Ich gehe fort

Costner

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Jeden Tag ist es dasselbe. Ich stehe morgens früh auf und quäle mich aus einem tiefen bequemen Schlaf, als wäre ich auf Wolken gebettet, die mich an einen Ort hinfort tragen, von dem ich immer geträumt habe. Still und verschollen, geheimnisvoll und unberührt, wie die Natur ihresgleichen. Immer ist es das gleiche, denn im Grunde wollen wir etwas besonderes bewegen, manchmal die Welt ein Stückchen besser machen, sich besser fühlen, sich verändern, aber im Endeffekt machen wir doch alle das gleiche. Wir schließen uns dem Alltag an, dem alle anderen auf dieser Welt wie Marionetten angehören. Und auch wenn wir es gar nicht wollen, uns dagegen wehren, versuchen diesem Alltag zu entfliehen, so gelangen wir doch wieder in denselben Strom hinein, aus dem kein entkommen zu sein scheint.
Jeden Tag stehe ich mit demselben Gefühl im Magen auf. Es tut weh und ich möchte alles ändern, aber wenn man es nicht versucht, ändert sich gar nichts. Alle frönen wir nur einem Gefühl: alles ändern zu wollen.
Aber alle haben wir eine Scheiß Angst vor dem allein sein. Die Angst vor dem Unbekannten, dass, was auf uns zukommen wird. Die dunkle Seite der Zeit, die wir nicht kennen und nicht verstehen. Es ist wie ein seidener Faden, an dem wir alle hängen, manche aber loslassen und verloren gehen, weil sie nicht die Kraft hatten und den Mut, sich weiter festzuhalten. Am Faden der Zeit, der uns alle an nur ein Ziel bringt.
Und alle haben wir Träume, die wir aber nur haben, weil man sich etwas wünscht, sich davor aber fürchtet, diese Träume wahr werden zu lassen, denn die Angst vor der Veränderung ist zu groß.
Auch ich habe Angst. Denn ich habe einen Entschluss gefasst, endlich, nach so langer Zeit. Ich bin heute aufgestanden, um zu gehen. Es ist das letzte Mal, dass ich hier morgens aufstehe, meinen verschlafenen Blick im Spiegel betrachte und mich frage, warum ich eigentlich noch hier bin. Doch heute ist alles anders. Mir ist klar geworden, dass, wenn sich bald nicht etwas ändert, dass ich mich genauso verwandle wie alle anderen Menschen um mich herum. Und das will ich nicht. Ich will anders sein.
Vor vielen Tagen habe ich alles verloren, was mir einmal wichtig erschien. Doch in diesem unwegsamen Taumel der Gedankenlosigkeit und des Frohsinns, über alles hinwegzublicken, was manchmal wichtiger erscheint, habe ich erkannt, dass ich mehr bin, als ich bisher sein konnte. Ich selbst habe nicht gelebt, ich selbst habe mich unterdrückt, weil ich anders sein wollte. Ich selbst habe mich dessen gefügt, was man von mir erwartet hat. Ich selbst habe immer alles das getan, was andere Leute von mir verlangten. Ich selbst habe nicht erkannt, wie sehr es mir im Innern wehtat, so behandelt zu werden. Wie ein Kerl ohne Selbständigkeit, ohne eigenen Willen bin ich hin- und hergewandert, auf der Suche nach einem besseren Moment in meinem Leben, bis ich ihn endlich darin gefunden hatte, als ich erkannte, was ich wirklich will.
Heute stehe ich hier, in meinem Zimmer. Mein Rucksack ist gepackt und ich fertig mit dem, was ich mir vorgenommen habe. Das Gefühl in meinem Bauch wird immer stärker. Ich werde verlassen, wohin ich hineingeboren wurde. In eine Welt, von der ich mehr erwartet hatte, als sie mir geben konnte. Hass und Respektlosigkeit, Krieg und Verachtung, eine Welt, in der man keine Chance bekommt, wenn man nicht so ist, wie man gewollt haben möchte!
Die Flut an Gefühlen, die durch mich strömt macht es wahr, den Glauben an eine neue Welt, die ich finden möchte. Ich weiß nicht, wieso, aber ich weiß, warum. Ich will mich verändern, ich will meine Welt ändern.
Noch ist es dunkel und meine Eltern schlafen eine Weile, bevor sie aufstehen, um dem Wahn dieser Gesellschaft zu folgen, arbeiten zu gehen. Ich folge nun meinem eigenen Wahn. Endlich das zu wollen, wonach ich mich sehne. Zu suchen, was viele wollen, aber nur die finden können, die wirklich den Mut haben, eine Veränderung einzugehen. Ich bin endlich bereit.
Ich schleiche mich leise aus dem einstigen Hause meiner Heimat. Jetzt muss ich mir eine neue Heimat suchen, in der ich mich wohl fühle und eines weiß ich, ich werde so lange suchen, bis ich sie gefunden habe.
Es war ein neues Gefühl der Freiheit, als ich die Luft atmete, die mich antrieb, eine neue Welt für mich zu erfahren, so wie sie für alle anderen nicht zu existieren schien. Ich weiß, dass ich diesen Schritt schaffen kann, wenn ich an meinem Glauben, mich verändern zu können, festhalte. Ich weiß, dass ich sein kann, wer ich wirklich bin.
Als ich im Flugzeug saß und die Stille sich um mich herum langsam verlor, als die Triebwerke anfingen, zu heulen, da wurde mir wirklich Bewusst, was ich für eine Gefahr eingegangen bin, alles zu verlieren, woran ich einmal geglaubt habe. Meine Angst wurde immer schlimmer, es war eine Scheiß Angst, die ich mit ein paar Dosen Bier während des Fluges versuchte, zu vertreiben. Ich stopfte beide Mahlzeiten hinein, um meinen Magen zu beruhigen und das Gefühl zu erlangen, nicht allein zu sein mit einem leeren Gefühl im Innern. Aber ich war allein, mehr denn je. Als ich aus dem kleinen Fenster sah, sah ich nur die Wolken und die Ferne, die sich vor mir auftat, wie das Unbekannte, das auf mich zusteuerte.
Was würde mich wohl in meiner neuen Welt erwarten? Ich war gespannt, es dauerte nicht mehr lange und ich würde dort landen, wo ich glaubte, dass meine Suche begann.
 

Costner

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Fortsetzung

Am 7. Februar werde ich die Fortsetzung zu dieser Geschichte veröffentlichen. "Ich bin" wird sie heissen.

Viel Spaß noch

liebe grüsse
 



 
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