Ich bin´s doch nur

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Es war Spätsommer und auch später Nachmittag, die beste Zeit des Tages. Wir saßen draußen in einem dieser kleinen Innenstadtcafés in verblichenem rosa, mit konservativen Tischdeckchen, Stoffsonnenschirmen und überfreundlichen Kellnerinnen. Ich fühlte mich sehr wohl. Das lag vermutlich in der Hauptsache daran, dass maß Nadine gegenübersaß. Eine Entschädigung musste das sein, so schien es mir jedenfalls. Eine Entschädigung für die ganzen letzten Tage und Wochen. Eine Entschädigung selbst noch für die letzten Stunden.

Und als ich da saß und sie mit glänzenden Augen von der französischen Südküste schwärmte, und von den Dünen und dem Gras und den Muscheln, da kam es mir vor, als sei ich dort, in Frankreich nämlich, und weit weg von meinen Sorgen. Dennoch fiel es mir nicht leicht ihren Worten zu folgen, denn das Mustern ihres hübschen kleinen Gesichts allein empfand ich als derart wunderbar, dass es hin und wieder meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Peinlich berührt merkte ich dann, dass ich nicht genau wusste, wovon sie sprach und nahm mir vor, mich von nun an besser auf ihr Erzählen zu konzentrieren. So lang, bis ich wieder abschweifte. Mein Blick traf unauffällig ihre Wangen, ihre Lippen, ihre Nase. Als ich ihr wieder in die blauen Augen blickte, fühlte ich Hitze in meinem pochenden Herzen aufsteigen. Ich stellte fest, dass sie schwieg. Sie lächelte mich nur an und stellte ihrerseits fest, dass ich ihr nicht zugehört hatte, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, aber das konnte sie ja nicht wissen.

Am liebsten wäre ich einfach so still sitzen geblieben, hätte ihr Lächeln genossen und ihre Augen, und überhaupt die Tatsache, dass wir zwei hier nun alleine saßen unter dem großen Sonnenschirm am stillen Vorabend. Doch das ging natürlich nicht und darum entschuldigte ich mich dafür, einen Moment nicht zugehört zu haben. Sie sagte nur "kein Problem" und dass sie mal wieder so ins Schwärmen geraten sei. Ich hasste mich dafür, dass ich in diesem Augenblick nicht den Mut aufgebracht hatte, ihr zu sagen, warum ich ihren Erzählungen nicht mehr hatte folgen können. Ich hatte Angst, das zuzugeben. Ich hatte Angst, dass sie ein Kompliment von mir verwirren, ja: abschrecken könnte. Ich hatte Angst vor einer möglichen Zurückweisung, Angst zu hören, dass wir nur Freunde seien, dass sie das nur kurz klarstellen wolle, weil ihr das Kompliment nun doch etwas komisch vorkomme. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie vielleicht doch mehr für mich empfand, obwohl wir doch nun hier zu zweit saßen und sie mir ihren Lebenstraum, von einem Haus, ganz nah am Strand, an der Côte d'Azur, offenbarte. Letztes Jahr war sie dort im Sommerurlaub. Sie hat alles schon genau geplant und einen Hund, einen Yorkshire-Terrier, will sie auch mal. So viel habe ich immerhin mitbekommen. Aber vielleicht erzählt sie das jedem und es hat gar nichts zu heißen, dachte ich mir. Also hielt ich die Klappe, wie ich es meist tue, wenn es etwas Mut erfordert, und lenkte vom Thema ab, indem ich mir schnell noch einen Kaffee bestellte. In mich wird sie sich wohl kaum verlieben. Ich bin´s doch nur.

Wir saßen noch Stunden nah beieinander. Die Zeit verflog und die Sonne ging unter. Es wurde kühl. Nadine bekam eine Gänsehaut und ich auch. Aber das merkte ich kaum. Ich erzählte auch hin und wieder etwas, in der Hoffnung ihr zu gefallen. Ich streute kleine ironische Bemerkungen ein, gerade so wenig, dass es nicht weiter auffiel, gerade so viel, um ab und zu mit einem kurzen Lächeln belohnt zu werden. Sie fragte, wo ich später leben wolle, und ich antwortete ich wisse es nicht. Südfrankreich sei aber keine schlechte Idee. Obwohl sich da sicher so viele Franzosen rumtrieben. Gegen die hätte ich nichts, außer dass sie eben französisch sprechen. Das könne ich nämlich gar nicht gut. Das reichte schon aus, sie lächelte. Aber vielleicht lächelt sie einfach bei jedem so häufig. Das hat ja nichts zu heißen. Später stellten wir fest, dass wir beide große Beatles-Fans sind. Eigentlich alle Songs seien genial. Bis auf die Tapes aus den Anfängen vielleicht. Das höre sich alles noch nicht so nach Beatles an. Deswegen fände sie das nicht so toll. Ich auch nicht, sagte ich. Und das stimmte sogar und "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" sei sowieso das beste Album aller Zeiten. Beide waren wir ziemlich stolz darauf, so schrecklich unangepasst zu sein. Die Beatles. Heute noch... Dass ich eigentlich traurig war, wenn ich ihr nicht gerade gegenübersaß, erzählte ich ihr nicht. Aber es war ja auch nichts Konkretes, ich war nur durch den Wind. Und jetzt war das ja auch egal.

Irgendwann nachts wollte man uns dann loswerden. Wir waren beide zu Fuß gekommen. Nadine fragte mich, ob ich sie noch nach Hause brächte und ich sagte ja. Auf dem nicht gerade kurzen Weg zu ihr kamen wir an beleuchteten Schaufenstern, Einfamilienhäusern und Straßenlaternen vorbei. Wir machten ein Spiel daraus, Fetzen aus Beatles-Songs einzuwerfen, die der andere dann weiterführen musste. Sie besiegte mich deutlich, sie war besser, zu gut für mich. Wohl nicht nur, was das Rezitieren von Beatles-Texten anbetrifft, dachte ich. Kurz nachdem sie eine Zeile aus "Let It Be" anfing, um es mir leicht zu machen, blieb sie stehen. "Hier wohne ich." Das war der Abend dann wohl, dachte ich. Wir schwiegen beide. Dann sagte sie "tschüß", ging aber nicht durch den Garten zu ihrem Haus. Stattdessen trat sie näher an mich ran und legte den Kopf leicht schräg. Sie wollte mich küssen. Mich! Ich muss wohl ziemlich verwirrt geguckt haben, jedenfalls zuckte sie kurz erstaunt zurück. Dann setzte sie ein verschmitztes Lächeln auf und fragte: "Was hast du denn? Ich bin´s doch nur." Ein Hitzeschwall stieg in mir auf, ich schien wieder an der Côte d'Azur zu sein, weg von mir, die Beatles sangen "Baby It´s You", ganz laut, hinter mir. Ich beugte mich leicht vor, lächelte und küsste sie auf den Mund. Es war ein langer inniger Kuss. "Ich bin´s doch nur," hatte sie gesagt.
 

strumpfkuh

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Eine schön erzählte Geschichte und auch ein gut gelungenes Ende.
Wer kennt es nicht, das Gefühl "Ich bin's ja nur"?
Liebe Grüße
Doro
 

Traveller

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Wortwiederholungen !?

"Eine Entschädigung musste das sein, so schien es mir jedenfalls. Eine Entschädigung für die ganzen letzten Tage und Wochen. Eine Entschädigung selbst noch für die letzten Stunden."

Hallo, warum diese Wortwiederholungen ? Im Text auch mal dreimal "Angst" hintereinander ? Andere Worte, wie "Ausgleich", "Ersatz", ... würden dies auflockern.

Ansonsten eine schöne Geschichte mit Herz !
 



 
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