Ich bin der Trauer-Clown

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Ich bin der Trauer-Clown.

Ich bringen die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.

Ich bin wie eine Dunkellampe, knipst man mich an, wird es stockfinster. Ich bin wie ein Notausgang, durch den man in Not gerät, wie ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Ich bin wie ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht, wie eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert. Ich bin wie eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet.

Ich bin wie Zwölftonmusik als Schlaflied für ein ängstliches Kind.

Man kennt mich gut. Ich bin der Trauer-Clown.
 
A

aligaga

Gast
Hallo @Rosa,

das ist im ersten Moment ein hübsch wirkender "Anti"-Text, der bemüht ist, der eigenen Melancholie ein düsteres Lächeln abzugewinnen. Aber der Impuls, das Lyrich gedanklich in die Arme zu nehmen und zu trösten, vergeht dem Leser leider rasch, wenn er ein wenig nachsinnt und bemerkt, dass der Text purer Unsinn ist.

Ein Notausgang, der in die Not führt, ist de facto kein Notausgang, und ein Schmerzmittel, das Schmerzen nicht lindert, ist keins. Das immer wieder von dir gebrauchte, vergleichende "wie" ist deshalb verfehlt. Welchen Feuerlöscher gäbe es denn noch, der Flammen nicht löschte, sondern hervorbrächte? Keinen, denn er wäre ja in der Tat etwas anderes.

Ich würde das (überflüssige) wie weglassen, dann wäre die Sache stimmiger.

Dass Zwölftonmusik nichts vermöchte als an den Nerven der Kleinkinder zu sägen, ist ein Vorurteil. Es gibt zum Beispiel auch [blue]so etwas![/blue] Doll, nicht?

Gruß

aligaga
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Rosa Eggenberg,
ich glaube, dein Titel hinkt. Eine der Grundierungen dessen, was ein herkömmlicher Clown vorträgt, ist Trauer. Dem stellt der Clown den unbedingten Willen zu leben gegenüber: Ein lachendes und ein weinendes Auge. Der Humor, das ist die Poesie, die die Trauer und das Lebenwollen, das Lachen zusammenbringt. Siehe Oleg Popov oder auch Clown Dimitri.
Dein Clown hingegen verkehrt den Willen zu Leben in sein Gegenteil. Er verweigert den Clowns sonst eigenen Blick auf den Zauber, die Schönheit, die das Scheitern und die Auflehnung dagegen eben auch bietet. Er zelebriert das Scheitern nicht als kreatives Anrennen gegen Unbill, sondern er dreht den Spieß um: Die Putzfrau putzt nicht, sie macht die Sauerei, das Schmerzmittel heilt und lindert nicht, es treibt das Leiden voran. Der im Text sich entwickelnde Humor ist kein tröstender sondern ein schräg-skuril-zynischer, der die Verzweiflung nicht lindert, sondern befördert, der in dessen Diensten steht.
Ein bemerkenswert konsequent lebensfeindlicher Text. Formal: Eingangs "Ich bringe ...", muß es wohl heißen. Der erste Satz ist evtl. ohnehin nicht notwendig, da dessen Aussage der folgende Text erwirkt.
Dein Clown ist nicht traurig, er ist von Landläufig her betrachtet sozusagen so etwas wie ein Berufskiller. Ein Hauch Wahnsinn, Stephen King kommt mir in den Sinn, Das Schweigen der Lämmer, vielleicht ...

lg
die dohle

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@aligaga, Dein Tonbeispiel ist keine Zwölftonmusik, wenngleich interessant.
 
S

steky

Gast
Ich bin der Trauer-Clown.
Warum schreibst du nicht einfach "Trauerclown"? Ich verstehe dieses ständige Trennen von Wörtern nicht. Dem Leser kann man schon durchaus mehr zu trauen. Abgesehen davon, ist deine Version vermutlich richtig. Egal. Das ist nur meine persönliche Meinung. (Harlekin würde übrigens besser passen)

Ich bringen die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.
Bei "bringen" ist ein N zu viel. Dann frage ich mich, woher du weißt, dass die Leute in eine "anhaltende" Depression verfallen. Was ist eine "anhaltende Depression"? Es gibt Leute, die holen sich Antidepressiva. Begleitest du die Leute? Kurzum: Ob die Depression anhaltend ist, kannst du nicht wissen.

Ich bin wie eine Dunkellampe, knipst man mich an, wird es stockfinster.
Würde hier nach Dunkellampe ein Semikolon oder einen Doppelpunkt setzen - oder den Satz unformulieren. So klingt das sprachlich nicht rund.

Ich bin wie ein Notausgang, durch den man in Not gerät, wie ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Zu viele "Wie´s". Die Sache mit dem Notausgang ergibt, wie schon erwähnt, keinen Sinn - auch wenn dir das Paradoxe daran vielleicht gefallen mag.

Ich bin wie ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht, wie eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert. Ich bin wie eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet.
Das gleiche wie oben: Schmerzmittel verursachen keine Schmerzen, sie lindern sie. Impfungen schützen vor Krankheit. Desweiteren gehört nach verursacht ein Semikolon.

Man kennt mich gut. Ich bin der Trauer-Clown.
Leider habe ich von dir noch nie was gehört.

Der Text hat mich leider nicht überzeugt, da er nicht stimmig ist. Außerdem brüstest du dich mit negativen Gedanken, und das gefällt mir nicht - Literatur hin oder her. Das ist nicht das, was die Menschheit in Zeiten wie diesen braucht. Das gleiche, was du machst, macht auch die Musikindustrie - und es gefällt mir nicht.
LG Steky
 

Paloma

Mitglied
Hallo Rosa Eggenberg,

prinzipiell finde ich deine Schilderung des altbekannten Trauerclowns gut. Mir würde es allerdings noch besser gefallen, wenn du die Sätze etwas variabler gestaltest und nicht immerzu mit ICH bin wie … anfängst. Das würde deine Kurzprosa deutlich runder machen und der Aufzählcharakter wäre weg.

Liebe Grüße
Paloma
 
A

aligaga

Gast
Lass dich nicht irremachen, @Rosa.

Idee und Form des Textes sind außergewöhnlich und gelungen. Ob mit oder ohne Bindestrich, ob in Form eindringlicher Anaphern oder ohne - der Versuch, sich als die "Antimaterie" darzustellen, ist zweifellos gelungen.

Dass ein Clown Trauer darzustellen hat, ist Unsinn - er lebt von der Schadenfreude des Publikums und muss sie ertragen können. Das ist freilich nicht immer leicht, aber in dem Moment, wo er seinen Kummer wirklich zeigte, würde er brotlos. Und dass man bei Dritten nicht weichen wollende Deprerssionen nicht feststellen könnte, ist ein Gerücht.

Wer mit dem Text nichts anfangen kann, kann auch mit Till Eulenspiegel, mit Karl Valentin, Chaplins "Goldgräber" und mit den neueren Bildern Baselitz' nichts anfangen - da ging und geht es genau um das, was Rosa uns zeigen wollte: Dass jedes Farbbild ein Negativ hinter sich hat.

Nur das "wie", das stört halt. Radier es weg, Rosa, und schon sind alle nicht mehr ganz so unglücklich.

Gruß

aligaga
 
Ich bin der Trauer-Clown.

Ich bringe die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.

Ich bin wie eine Dunkellampe: knipst man mich an, wird es stockfinster. Ich bin wie ein Notausgang, durch den man in Not gerät; wie ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Ich bin wie ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht; wie eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert; wie eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet.

Ich bin wie Zwölftonmusik als Schlaflied für ein ängstliches Kind.

Man kennt mich gut. Ich bin der Trauer-Clown.
 
Ich bin der Kummer-Clown.

Ich bringe die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.

Ich bin wie eine Dunkellampe: knipst man mich an, wird es stockfinster.
Ich bin wie ein Notausgang, durch den man in Not gerät, ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Ich bin wie eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet, ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht, eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert.

Ich bin wie Zwölftonmusik als Schlaflied für ein ängstliches Kind.

Man kennt mich gut. Ich bin der Kummer-Clown.
 
Liebe Lesende,

danke für die Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge! Ich finde es sehr interessant und hilfreich, wie man durch andere Meinungen seinen eigenen Text mit anderen Augen zu sehen beginnt - oder es zumindest versucht.

@aligaga: Den Text ganz ohne "wie" auskommen zu lassen, funktioniert für mich nicht, etliche "wie" weg zu lassen aber recht gut, mir scheint er nun flüssiger.
Und: danke für das Hörbeispiel!

@Paloma: Das Aufzählende ist jetzt gestrafft, aber doch beibehalten.

@ Die Dohle: Kummer passt meines Erachtens tatsächlich besser als Trauer - danke für den Hinweis, wobei ich nicht abschätzen kann, ob das eher in Deinem Sinne ist.

Dass dieses kleine Werk kein Happy-Feeling verursacht, liegt in seiner Natur, wobei ich es viel mehr aus Lust am Verdrehen erschaffen habe, als um wirklich dem Kummer zu huldigen.

Viele Grüße
Eure Rosa
 
E

eisblume

Gast
Hallo Rosa,

Den Text ganz ohne "wie" auskommen zu lassen, funktioniert für mich nicht
Und warum nicht?? Das Ich ist ja auch DER Kummer-Clown und nicht WIE EIN Kummer-Clown.
Abgesehen davon meine ich, dass du die ersten beiden Sätze ans Ende verschieben solltest.
Mein Vorschlag sähe dann so aus:

Ich bin der Kummer-Clown.

Ich bin eine Dunkellampe: knipst man mich an, wird es stockfinster.
Ich bin ein Notausgang, durch den man in Not gerät, ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Ich bin eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet, ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht, eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert.
Ich bin Zwölftonmusik als Schlaflied für ein ängstliches Kind.

Ich bringe die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.
Ich bin der Kummer-Clown.


freundliche Grüße
eisblume
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Rosa Eggenberg,
hm, ich lese diesen Text zunächt naiv. In der Art entwickeln die Sätze keinen Kummer. Es ist so gelesen eine rüde Kampfansage an das Leben, das den Widrigkeiten entgegen Deinem Protagonisten humorvoll poetisch eine lange Nase zieht. Früher nannte man solche Wesen Dämonen, weshalb mir Stephen King in den Sinn kam.
Zunächst nanntest Du Deinen Clown traurig, nun bringst Du den Begriff Kummer ins Spiel. Kann es sein, dass Du so ein Wesen wie Nosferatu evtl. zu zeichnen versuchst? Etwas, das im Bösen, im Verkehrten festgenagelt sein Schicksal beklagt, ohne daran je etwas ändern zu können? Eine Art hilflose, aussichtslose Auflehnung?

lg
die dohle
 
Ich bin der Kummer-Clown

Ich bin wie eine Dunkellampe: knipst man mich an, wird es stockfinster.
Ich bin wie ein Notausgang, durch den man in Not gerät, ein Feuerlöscher, der Großbrände verursacht, ein Rettungsboot, in dem man ertrinkt.
Ich bin wie eine Putzfrau, die ihren Arbeitsbereich verwüstet, ein Schmerzmittel, das Schmerzen aller Art verursacht, eine Impfung, die den Krankheitseintritt sichert.

Ich bin wie Zwölftonmusik als Schlaflied für ein ängstliches Kind.

Ich bringe die Leute zum Weinen, bestenfalls fallen sie durch mich in eine anhaltende Depression.
Dann war ich wirklich gut.

Ich bin der Kummer-Clown.
 
Hallo eisblume,

danke für Deine Version, es gefällt mir auch besser, wenn der Anfang ans Ende gesetzt wird, als conclusio sozusagen!
Die Wie kann ich nicht weglassen, da es um Vergleiche geht. Der Clown ist wie diese ganzen verkehrten Dinge, er ist diese Dinge aber nicht. Der Text wäre nicht mehr so, wie er für mich gehört, wenn ich die Wie wegnehme.

Hallo Die Dohle,

der Kummer ist umfassender als die Trauer, alles, was sich der Clown zuschreibt, ist Kummer, verursacht Kummer, nicht alles davon verursacht Trauer. Es ist gar nicht so einfach, eine passende Bezeichnung für diesen Clown zu finden, wenn ich ganz genau darüber nachdenke.
Vielleicht fällt mir noch was Besseres ein.

Schöne Grüße
Eure Rosa
 

Paloma

Mitglied
Hallo Rosa Eggenberg,

abgesehen davon, dass mir der Trauerclown viel besser gefallen hat (weil bekannter), finde ich es jetzt sehr schön.

Liebe Grüße
Paloma
 



 
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