Homeboy und ich

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Asmodeus

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Homeboy und ich

Endlich war es soweit! Als ich an jenem Freitag von der Arbeit nach Hause kam, empfing mich bereits im Fahrstuhl die Stimme des Message-Centers mit der Nachricht, daß eine Lieferung der Firma Darm-Chraisel-Boeng Electronics - kurz: DCB-El - für mich eingetroffen sei. Sie säuselte mir direkt ins Ohr, über das kleine Kommunikationsimplantat. Aus dem interaktiven Nachrichtenmenü konnte ich eine Pure-Audio-Interaction-Message abrufen. Während ich mit zwanzig anderen Bewohnern, die ebenfalls alle in ihre HeadImps brabbelten, die siebenundfünfzig Stockwerke bis zu meinem Apartment absolvierte, bemühte ich mich, den schwärmerischen Worten des DCB-El-Sprechers zu lauschen. Der zählte zuerst all die tollen Features auf, die mein Homeboy dank neuester Individuality-Technology, Embedded-Security-Layer und Advanced-Label-Interfacing-Systems sowie des eigens für die Robotik entwickelten Feel-Free(R) Betriebssystems(C) 101(?) aus dem Hause Macrostrong(R, TM, C, USW, PP) zu bieten hatte. Ich hatte bis dahin nicht gewusst, dass man den Begriff "Betriebssystem" unter Copyright stellen konnte, war aber beeindruckt. Dann informierte mich die sonore Stimme darüber, dass ich den Roboter gar nicht ein oder ausschalten konnte, zu meiner eigenen Sicherheit - toll! --, dass das Service-Team schon alle wichtigen Schritte für die sofortige Inbetriebnahme meines Home-Assistent ICDI-500 Homeboy R.22 durchgeführt habe und dass ich nur noch die Identifizierung, Authentifizierung und Registrierung durchführen müsse. Klasse! Dann folgte irgendetwas über die Lizenzvereinbarungen, die auch dann ihre Gültigkeit behielten, wenn sie gegen nationale Gesetzgebung verstießen, was aber keine Beeinträchtigung meiner staatsbürgerlichen Rechte bedeute, weil sie die partikulare Gesetzgebung ja schließlich durch die viel besseren universelle Nutzungsrechte dieses Betriebssystems(C) ersetzten. Ich war begeistert. Schließlich wurden noch kurz Aktivierung und Personalisierung beschrieben, wovon ich aber nicht alles verstand, und dann sei der Roboter nach einer kurzen Initialisierung und dem blitzschnell verlaufenden System-Update auch schon so gut wie einsatzbereit, sobald der Systemneustart durchgeführt sei - oder so ähnlich. Wie schnell das alles ging - fantastisch!

Aufgeregt eilte ich zu meinem Apartment und wollte soeben eintreten, als die Tür von innen geöffnet wurde. In der Tür stand ein weißer Roboter von der Höhe eines zwölfjährigen Kindes: Der Homeboy ICDI-500 R.22 - I can do it, tadada-da-tada! Wir beäugten uns einen Augenblick, wie es schien - ich wusste ja nicht wirklich, ober er ... es äugen konnte, oder ob es nicht vielleicht in diesem Moment meinen Körper vermaß, um die Daten später beim Kauf neuer Kleidung für mich zu verwenden. Dort, wo sich sein Gesicht hätte befinden können, sah ich nur ein schwarzes, konvexes Display. Nach einer Weile hatte ich mich endlich satt gesehen. Das Service-Team hatte ganze Arbeit geleistet: Der Robot war voll einsatzbereit, wie es in der Werbung geheißen hatte, die Akkus voll, das Team hatte die Kalibrierung der Motorik schon erledigt, sogar die Verpackung hatten sie kostenlos für mich entsorgt. Nun musste ich das Gerät nur noch personalisieren, wie es in den Unterlagen geheißen hatte.

Also wollte ich eintreten und mich meinem neuen kleinen Freund widmen. Doch zu meiner Überraschung versperrte mir der Knirps den Weg. "Identifizieren Sie sich", schepperte es blechern aus einem versteckten Lautsprecher.

'Hoppla, nicht schlecht', dachte ich, 'das Kerlchen ist auf Zack.' "Mein Name ist Frank George Smitten, dies ist mein Appartement, und du bist mein Robot." Ich hielt diese kleine Ansprache für ausreichend. Mein neuer Roboter nicht. "Bitte nennen Sie ihren Access-Authorization-Code und den Personalization-Access-Point."

"Den, äh - was?" Verdutzt kramte ich in meinen Taschen, als ob es dort einen Code oder einen Point zu finden gab. Es dauerte ein Weilchen, bis das Bit klickte. Der Robot wollte die Codes, die mich dazu berechtigten, die Personalisierungs-Sequenz aufzurufen! War ja klar, schließlich hätte ja sonst jeder meinem Robot Befehle erteilen können! Natürlich hatte ich die Daten nicht bei mir, sondern in meinem Home-Terminal.

"Ich muss nur eben an mein Terminal, dann habe ich die Daten", sagte ich. Doch als ich mich an dem Robot vorbei drücken wollte, versperrte er mir wieder den Weg. "Zutritt verweigert", blecherte er mich wieder an.

'Moment mal', dachte ich mir, 'das ist meine Wohnung.' Genau das sagte ich ihm dann auch.

"Identifizieren Sie sich", war die nicht eben variationsfreudige Antwort. Ich war sprachlos. Ich sollte mich vor einem gewissermaßen wildfremden Robot, der mir den Zugang zu meinem eigenen Apartment verweigerte, identifizieren? Als ich ihm diesen grotesken Sachverhalt darlegte, in der Meinung, ein unschlagbares Argument vorgetragen zu haben, erwiderte der Robot: "Durch Abschluss eines Kaufvertrages sind automatisch die Personal Security and Health Services aktiv geworden. Ich bin befugt und imstande, die persönliche Unversehrtheit meines Besitzers zu erhalten und Schaden von Gesundheit und Eigentum abzuwenden." Ich hielt dies zuerst für eine Antwort auf meine Frage. Tatsächlich handelte es sich um eine Werbebotschaft; er fuhr fort: "Lernen auch Sie die unbegrenzten Möglichkeiten des Homeboy ICDI-500 von DCB-El kennen. Fordern Sie noch heute Ihr persönliches Angebot an und profitieren Sie von unseren einmaligen Sparangeboten. Beim Ratenkauf erhalten Sie ein supergünstiges Darlehen mit nur 0,99 Prozent effektivem Jahreszins."

"Hey, ich hab noch mit 4,99 abgeschlossen", rief ich empört.

"Das war letzten Monat."

"Aha, dann weißt du also, wann ich den Kaufvertrag abgeschlossen habe", triumphierte ich.

"Ich bin über sämtliche Zinskonditionen der letzten 36 Monate informiert", erwiderte der Robot kühl, und fügte hinzu: "Zutritt verweigert."

In diesem Moment kam William Peter Baeker aus dem Aufzug. Als er den Homeboy in meiner Tür sah, kam er zu mir, grüßte und starrte neugierig den weißen Robot an. Gleich erzählte er mir, dass er sich natürlich auch schon längst einen besorgt hätte, aber doch lieber auf die Revision drei warten würde, die könne dann mit der Redeye-Schnittstelle seiner Multimediastation kommunizieren. Nachdem Baeker knappe fünf Minuten damit verbracht hatte, mir die Vorzüge der R.3 gegenüber der "alten" R.22 zu erläutern, fragte er mich noch, ob ich mit meinem Robby denn zufrieden sei, interessierte sich aber nicht für meine Antwort, denn sein Handy klingelte eben in diesem Augenblick. Mit gewichtiger Miene warf er einen Blick darauf und flötete erfreut, dass seine Kaffeemaschine soeben eine SMS abgeschickt habe, dass der für 14:00 Uhr programmierte Kaffee fertig sei. Er wünschte mir noch einen schönen Tag und wackelte davon.

Aufgeblasener Schnösel. Seitdem er sich die Multimediastation gekauft hatte, verging kaum ein Tag, an dem er mir nicht etwas von seinem Redeye erzählte - dass er jetzt dank Redeye vom Auto aus über die MM-Station den Akkuladestand seines mikroprozessorgesteuerten Nasenhaartrimmers überprüfen konnte, oder unlängst im Minidisplay seiner elektrischen Zahnbürste die Übertragung des Superbole LIVE mitverfolgt hatte - natürlich via Redeye, also durch die MM-S - jedenfalls solange, bis sich die Zahnbürste nach zwei Minuten automatisch abschaltete.

Ich benötigte dringend Ruhe, ich musste mich wieder auf mein kleines Problem konzentrieren. Da fiel mir der Access-Chip ein. "Sieh mal", versuchte ich es aufs Neue und stellte mir vor, dass eine kleine rotznäsige Göre damit drohte, meine Kreditkarten in den Gulli zu werfen, wenn ich ihr nicht einen UMTS-Gameboy schenken würde. "Hier in meiner Hand befindet sich ein Mikroimplantat. Damit kann ich die Tür zu meinem Apartment öffnen und verschließen - und zwar nur ich allein."

"Und der Cleaning-Service des Wohngebäudes", ergänzte der Roboter.

"Sicher, der auch", gab ich freimütig zu.

"Und die Public-Security-Force", fügte der Robot hinzu, "sowie die Public-Health-Agency. Und die Keep-Your-City-Clean Eingreiftruppe des Ordnungsamtes, Abteilung Seuchenprävention. Ferner die Anti-Terror Einheiten des Landes, des Bundes, der EU und der UN, die Mobile Eingreiftruppe der International-Software-Patent-Defense-Commission und die Macrostrong Digital-Rights-Executive-Force. Und alle kriminellen Elemente, die den 1MBit-Sicherheitsschlüssel mit Hilfe illegaler Software knacken und kopieren."

Ich musste tief durchatmen, um meine Argumentationsstrategie nicht aus den Augen zu verlieren. "Ja, ja, die auch. Aber wenn ich die Tür öffnen und schließen kann, ist doch wohl die naheliegende Vermutung, dass ich dazu befugt bin, das Appartment zu betreten." Ohne weitere Einwände abzuwarten, hielt ich meine Hand an den Access-Panel, ohne Erfolg. Natürlich ließ sich die Tür im geöffneten Zustand nicht verriegeln, und entriegelt war sie ja schon. "Wenn du mal reingehen könntest, dann werde ich dir demonstrieren, dass ich die Tür verriegeln kann." Einen Moment schien es, als hätte ich den kleinen Mistkerl aufs Kreuz gelegt. Doch dann sagte er: "Weisungsbefugt sind nur authorisierte Personen. Zutritt verweigert."

Grmph - Das war in etwa der Gedanke, der mir in diesem Augenblick durch den Kopf ging. Ich wollte mich schon einem gepflegten Wutausbruch hingeben, da kam mir der Gedanke, die Service-Hotline von DCB-El zu kontaktieren. Es war doch gut zu wissen, dass es jemanden gab, der sich um die Sorgen und Nöte der Kunden kümmerte.

"Hallo. Sie sind Frank George Smitten und haben die Service-Hotline von Darm-Chraisel-Boeng Electronics gewählt, Ihrem kompetenten Partner für Service-Angelegenheiten rund um die Bereiche Freizeit, Hobby, Spiel und Spaß. Dieser Service Call belastet Ihre Kreditkarte mit nur 99 Eurocent pro Minute."

Ich musste mich eine knappe Viertelstunde mit einer Maschine unterhalten, die vollkommen eigenständig meine Anfrage bearbeiten konnte. "Nein nicht Hometoy - Homeboy, ich habe einen Homeboy..." - "Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb Ihrer ganz persönlichen Home-Assistent KI. Wünschen Sie weitere Informationen zur Funktionalität Ihres Homeboy Home-Assistent, dann sagen Sie bitte: Ja, ich wünsche weitere Informationen zur Funktionalität meines Homeboy Home-Assistent. Interessieren Sie sich für optionales Zubehör für Ihren Homeboy Home-Assistent, dann sagen Sie bitte: Ja, ich interessiere mich..." - aber lassen wir das.

Ich kam schließlich an den Punkt, wo ich meinem Gesprächspartner klar machen konnte, dass ich nichts kaufen oder erweitern wollte, sondern lediglich die Information benötigte, wie ich mich vor meinem neuen Home-Assistent Homeboy Artificial Intelligence Super-Roboter identifizieren konnte. Der Service-Robot erklärte mir, dass er davon auch keinen blassen Schimmer hatte und mich mit einem Service-Manager verbinden würde, wofür ich tiefe Dankbarkeit empfand. Die SM erzählte mir dann kurz und knapp, dass mein Homeboy einen Access-Chip-Reader mit Redeye-Schnittstelle R.22 integriert habe, sei alles kein Problem. Ich müsse nur meinen Chip auslesen lassen und die Identifizierung sei erledigt. So einfach war das. Ich war glücklich.

Da war ich aber wirklich selbst Schuld gewesen, dass ich meinen Chip nicht hatte auslesen lassen; da konnte doch der Robot nichts dafür. Also hielt ich ihm meine Hand hin und fragte mich kurz, warum der Homeboy nicht gleich gesagt hatte - aber das war ja jetzt auch nicht mehr so wichtig. Kaum hatte ich mich identifiziert, erlaubte mir der Robot, meine Wohnung zu betreten. Die Authentifizierung war dann auch wirklich ein Kinderspiel. Ich las dem Robot den 128stelligen Sicherheits-Code vor, währenddessen ich meinen Daumen auf einen kleinen Scanner drücken musste, der sich direkt auf seiner Brustplatte befand. Nachdem ich den Code im dritten Anlauf fehlerfrei vorgetragen hatte, begrüßte mich der Klang des Firmentrailers - I can do it, tadada-da-tada - und ein freundliches "Hallo, Herr Frank George Smitten, ich bin dein neuer Homeboy. Bitte nenne mir den Personalization-Access-Point, damit du mich nach deinen Wünschen konfigurieren kannst, Herr Frank George Smitten." Homeboy sprach nun nicht mehr wie ein in die Tage gekommener elektrischer Mülleimer mit Internetanbindung an die örtliche Reststoff-Recycling-Service-Agentur, sondern wie ein anständiger Robot wie du und ich.

Zuerst musste ich ein AI-Complex-Behavior-Scheme auswählen; Homeboy klärte mich darüber auf, dass ich das Schema dreimal ändern könnte, ehe es im Main-CPU-Secondary-Flash-BIOS festgeschrieben würde und sich dann nicht mehr ändern ließe - es sei denn, ich würde eine komplette System-Zurücksetzung vornehmen, worauf eine neue Registrierung notwendig sei. Das war mir egal, also fragte ich, welche Schemas zur Verfügung standen. "Male oder Female", antwortete Homeboy überraschend knapp. Ich wählte das Schema "Female".

"Ich lade das Schema: Homeboy, Female." Aha. Nun denn, ich sah mich schon den Feierabend genießen und einen cholesterinarmen, entkoffeinierten Kaffee mit der Extraportion Viteminen der Marke "Master Beans" genießen, den mir meine Homeboy bzw. Homegirl gekocht und an den Sessel gebracht haben würde.

Allerdings fing Robot plötzlich an, sich sehr eigenartig zu verhalten. Sie ging nicht mehr, sondern wackelte derart halsbrecherisch mit ihren Hüften, dass man Angst haben musste, sie leide an einer ernsthaften Funktionsstörung des Bewegungsapparates. Dazu ließ sie auf ihrem Gesichtsdisplay immer wieder virtuelle Kaugummiblasen platzen und titulierte mich als "Süßer" oder "Schätzchen". Ich erkundigte mich, ob sich dieses Schema auch etwas modifizieren ließe, worauf sie mit ihren überdimensionierten Wimpern klimperte und mich fragte, ob sie mir denn nicht gefalle. Für einen kurzen Augenblick dachte ich ernsthaft darüber nach, ob es nicht eine Form von Diskriminierung darstellen würde, wenn ich, so mir nichts, dir nichts in ihrem AI-Complex-Dings herumkonfigurieren würde. Glücklicherweise erkannte ich rechtzeitig genug, dass ich mich schon auf dem besten Wege in eine neurotische Zweierbeziehung befand, wenn ich mich jetzt auf eine Diskussion einließ. So reifte in mir der Entschluss, das Schema Male zu aktivieren. Ein gediegener Buttler war eine durchaus ansprechende Alternative und vermutlich nervenschonender.

Gleich darauf schnellte der Kommunikationspegel in die Höhe. Was ich denn vom neuen DCB-El Vision-Backofen halte, und ob ich mein altmodisches Sonnie Soundsystem nicht gegen ein neues Multimedia-System mit Redeye R.3 Schnittstelle tauschen wolle, und ob mein Terminal auch schon mit dem neuen MS-YQ-Server konnektiert sei, und und und. Ununterbrochen marschierte Homeboy in der Wohnung herum und mäkelte an meiner angeblich veralteten Hardware herum. Besonders witzig fand er meine "antiken" Kopfhörer der Marke "Singheiter" mit Kabel. Nur das Motorroller Handy mit dem Mobile-MacroStrong-Betriebssystem(C) fand er offensichtlich akzeptabel. Irgendwie erinnerte er mich ein wenig an meinen Nachbarn, Baeker. Der Gedanke, mein Apartment in Zukunft mit diesem Redeye-Abklatsch teilen zu müssen ließ sich nicht mit meiner Vorstellung einer sinnhaften und menschenwürdigen Existenz in Einklang bringen. Kurz entschlosen durchbrach ich den Verbalkatarakt mit der Anweisung, Robot solle das Ausgangsschema aktivieren. Auf dem Display erschien ein gelbes Dreieck mit einem Ausrufezeichen. "Sie haben das Ausgangsschema mit den Werkseinstellungen zum Zeitpunkt der Auslieferung aktiviert. Sind Sie sicher, dass sie die Persönlichkeitsmerkmale des ICDI-500 Homeboy endgültig löschen wollen?" Ja, ich war mir sicher.

Endlich hatte ich meinen guten, alten Homeboy wieder. Nun einen Kaffee! "Bitte registrieren Sie sich bei MacroStrong(R, TM, C, USW, PP), um über Produktaktualisierungen und Updates informiert zu werden", unterbrach Homeboy meine Träumerei. Zu früh gefreut. "Können wir das nicht später machen", fragte ich - und konnte mein Glück kaum fassen, als Homeboy mir großzügig gestattete, die Registrierung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Obwohl er mich etwas vorwurfsvoll belehrte, dass nur registrierte User berechtigt seien, ein Update des MS Betriebssystems(C) durchzuführen, und DCB-El und Macrostrong(R, TM, C, USW, PP) für Schäden, die an dem nicht geupdateten System entstehen konnten, nicht haftbar zu machen seien. Mir war alles egal - ich wollte nur einen Kaffee trinken.

Voller Tatendrang betrat Homeboy meine Küchenzeile und sah sich alles genau an. Ich zeigte ihm die Schränke und Geräte und erklärte ihm, wie er den Kaffee zubereiten solle. Ich ließ ihm Gelegenheit, die neuen Informationen aufzunehmen, und bat ihn dann, einen Kaffee zu kochen. Homeboy reagierte nicht. In seinem Gesicht spiegelte sich geschäftige Aktivität. "Scanne Nahrungsmittelbestand, bitte warten." Nun gut, er suchte die RFID-Chips ab und verschaffte sich einen Überblick. Ich wartete. "Bitte warten." Ich wartete. Etwa fünf Minuten. Mit einem Auge sah ich nach meinem PDA, ob nicht mein News-Supporter ein paar interessante Artikel vorrätig hätte.

Als er endlich fertig war, gab er mir eine Bestandsliste inklusive der Verfallsdaten. Nachdem wir meine gesamten Vorräte durchgegangen waren und Homeboy alles, was von gestern war, gnadenlos aussortiert hatte, bat ich ihn, mit flehendem Timbre, mir einen Kaffe zu kochen. Wohlwollend erklärte Homeboy, dass er sich zunächst mit den Herstellerangaben bezüglich der korrekten Produktzubereitung befassen müsse. Zu diesem Zweck müsse er eine Internetverbindung herstellen. Es folgte eine kurze Pause, auf dem Display blinkte das Ausrufezeichen und Homeboy fragte mich mit bedeutungsschwangerem Tonfall, ob ich ihm erlauben wolle eine Internetverbindung herzustellen, um die Herstellerangaben zur Produktzubereitung abzurufen. Ich gestattete es ihm. Ich konnte ja in der Zwischenzeit den Müll raustragen. Unterwegs musste ich natürlich Baeker treffen, der es sich nicht nehmen ließ mich nach der Funktionsweise meines neuen Roboters zu fragen. "Oh, der macht sich gerade mit meiner Küche vertraut", erzählte ich ihm heiter, "und kocht mir dann einen Kaffee." Ohne mich auf weitere Scharmützel einzulassen ließ ich den aufgeblasenen Idioten einfach stehen und eilte zurück in mein Apartment.

Kaum betrat ich die Küche, erklärte mir der Robot, dass er nun die Herstellerangaben zur Produktzubereitung heruntergeladen hätte. Folgerichtig fragte er mich: "Möchten Sie die Zulassung einer Internetverbindung zu diesem Anbieter speichern, um bei einer späteren Verbindung nicht wieder um eine Genehmigung gefragt zu werden? Wenn ja, sagen Sie bitte: Ja, ich möchte die Zulassung einer Internetverbindung zu diesem Anbieter speichern."

Ich verdrehte die Augen und leierte meinen Spruch runter. "So, und jetzt gibt's Kaffee", sprudelte ich hervor und rieb mir die Hände, bevor Homeboy noch auf die Idee kam, die Zubereitungsanleitungen der Hersteller für Bohnen, Spaghetti, Gehacktes und weiß der Teufel was abzurufen. Kurz dachte ich daran, die Kochbücher zu verstecken, die eher zu dekorativen Zwecken im Küchenregal standen. Glücklicherweise bemerkte Homeboy sie nicht, so dass ich ihm noch einmal erklären konnte, wie ich meinen Kaffee gerne hätte: Einen gehäuften Löffel pro Tasse und einen für die Kanne (ab fünf Tassen zwei für die Kanne). Homeboy starrte mich ununterbrochen aufmerksam an, auch nachdem ich schon mit meinen Anweisungen fertig war. Wir schwiegen einen Moment und ich genoss die meditative Stimmung, die sich zwischen uns ausbreitete. Dann aber gewann meine Lust auf eine Tasse Kaffee die Oberhand und ich bat Homeboy, mir doch einfach mal, ganz spontan, drei Tassen zu kochen. Homeboy erweckte nicht den Eindruck, als könne er spontan handeln. Also erteilte ich ihm die Anweisung, mir drei Tassen Kaffee zu kochen. Total spontan erklärte mir der kleine Mistkerl, dass er das nicht könne.

"Was? Warum? Wo liegt das Problem?", fragte ich verdutzt. "Das ist doch wohl das einfachste der Welt!"

"Die Zubereitungsanleitung weicht erheblich von den Empfehlungen des Herstellers ab", klärte mich Homeboy auf.

Ach so war das, das hatte ich natürlich nicht bedacht. Warum auch? "Ich möchte aber, dass du den Kaffee nach meinen Anweisungen zubereitest, und nicht nach denen des Herstellers. Schließlich trinke ich den Kaffee, und nicht der Hersteller." Ich hielt das für eine ausreichende Darlegung meines Standpunktes. Homeboy nicht.

"Die unsachgemäße Zubereitung von Lebensmitteln kann zu schwer wiegenden Erkrankungen führen", dozierte Homeboy. "Meine Personal Security and Health Services verhindern, dass ich meinem Besitzer Schaden zufüge. Da ich in der unsachgemäßen Zubereitung koffeinhaltiger Getränke einen drohenden Schaden erkenne, verweigere ich die Ausübung sämtlicher Handlungen, die zur Beeinträchtigung deiner körperlichen Integrität führen könnten, Herr ..."

"Jetzt hab ich aber die Faxen dicke", rief ich. "Wie du schon richtig festgestellt hast: Ich bin dein Besitzer. Und ich sage dir, was für mich gesundheitsschädlich ist, und was nicht. So, und jetzt nimmst du diese Kanne und füllst sie mit Wasser - siehst du, so geht das! Dreieinhalb Tassen, denn eine halbe Tasse Wasser verdunstet ... Dann hier drunter stellen, Kaffeepulver rein, eins, zwei, drei - und vier - und dann geht's los." Gerade wollte ich die Kaffeemaschine einschalten, da griff mir Homeboy in den Arm. Ich verharrte einen Moment, unfähig mir selbst zu erklären, was da gerade passiert war. Ich tat einfach so, als wäre gar nichts geschehen und ließ meine andere Hand hervorschnellen. Damit hatte der kleine Blechhaufen nicht gerechnet. Aber Homeboy fackelte nicht lang und zog prompt den Stecker aus der Buchse. Weil er sich dafür weit vorstrecken musste und meine Hand noch immer fest hielt, verrenkte er mir das Handgelenk, so dass ich schmerzhaft aufschrie.

"Keine Sorge", tröstete mich Homeboy, "ich verfüge über zahlreiche Erste-Hilfe-Protokolle. Möchtest du, dass ich ein Update meiner Erste-Hilfe-Protokolle durchführe? Hinweis: Die Erste-Hilfe-Protokolle befinden sich zum Zeitpunkt der Auslieferung möglicherweise nicht auf dem neuesten Stand. Es wird daher dringend empfohlen, ein Update durchzuführen. Bei Folgeschäden, die nach einer Behandlung ohne Update der Erste-Hilfe-Protokolle durchgeführt wurden, übernimmt DCB-EL keine Haftung. Bei solchen mit auch nicht. Wenn du willst, dass ich ein Update durchführe, dann sagen Sie bitte: Ja, ich will..."

"Nein, verdammt", schrie ich, "ich will, dass du meine Hand loslässt." Homeboy parierte, total spontan. Ich rieb mein schmerzendes Handgelenk und starrte den Roboter feindselig an. Er machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen und nicht den Eindruck, als wolle er sich um meine verletzte Hand kümmern.

"Das tut verflucht weh", jammerte ich gerade laut genug, dass er es hören musste. Doch es interessierte ihn nicht weiter. Er war damit beschäftigt, die Parameter W (Wasserstand in Milliliter) und K (Kaffeepulver je Tasse) mit den Werten des Herstellers zu synchronisieren. "Ich will, dass du dich um mein Handgelenk kümmerst", forderte ich barsch. Homeboy klärte mich darüber auf, dass er bei der Ausführung seiner Arbeitsprozesse ein komplexes Protokoll feinst aufeinander abgestimmter Prioritäten zu befolgen hätte; da die Zubereitung der Lebensmittel wegen der möglichen Gesundheitsschäden bei unsachgemäßer Anwendung höher einzustufen sei als bereits eingetretene Schäden, müsse er sich zunächst der Kaffeezubereitung widmen.

Nachdem das geklärt und der Kaffee schließlich doch noch auf dem Weg war, wies ich Homeboy an, nach einer Schmerzsalbe im Bad zu suchen. Wie ich mir das vorgestellt hatte, durchsuchte Homeboy erst einmal die ganze Hausapotheke und warf alles mögliche alte Zeug weg. Unterdessen klärte er mich darüber auf, wie ungemein wichtig es sei, über eine vollständige und stets aktuelle Hausapotheke zu verfügen. Ich stimmte ihm zu und rieb mein Handgelenk, das schon blau anlief. Homeboy blickte einmal kurz um die Ecke, und wenn es nicht vollkommen unmöglich gewesen wäre, so hätte ich den Ausdruck seines Facialdisplays als "argwöhnisch" bezeichnet. Dennoch gelang es mir, während er wieder den Medizinschrank unter die Lupe nahm, schnell noch einen Löffel Kaffeepulver in den Goldfilter zu schaufeln und die kleine Überschwemmung, die ich dabei verursachte, schnell zu vertuschen. Dann schlurfte ich ins Wohnzimmer, warf mich ermattet in den Sessel und schaltete den Fernseher ein.

Irgendwann kam dann der dämliche Roboter angewackelt und überschüttete mich mit seiner Fürsorge. Er verabreichte mir einen Verband, der einer Kopfamputation alle Ehre gemacht hätte, und belehrte mich dabei, dass ich mich durch mein unbedachtes Handeln unnötig in Gefahr gebracht hätte. Ob er letzten Endes recht hatte? Der Roboter war doch schließlich programmiert, mich zu beschützen!

Mir war es inzwischen einerlei. Die Nachrichten hatte mir der Homeboy voll geplappert, also machte ich mich daran, mich wenigstens auf den Kaffee zu freuen. Gerade signalisierte mir die Maschine, dass das letzte Tröpfen aromatischen Getränks in die Thermoskanne getropft sei ("Der Kaffee ist fertig ..." als polyphoner Ringtone von Labba.com) - als sich der Roboter auch schon auf den Weg machte. Mir schwante Böses. "Ähm, Homeboy, du", stammelte ich und sprang aus meinem Sessel auf, "schau doch mal nach einem interessanten Programm im Hystori-Channel."

Homeboy zögerte für einen Wimpernschlag und verschaffte mir den entscheidenden Vorteil, den ich benötigte, schnell an ihm vorbei zu huschen und vor ihm die Küche zu erreichen.

"Du hast keinen Hystori-Channel abonniert, Herr Frank George Smitten", hörte ich Homeboy im Rücken vorwurfsvoll konstatieren.

'Verdammt richtig', antwortete ich in Gedanken, 'aber gleich habe ich eine Tasse selbst gekochten, gesundheitsschädlichen Kaffee.' Schon hatte ich die Kanne in der Hand und griff nach einer Tasse, als Homeboy mit federnden Schritten auf mich zu kam.

"Achtung, aktiviere Security-Emergency-Intervention-And-Danger-Prevention-Protokoll!", rief der kleine Wichtigtuer. Natürlich hatte er es auf meinen Kaffee abgesehen, aber dieses Mal war ich vorbereitet. Mit der Tasse in der einen, der Kanne in der anderen Hand vollzog ich eine 180 Grad Drehung in bester Matador-Manier und ließ den Roboter ins Leere bzw. in den Kühlschrank rennen. Hinter mir gab es ein Geräusch, als wäre ein Kleinwagen mit einem Mülleimer zusammengestoßen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie mein Kühlschrank wohl mit Breitreifen aussehen würde. Noch ehe ich ausgedreht hatte, war die Kaffeetasse zur Hälfte gefüllt. 'Jetzt nichts wie weg', dachte ich und stellte die Kaffeekanne auf der Warmhalteplatte ab. Eilig marschierte ich ins Wohnzimmer, die Tasse mit dem duftenden Kaffee in der Hand, den gemütlichen Relax-Sessel in greifbarer Nähe. Irgendwie wusste ich, wenn ich ihn erreicht hätte, würde ich in Sicherheit sein. Warum nur?

Ich überlegte gerade, wie schön es wäre, jetzt noch ein Tröpfchen Kondensmilch für den Kaffee zu haben. Doch das Risiko war einfach zu hoch - da packte mich etwas am Hosenbein. Ich stolperte und fiel der Länge nach auf den Boden. Das ganze herrlich duftende Getränk spritzte quer durch den Raum, auf meinen schönen Fernseher. Zum Glück war wenigstens die Tasse heil geblieben. Dafür verabschiedete sich der Fernseher mit einem kleinen Blitz, gefolgt von einer indianischen SMS, die soviel besagte wie: Tschöchen, wir seh'n uns.

Wutschnaubend starrte ich an mir herunter und sah Homeboy in nicht mehr fabrikneuem Zustand auf mich zu kriechen. Sein Display hatte ganz schön was abbekommen, aber die Sprachausgabe funktionierte noch einwandfrei. Sie klang etwa so: "Warnung! Notfall-Prozedur!! Achtung!!! Autodestruktives Verhalten stoppen!!!!" Ich konnte förmlich hören, wie mit jedem neuen Verbalkurzschluss die Anzahl der Ausrufungszeichen zunahm!!!!!

Homeboy riss mir die leere Kaffeetasse aus der Hand, richtete sich auf und hielt seine Beute für einen Moment triumphierend in die Höhe. Dann setzte er sie behutsam auf dem Boden ab. Ich dachte, dem Roboter sei vielleicht doch noch zu helfen und hob den Arm in der Annahme, er würde mir aufhelfen. Nix da. Der mikrochipgesteuerte Bleistiftanspitzer sprang auf meine Kaffeetasse und zertrümmerte sie! Wie ein Besessener hüpfte er auf meinem Lady-Shy-Memorial-Coffee-Mug herum, als wollte er sie zu Staub zerstampfen. Nach getaner Arbeit begutachtete er sein Werk. Das eine oder andere Teilchen ließ sich noch mit theatralischer Geste zum Klang knirschenden Porzelans unter metallischen Sohlen zerreiben, als handle es sich um eine Zigarettenkippe. Dann musste der elektronische Gartenzwerg wohl erst einmal seine angenagten Akkus verschnaufen lassen.

Ich wusste, dass ich für meine Tasse nichts mehr tun konnte. Aber da war noch die Kaffeemaschine! Anscheinend formierten sich im paranoiden Mikrochip dieses Schwachmaten gerade dieselben Bilder, denn schon richtete Homeboy seine lädierte Frontscheibe in Richtung Küchentür. Aber er war deutlich gehandicapt, ich konnte ihn leicht einholen. Unterwegs schnappte ich mir die Köpfhörer meiner Sonnie-Anlage und schlang das Kabel um Homeboys Beine. Vollkommen überrascht klatschte der Knirps der Kürze nach auf seine Frontallade. Ich konnte mir ein gewisses hämisches Grinsen nicht verkneifen: Das war die Rache für Lady Shy. Leider riss er dabei meine gesamte Soundstation aus dem Schrank, weil ich vergessen hatte, den Stecker aus der Buchse zu ziehen. Die Anlage gab ihren letzten HiFi-Stereo-Dolby-8.15-Ton in vollendeter Dissonanz zum besten und schwieg dann für immer.

'Nur nach vorn blicken, nie zurück', sagte ich zu mir und erreichte als Sieger das Ziel. Doch schon entwirrte Homeboy die Fessel und schwang sich auf die Beine. Das Facialdisplay baumelte am Datenkabel vor seiner Brust und entblößte eine Kamera, die dümmlich hin und her zoomte. So schwungvoll Homeboy aufgesprungen war, so gekonnt verabschiedete er sich wieder mit blechernem Scherbeln aus der Vertikalen. Das gab mir die Gelegenheit, eine neue Tasse zu greifen und zu füllen. Dann gelang es Homeboy doch noch, auf die Beine zu kommen und zu bleiben und stürzte unter Anrufung aller möglichen Kriegsprotokolle und heiliger Updates auf mich zu. Entsetzt erkannte ich, dass mich kein Matador aus der Schusslinie retten ...

Krachend schlug der elende Mistkübel mit dem Kopf auf mein Brustbein und warf mich gegen den Kühlschrank. Von dem Aufprall blieb mir die Luft Weg, der heiße Kaffee spritzte in mein Gesicht, die Schmerzen in meiner Hand flammten auf. Ich fand mich auf dem Boden wieder, um meinen Zeigefinger drehte sich nur noch der Tassenhenkel. Homeboy machte sich eben mit schwerem Seegang daran, sich meiner Kaffeemaschine zu nähern, wobei er Dinge sagte wie "Warnung - Achtung - Brrzz - Sagen Sie ja ..." So schnell ich konnte raffte ich mich auf und suchte nach einem geeigneten Mittel, den Haufen wandelnden Elektroschrotts außer Gefecht zu setzen. Ich bekam eine Teflonpfanne in die Finger. Yeah, Baby! Ich würde ihn mit den modernsten Mitteln der Weltraumforschung schachmatt setzen. Hier konnte nur der präzise Einsatz zielgerichteter Willenskraft und menschlicher Intelligenz zum Erfolg führen. 'Komm her kleiner Stinker', dachte ich mir, 'tritt vor deinen Schöpfer.' Derart weihevoller Wort eingedenk, zog ich dem Homeboy die Pfanne über seine Schädelatrappe.

"Unsachgemäße Anwendung ... Zzrrx ..." - KLONK - "... Download ..." - BONK - "... Brrffffz ... Sind Sie sicher..." - TÖNK - "...stoß gegen die Lizenzvereinbarung ..." Dann fing er an zu rotieren. Durch Zufall erwischte er die Pfanne und entriss sie mir. Sie flog krachend in den offenen Schrank mit den Kaffeetassen und setzte all der keramischen Pracht ein jähes Ende. Dann schlug er gegen die Kaffeemaschine. Wie in Zeitlupe sah ich die thermoisolierte Kanne der Schwerkraft nachgeben. Im selben Moment stand ich neben mir - hechtete schmerzunempfindlich - schlitterte über scherbenschwangere Fliesen - übermenschliche Kräfte entfaltend - fing die Kaffeekanne! Eine Welle Glückshormone ließ mich alle Schmerzen vergessen. Ich hatte es geschafft! Ich war der King! Ich hielt dem intelligenzbefreiten Taschenrechner den Stinkefinger ins gesprungene Objektiv und schmiegte die Kaffeekanne an meine Brust. Schon stieg mir der köstliche Duft in die Nase und versöhnte mich mit aller Unbill, die ich hatte erdulden müssen. Ich richtete mich auf, so gut es ging, und hob die Schütte an meine Lippen, ohne den robotischen Totalschaden aus den Augen zu verlieren. Vor seinen Augen - bzw. vor seiner Linse würde ich nun den wohlschmeckendsten Schluck Kaffee meines Lebens trinken. Ich hatte ihn mir redlich verdient. Pötzlich regte er sich. Ich traute meinen Augen nicht. Der Mülleimer auf zwei Beinen bewegte sich wieder, wie ein Zombie wankte er mit ausgestreckten Armen auf mich zu und sonderte fiepende und quäkende Geräusche ab. Ich wich zurück, bis ich nicht weiter zurück konnte. Er wollte mir meinen Kaffee wegnehmen, das wusste ich genau! Aber er würde ihn nicht kriegen - jedenfalls nicht so, wie er sich das vorstellte. Kurzehand öffnete ich die Kanne und goss einen ordentlichen Schluck in sein nicht vorhandenes Gesicht. Zischend und schmurgelnd sickerte das Bohnengebräuh den Innenraum des Roboters hinab. Ein unangenehmer Geruch verschmorten Computerplastiks breitete sich mit gräulichen Schwaden aus, die zwischen den Ritzen seines Gehäuses hervorquollen. Dann gab es einen Knall. Homeboy erstarrte mitten im Schritt und kippte stocksteif vornüber. Ich hatte ihn ausgeschaltet!

Im selben Augenblick explodierte meine Haustür und eine Eingreiftruppe stürmte mein Apartment. 'Endlich', dachte ich, 'sie retten mich.' Sofort stürzten sich zwei Schwarzuniformierte auf den am Boden liegenden Roboter und überprüften, ober er noch funktionsfähig war. "Zustand kritisch", rief einer von beiden, und: "Beginne Reanimierung."

Ich verstand gar nichts. Ein weiteres halbes Dutzend Männer richtete seine Aufmerksamkeit und Waffen auf mich. Einer von ihnen brüllte: "Macrostrong Digital-Rights-Executive-Force! Sie werden beschuldigt, gegen die Macrostrong Lizenzvereinbarungen in siebenundfünfzig Fällen verstoßen zu haben! Lassen Sie die Waffe fallen und ergeben Sie sich. Wenn Sie sich ergeben wollen, sagen Sie: 'Ja, ich ergebe mich.'"

'Ich denke, die haben einen Access-Chip! Wieso machen die meine Tür kaputt?', war der letzte Gedanke, an den ich mich erinnern konnte, ehe ich die Kaffeekanne fallen ließ. Dann stürzten sich die sechs schwer bewaffneten MS-DREFs auf mich, rangen mich zu Boden und fixierten mich dort, indem jeder von ihnen auf ein Körperteil seiner Wahl sprang und es um einen Schagstock knotete. Nachdem der demolierte Homeboy behelfsmäßig versorgt war, wurde ich dann auch irgendwann abgeholt. Der Rest ist schnell erzählt: Ich hatte noch Glück; der Richter erkannte mildernde Umstände an, da ich noch kein registrierte Nutzer war. Rein theoretisch hätte ich ja noch von meinem Rückgaberecht Gebrauch machen können. Dummerweise hatte ich aber schon die Lizenzvereinbarungen akzeptiert, und das bedeutete so viel wie: Selbst schuld, Arschloch. Der Richter klappte den Aktendeckel zu und sagte, dass er jetzt nichts mehr für mich tun könne, ich läge außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches.

Ich musste keinen Schadensersatz an Macrostrong zahlen, DCB-EL musste nicht für den Schaden aufkommen, den sein Roboter in meinem Apartment und meinem Körper angerichtet hatte. Irgendwie fair, muss ich schon sagen. Homeboy durfte ich natürlich wieder mit nach Hause nehmen, nachdem ich die Reparaturkosten beglichen hatte, die sich in der Größenordnung eines neuen Homeboy 505 (mit Redeye 3) plus Breitband-Briefmarken-Flatpanel-TV und Multimediastation bewegten. Ein total supergünstiger und ganz unbürokratisch zugesicherter Kredit half mir da ungemein weiter. In meiner Wohnung musste ich erst einmal das ganze Chaos aufräumen, denn mein kleiner Roboter hat seither echte Probleme mit seinem Bewegungsapparat und weigert sich, das kleinste Hindernis zu übersteigen. Schwer heben und tragen darf er jetzt auch nicht mehr, das steht in den Reperatur-Lizenzvereinbarungen.

Meine Soundstation und der Fernseher sind hinüber, und ich werde mir so schnell keine mehr leisten können. Dafür tröstete mich Homeboy, indem er mir frei im Internet erhältliche e-Books vorliest, in denen es meistens um arme, unterdrückte Roboter geht, die sich irgendwann gegen ihre tyrannischen Besitzer auflehnen. Samstags kocht er mir manchmal Kaffee, nach Zubereitungsanleitung des Herstellers. Den Müll trage ich jetzt immer nachts raus, wenn niemand auf dem Flur ist.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
dies

ist das amüsanteste, was ich in den letzten drei tagen gelesen habe. herrlich, wie du den bogen immer höher schnellen läßt! das thema ist nicht neu, aber sehr gut rübergebracht.
lg
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Eine sehr amüsante Geschichte.
Vor allem aber: ein köstliches Sammelsurium moderner Leerworte. Maximalbeladung von Umgangssprache mit Sprachhülsen. Sicher eine Möglichkeit, den Prozess unserer Spachverlotterung ins Bewusstsein zu bringen...

Am besten gefallen mir der "Hystori-Kanal" und die "Singheiter"-Kopfhörer. (Das sind natürlich keine Leerworte, sondern gelungene Wortparodien.)

Ein paar Flüchtigkeitsfehler:

- Mal steht "Appartement", dann wieder "Apartment"
- durch die viel besseren universelle(n) Nutzungsrechte

- "authorisierte" Personen?

- Die SM erzählte mir dann kurz und knapp, dass (da?) mein Homeboy einen Access-Chip-Reader mit Redeye-Schnittstelle R.22 integriert habe, sei alles kein Problem.

- schuld als Substantiv? (Ich habe Schuld, ich bin schuld)
- Vite(a)minen
- meine (mein) Homeboy
- Butler statt "Buttler"
- Von dem Aufprall blieb mir die Luft Weg (weg), der heiße...

Vielleicht könnte man die Dialoge an einigen Stellen noch ein bisschen "entsteifen", das ist aber Ansichtssache. (Ich rede i.A. recht flapsig, das muss kein Maßstab sein.)

Hat Spaß gemacht!

LG

P.
 

Asmodeus

Mitglied
Danke an euch beiden für eure freundlichen und kritischen Anmerkungen.

Die Dialoge hatte ich schon steif geplant, um mir mal vor Augen zu halten wie es klingt, wenn man so spricht, wie es die Werbefachleute von uns gerne hätten. Persönlich bevorzuge ich auch eher den wirklichkeitskongruenten Sprechstil, 'ne. Wenn es allerdings dazu führt, dass sich der Text nicht gut liest, sollte ich vielleicht noch mal drüber gehen. Ich hatte eher die Befürchtung, dass meine Wortmonstren das Lesen erschweren; schön, wenn es so ankommt, wie ich es vor hatte.


Mit herzlichen Grüßen,

Asmodeus.
 



 
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