Ich muss meine Zähne suchen

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solowasser

Mitglied
Manchmal merkte ich, dass etwas anders war. Früher bin ich öfter schwimmen gegangen, schoss es mir durch den Kopf. Und dann stand sie vor mir. Die Frau meines Lebens. Meine große Liebe. Sie stand da und streichelte meine Wange, ich blickte sie voller Liebe und Dankbarkeit an. Und schon schob sie mir einen Löffel in den Mund. Heute war es Kartoffelsuppe. Gestern Möhren. „Brav aufessen“, sagte sie teilnahmslos und schaute aus dem Fenster. Bald ist sie wieder weg, dachte ich. Wütend wurde ich, als sie ging und ich freute mich nie, wenn sie kam. Nur manchmal, meistens morgens, wusste ich, dass sie nicht Erna war. Und dann – nach dem Frühstück – erschien sie mir. Wir waren zusammen schwimmen gewesen, glückliche Tage und Sommer. Wir liebten uns, wo immer wir wollten. Als wir heimfuhren, entdeckten wir Steinpilze am Waldrand. Für das Abendessen. Erika kochte gerne und ich sah ihr dabei zu. Ab und zu schnitt ich Petersilie. Und dann, wir liebten uns.
„Es wird Zeit für die Grüne und die Rote.“ Rote Pilze sind giftig, dachte ich. Plötzlich stand sie vor mir, so wie früher. Erika sah mich mitleidig und geduldig an. „Sie müssen sich aufrichten, das wissen sie doch.“ Schon immer war sie wenig einfühlsam.
Ich wachte auf und griff nach meiner Brille, vermutete sie auf dem Nachttisch. Ich fand sie nicht. Niemand lag neben mir. Erna muss schon wach sein, dachte ich. Es roch nach Kaffee. Nach gutem, starken, schwarzen Kaffee. Ohne meinen Kaffee schaffe ich nichts in der Arbeit. Ich stand auf, ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Plötzlich erschrak ich. Die Brille hatte ich auf. Nur meine Zähne. Meine Zähne waren weg. Ich vergaß meine Brille und erinnerte meine Zähne. Etwas war anders.
Ich muss meine Zähne suchen.
 
L

Lupine

Gast
Anrührend. Berührend
Nachdenklich gelesen.
Ich würde den Text nochmal überarbeiten, da ist noch mehr rauszuholen. Beispielsweise die Zeiten:
Manchmal merkte ich, dass etwas anders war. Früher bin ich öfter schwimmen gegangen, schoss es mir durch den Kopf. Und dann stand sie vor mir. Die Frau meines Lebens. Meine große Liebe. Sie stand da und streichelte meine Wange, ich blickte sie voller Liebe und Dankbarkeit an. Und schon schob sie mir einen Löffel in den Mund. Heute war es Kartoffelsuppe. Gestern Möhren
Ein Vorschlag:

...Manchmal merke ich, dass etwas anders ist. Früher bin ich öfter schwimmen gegangen, schießt es mir durch den Kopf.
Plötzlich steht sie vor mir. Die Frau meines Lebens. Meine große Liebe. Sie steht da und streichelt meine Wange, ich schaue sie voller Liebe und Dankbarkeit an. Sie schiebt mir einen Löffel in den Mund. Heute ist es Kartoffelsuppe. gestern waren es Möhren...
 

solowasser

Mitglied
Manchmal merke ich, dass etwas anders ist. Früher bin ich öfter schwimmen gegangen, schießt es mir durch den Kopf. Plötzlich steht sie vor mir. Die Frau meines Lebens. Meine große Liebe. Sie steht da und streichelt meine Wange, ich blicke sie voller Liebe und Dankbarkeit an. Sie schiebt mir einen Löffel in den Mund. Heute ist es Kartoffelsuppe. Gestern Möhren. „Brav aufessen“, sagt sie teilnahmslos und schaut aus dem Fenster. Bald ist sie wieder weg, denke ich. Wütend werde ich, wenn sie geht und ich freue mich nie, wenn sie kommt. Nur manchmal, meistens morgens, weiß ich, dass sie nicht Erna ist. Und dann – nach dem Frühstück – erinnere ich. Wir waren zusammen schwimmen gewesen, glückliche Tage und Sommer. Wir liebten uns, wo immer wir konnten. Als wir heimfuhren, entdeckten wir Steinpilze am Waldrand. Für das Abendessen. Erika kochte gerne und ich sah ihr dabei zu. Ab und zu schnitt ich Petersilie. Und dann, wir liebten uns.
„Es wird Zeit für die Grüne und die Rote.“ Rote Pilze sind giftig, denke ich. Plötzlich steht sie vor mir, so wie früher. Erika sieht mich mitleidig und geduldig an. „Sie müssen sich aufrichten, das wissen sie doch.“ Schon immer war sie wenig einfühlsam.
Ich wache auf und greife nach meiner Brille, vermute sie auf dem Nachttisch. Ich finde sie nicht. Niemand liegt neben mir. Erna muss schon wach sein, denke ich. Es riecht nach Kaffee. Nach gutem, starken, schwarzen Kaffee. Ohne meinen Kaffee schaffe ich nichts in der Arbeit. Ich stehe auf, gehe ins Bad und schaue in den Spiegel. Plötzlich erschrecke ich. Die Brille habe ich auf. Nur meine Zähne. Meine Zähne sind weg. Ich vergesse meine Brille und erinnere meine Zähne. Etwas ist anders.
Ich muss meine Zähne suchen.
 

solowasser

Mitglied
Hallo lupine,
Danke für deine Hinweise, stimme dir zu. Hab die Zeiten angepasst, finde es jetzt besser. Und du?

Liebe Grüße
solowasser
 
L

Lupine

Gast
Wie gesagt: Für meinen, subjektiven Textgeschmack: Besser!
Es gibt andere hier, die das viel besser können.
Magst du mit mir weitermachen?

Ein Vorschlag:
Wütend werde ich, wenn sie geht und ich freue mich nie, wenn sie kommt. Nur manchmal, meistens morgens, weiß ich, dass sie nicht Erna ist. Und dann – nach dem Frühstück – erinnere ich. Wir waren zusammen schwimmen gewesen, glückliche Tage und Sommer. Wir liebten uns, wo immer wir konnten. Als wir heimfuhren, entdeckten wir Steinpilze am Waldrand. Für das Abendessen. Erika kochte gerne und ich sah ihr dabei zu. Ab und zu schnitt ich Petersilie. Und dann, wir liebten uns.
...Ich werde wütend, wenn sie geht. Und freue mich selten, wenn sie kommt. Weil mir dann klar wird, dass sie nicht Erna ist. Mit Erna bin ich schwimmen gegangen ...glückliche Sommertage, an denen wir uns liebten, wo immer wir konnten.
Wenn wir heimfuhren, entdeckten wir Steinpilze am Waldrand, für das Abendessen. Erna kochte gerne. Und ich sah ihr gerne dabei zu. Ab und zu half ich ihr und schnitt die Petersilie.
Und am Abend liebten wir uns wieder ...
 

Wipfel

Mitglied
Ist Erika schon tot? Wenn nicht, dann kocht sie gern. Mit den Zeiten kannst du schön spielen und noch mehr aus diesem Text machen. Gern gelesen.

Grüße von wipfel
 
L

Lupine

Gast
@Wipfel, der Prota erinnert sich:
Wir waren zusammen schwimmen gewesen, glückliche Tage und Sommer. Wir liebten uns, wo immer wir konnten. Als wir heimfuhren, entdeckten wir Steinpilze am Waldrand. Für das Abendessen. Erika kochte gerne und ich sah ihr dabei zu. Ab und zu schnitt ich Petersilie. Und dann, wir liebten uns.
Ob Erika heute tot ist oder nicht, heute noch gerne kocht oder nicht: Früher kocht[red]e[/red] sie gerne.
 

Aina

Mitglied
Hallo solowasser,
der Text hat mich fasziniert - wenn ich darf, werde ich ihn meinen Mitarbeiterinnen bei der nächsten Teamsitzung vorlesen - Betreuungskräfte für demente Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegeheims.
Es könnte in jedem Fall einer unserer Bewohner sein, der hier seine Wahrnehmung der Welt offen legt.
Und das so schön schnörkellos.
Hat was!!!!
Mit Dank,
Aina
 



 
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