinksauer auf ihre Herren Jagdscheinanwärter. Wir haben gestern Abend beschlossen, en Wellnesshotel in Mecklenburg-Vorpommern zu buchen. Wir standen euch bisher aufopfernd zur Seite, haben mit euch gepaukt und alle fiesen Launen inne letzten Zeit klaglos ertragen. Jetz müssen wir ma an unser Nervenkostüm denken und wat für uns tun. Ich darf dich an dein Versprechen erinnern. Ich hab einen Wunsch frei! Dat hasse mir damals hoch und heilig versprochen.“
Berta konnte eiskalt und berechnend sein. Dat wusste ich. Diese Attacke war allerdings zu viel! Dat durfte doch wohl nich wahr sein! Jetz einfach abhauen?
„Berta, jetz iss aber zappenduster! So läuft dat nich! Nein, und nochmals nein!
Wo ich dich am dringendsten brauche, wo et mit die Prüfung ernst wird und ich Trost und Opferbereitschaft von dir erwarten tu, willst du mich einfach so verlassen, einfach abstreichen? Du hasse doch mehr nich alle!“
„Ja, Willi, ich meinet ernst!“
Ich war außer mir! Ich nahm jetz kein Blatt mehr vorn Mund:
„Hau ab, lass mich ruhig allein, ich komm auch ohne dich parat. Des Menschen Wille iss sein Himmelreich! Von mir aus fahr hin, wo der Pfeffer wächst! Dat iss Hochverrat an deinem Ehemann, merk dir dat! Aber gut, fahr nur, ich sach nix mehr dazu, erledigt. Und noch wat: Koch bloß wat Vernünftiget vor und frier et beschriftet ein! Noch ma Kohldampf schieben und halb verhungern, dat läuft nich mehr, nich mit Wilhelm Püttmann!“
Ja, Leute, ich war schwer geladen.
Noch am Abend habe ich den Jagd-Arbeitskreis zu ner Sondersitzung zusammengetrommelt. Diesmal aber ohne die elenden Verräterinnen. Schön auf neutralem Boden, inne Ratsstuben.
Ich brachte dat Hochverratsthema sofort aufn Tisch.
„Männer!“ rief ich wutschnaubend, „wat iss mit die Weiber los? Die wolln sich aussem Staub machen, einfach so verdrücken. Spinnen die jetz? Ausgerechnet Wellnessurlaub aufe Schönheitsfarm im Osten, wo se dat Schnitzel noch mit Hammer und Sichel fressen! Wo kommen wir denn dahin? Wolln sich von uns erholen, wir wären vor der Prüfung unerträglich. Dat ich nich lache! Wolln die uns verarschen?“
„Wilhelm“, beschwichtigte Heinrich, „reg dich doch nich so auf, schon deine Nerven, die brauchse nächste Woche noch.“ Ich fragte erstaunt:
„Heinrich, sach nur, du biss mit dem hinterhältigen Plan vonne Weibsbilder einverstanden?“
„Sieh dat doch ma positiv“, quatschte da auch noch der Fred rein, „die Weiber können uns doch nich mehr helfen, da müssen wir jetz alleine durch. Mach nich son Bahei, wir sehn uns jeden Abend bis zur Prüfung und geben uns gegenseitig den letzten Schliff und danach beim Saufen die Kante.“
„Moment ma, Herrschaften“, wisst ihr überhaupt, wat uns dat vierzehntägige Weiber-Wellness kosten tut? Iss bei euch Vollmond im Kopp?“
„Willi, viel weniger als unser Lehrgang gekostet hat. Sei vernünftig, lasse abhauen. Du wirss sehen, dat iss für uns im Moment dat Beste, sei nich so dickköppig.“ Ich gab mich nur widerwillig geschlagen.
Wegen diesem erzwungenen Kompromiss, haben wir Männer uns tüchtig einen reingedonnert, aber vom Allerfeinsten! Son bissken Wut war natürlich auch dabei.
Die Damen packten ihre Plörren und fuhren zwei Tage später mit die Bundesbahn, natürlich 1. Klasse, nach Meck-Pomm, zum Wellnessen. Ja, schön, letztendlich auch mit meinem Segen.

Der Tag vor der Schießprüfung war grausam.
Berta, mein Täubchen, war nich mehr an meiner Seite! War ausgeflogen. Ich spürte in mir unbeschreibliche Hilflosigkeit. Auch die plötzliche Einsamkeit quälte mich. Ich war ganz allein inne Bude. Ich fühlte mich elend und verraten. Planlos lief ich wie son Käfigtiger im Wohnzimmer auf und ab.
In der Nacht kamen natürlich wieder diese beschissenen Träume, die mich immer total fertig machten. Ausgerechnet jetz! Der Tag war gelaufen, obwohl er noch nich angefangen war.
Ich erinnere mich noch genau an einen dieser verdammten Albträume:
Alle Prüfer beugten sich über mich und schüttelten ungläubig und enttäuscht die Köppe.
Der Prüfer schrie: „Püüüttmaaann, Sie wissen ja garrr nichts, machen Sie endlich den Muuund auf.“ Im Traum konnte ich aber nich antworten, obwohl ich die richtige Antwort wusste. Kein Wort kriegte ich raus! Entsetzlich!
„Sie haben minderwertig gelernt, Püüüütmaaan, Sie sind durchgefallen, Sie sind eine Schaaaande für den Lehrgang!“

Mensch, wat war ich froh, als ich aufwachte. Ich war Gott sei Dank noch nich durchgefallen, ich hatte noch allet inne Hand.
Den Traum musste ich unbedingt meiner Berta erzählen. Sie, nur sie, konnte ihn deuten.
Wie ein Ertrinkender rief ich sie schon morgens um 6 Uhr früh in ihrem Hotel an und berichtete ihr von meinem bösen Traum. Sie musste mir unbedingt Trost spenden und mich beruhigen!
Sie machte dat sehr gefühlvoll.
„Willi, ruhig, ganz ruhig“, sachte se, „so fleißig wie wir gelernt haben, kann bei die Prüfung überhaupt nix schiefgehn. Du wirss schon sehn, allet fluppt bei dir, da geht nix daneben, da bin ich mir ganz sicher. Richte dich auf, steh ma gerade. Ich seh dich im Geiste vor mir, wie du da geknickt am Telefon hängen tus, wie son nasser Sack, wie en Verlierer. Dat bisse aber nich! Du biss der Beste, mein Böcklein! Atme ruhig durch, denk an wat Schönet, denk einfach an mich. Nimm eine von den grünen Beruhigungspillekes, die stehen oben rechts im Küchenschrank.“
„Berta, mein Hase, dat tu ich nich, dann penn ich vielleicht ein, und dann isset ganz aus.
Ich mach jetz Schluss, ich muss mich schon wieder lösen, Waidmannsheil, Berta.“
Der nervlich bedingte Toilettengang wiederholte sich noch zweimal, dann fuhr ich zähneklappernd in die Höhle des Löwen, zur Schießprüfung.
 
I

Inky

Gast
HERBERT KNEBEL - dat DU auch hier bis!!!
Kerl, wat hasse bloß gelitten, ich bin hinundwech davon.
Aber nu sachma ährlich: Hassebestandenodernich?


Danke, Wolfgang, für Deinen Text, der mich heute wider erwarten zum Grinsen gebracht hat.
 



 
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