Hölderlin

2,00 Stern(e) 1 Stimme

zyranikum

Mitglied
Ach, ein Kind war ich noch zuzeiten,
Als ich die tragisch Last erkannt,
Dass ich zählt zu den Geweihten,
Die als Dichter sind bekannt.

So ward kein Platz für mich auf Erden,
Und ich erdacht mir kurzerhand,
Die Welt in ihrem Ewig-Werden,
Als schönres, bessres, fernes Land.

Unter den Wolken meines Attikas,
Saß ich ab je und schaute,
Durch meine Seele, deren Glas,
Mit dem Jetzt und Heut ergraute.

Nur dort, wo ich noch immer Rebstock bin,
Wo die Reife meines Werkens blühte,
Dort spinnte Nona einst mein innern Sinn,
Dem ich folgte, bis mein Herz verglühte.

Selbst vertrieb ich mich von jenen Orten,
Wo ich noch einen Funken Wärme fand,
Mein Leid zerfloss in Tausend Worten,
Und bleibt marmorn in Ewigkeit gebannt.

Mein Blick, er war zu hoch geschaut,
So sah ich Irdisches nie mehr,
Doch wer in Gottes Reich gebaut,
Dem fällt ein Erdenleben schwer.

Oh, Decuma, und welch Weh du auch,
Mir auf den Weg geleget hast,
Wie voll das Herz, wie leer der Bauch,
Es trieb mich dennoch ohne Rast,

Hinein in meine schönre Welt,
In meinen Turm, in meine Nacht,
Wo mir mein Leben nicht vergällt,
Von eurer weltlich-armen Macht.

Er ist nun frei und fliegt hinüber,
Mein Geist, der arme ward zerstückt!
Ich bin schon fort, falle vornüber,
Wenn Morta dann die Schere zückt.
 



 
Oben Unten