Ich sang das Lied des alten Wolfes

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Hallo, Freunde in Nah und Fern!
Hier ist mal wieder Euer Laeken, Douglas von der Schillingswarthe. Gerade habe ich meinen schwarzen Groenendael-Freund Rondo vom PC vertrieben, der diesmal unbedingt einen Bericht an Euch schreiben wollte. Aber was ich zu erzählen habe, ist viel wichtiger und schöner. Jetzt sitzt Rondo in einer Ecke und schmollt. Wie ich ihn kenne, schmiedet er Rachegedanken und ich muss nachher auf mein Hinterteil aufpassen, in das er mich sicherlich zu kneifen versucht. Ihr müsst wissen: da kann ich nicht zurückbeißen!
Doch nun zu meiner Geschichte.
Im Augenblick ist es sehr warm bei uns – so warm, dass mir die Pfoten qualmen, wenn ich über die heißen Steine vor unserer Terrasse laufe. Ebenso ist es im Haus oftmals kaum auszuhalten. Auch, wenn dort die Fliesen eine angenehme Kühle spenden. Aus diesem Grund ließ Frauchen in den letzten Tagen über Nacht die Terrassentür offen, damit wir uns wenigstens in dieser Zeit eine angenehme Erfrischung holen konnten und nicht auch noch während des Schlafes so sehr schwitzten. Was waren wir vier ihr dafür dankbar! Meine drei schwarzen Freunde lagen entweder auf der Terrasse oder in dem schmalen Flur davor – nur mich zog es hinaus auf das Grundstück. Eine unerklärliche Unruhe quälte mich schon mehrere Tage lang. Doch ich konnte sie nicht einordnen. Nervös lief ich hin und her, lauschte auf die Geräusche, die die Nacht an meine Ohren trug. Irgendwann meinte ich, diese Anspannung in mir nicht mehr ertragen zu können. Mein Herz raste bis zum Zerspringen, und Laute klangen in meinem Kopf, die ich nicht einordnen konnte. Verwirrt setzte ich mich hin und blickte hinauf zum Himmel. Die Nacht war sternenklar und sehr warm. Gelb/rötlich stand der Vollmond über unserem Grundstück und schien mich freundlich und auffordernd anzusehen. Lange starrte ich nachdenklich zu ihm hinauf. Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben, die mich in diesem Augenblick beherrschten. Ich merkte nur, dass ich ruhiger wurde – die Laute, die vorher zusammenhanglos durch meinen Kopf jagten, bildeten plötzlich Worte – Sehnsüchte, wie ich sie vorher nie kannte. Plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte – ein uralter Instinkt, weitergegeben durch das Blut, forderte mich auf zu singen. Ohne ein Auge von diesem herrlichen Vollmond zu wenden, legte ich unsicher den Kopf in den Nacken und zaghaft kamen die ersten Laute über meine Lefzen. Laute – Worte, die kein Mensch verstand und die doch eine uralte Geschichte erzählten. Mit jedem Ton wurde ich mutiger, lauter und wehmütiger. Ich erzählte die Geschichte der Urahnen die seit vielen Jahrhunderten in jedem Hund weitergetragen wurde. Ich sang ein Lied, welches nie verstummen wird, solange es uns Hunde gibt. Vieles, was dieses Lied beschreibt, werde ich selber nie erleben können. Es verkündet den Ruf zur Beutejagd, frohlockt über ihren Erfolg, es erzählt von der Einsamkeit, der Suche nach einem Partner und es berichtet von der Freiheit, von dem Leben in den weiten Wäldern, ohne die Herrschaft des Menschen. Ich sang das Lied des alten Wolfes! Und die Melodie kam aus vollem Herzen – so, als wäre ich kein Haushund, sondern einer von ihnen. Das Blut jagte durch meine Adern während ich das Lied sang, welches von Leid und Freude geprägt war, von Freiheit, Wildheit und dem ständigen Überlebenskampf. Es war das Erbe meiner Vorfahren und ich zeigte mich ihm würdig!
Als der letzte Laut verklungen war spürte ich eine tiefe Befriedigung. Noch lange saß ich auf meinem Platz und sah hinauf zu dem Mond. Es war, als würde uns ein unsichtbares Band verbinden – ein Band, welches uns zu Freunden machte. Irgendwann ging ich glücklich und zufrieden zurück zum Haus. Ainuk, Denise und Rondo saßen vor der Terrassentür und sahen mir entgegen. Langsam trat der Chef unseres Rudels, Ainuk, auf mich zu und sah mich lange an. Ich las den Stolz in seinen Augen. Offen erwiderte ich seinen Blick, um dann ins Haus zu gehen, und mir einen Platz zum Schlafen zu suchen. Doch noch lange fand ich keine Ruhe – ich spürte, dass dieses Lied – mein erstes Singen, ein Erbe war, das nicht verloren gehen durfte. Und noch etwas anderes fühlte ich in dieser Nacht: ich war nicht mehr der junge Hund, wie Tags zuvor – ich war erwachsen geworden.
Das Lied der Wölfe wird immer in mir sein und ich hoffe, dass ich es noch sehr oft singen darf – für meine vierbeinigen Freunde in Nah und fern – damit das Lied der Freiheit und Sehnsucht unserer Ahnen nicht untergeht!
Ja, Freunde – das war heute eine Geschichte von mir. Nicht so lustig, wie sonst, aber vielleicht versteht Ihr nun ein wenig mehr von unserer Seele. Denn auch wir Vierbeiner haben Sehnsüchte und Wünsche.
Bis Bald
Euer Douglas von der Schillingswarthe
 

soleil

Mitglied
Hallo Imke,

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie ist stimmungsvoll und ohne Schnörkel geschrieben - eine sprachliche Wohltat.

Ich hoffe es wird noch mehr davon geben.

Viele Grüße
Soleil
 

Rainer

Mitglied
hallo imke,

eine gute geschichte, mit unkindlich ausgelotetem erzählstandpunkt, nur in der mitte finde ich manche stellen, z.b.

"...ohne die Herrschaft des Menschen." (ich glaube kaum, daß ein hund von der herrschaft des menschen weiss)

zu offensichtlich - vielleicht hier ungewöhnlichere sichtweisen verwenden.

gruß

rainer
 



 
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