Ich vergesse nicht

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MarenS

Mitglied
Ich vergesse nicht!

Wo ist sie, die Vertrautheit?
Sie entstand unter der Last deiner Verletzungen,
meines Schmerzes.
Sie schwindet mit deiner Genesung,
erlischt wie eine Flamme.
Ich bat dich um Verständnis für meine Anhänglichkeit,
wenn der Zeitpunkt der Normalität uns erreicht.
Ist das so schwer mich zu verstehen?
Du hast gelitten und alles vergessen,
ich aber erinnere mich sogar an deinen Unfall
- obwohl ich ihn nicht gesehen habe:
das Entsetzen in deinen Augen,
den Ausdruck des Schmerzes,
die Qual des Atmens.
Ich vergesse nicht!

Die Intensivstation,
dein wachsbleiches Gesicht,
das ruckartige Aufgeblasenwerden
durch die Beatmungsmaschine,
die Schwellung deiner Schulter,
die Drainagen an Kopf und Lunge,
die vielen Schläuche,
deine kalten Füße,
die Hoffnung auf das Aufwachen,
deine ersten Worte,
deine grenzenlose Verwirrtheit,
deine panische Angst,
deinen abgrundtiefen Hass,
deine vertrauensvolle Zuneigung,
Dein ängstliches Anklammern,
Diese Nähe!
Du willst all das nicht hören, nicht wissen,
für dich soll alles sein, wie es war - und für mich?
Ich vergesse nicht!

Juni 99
MarenS
 
B

bonanza

Gast
tagebuchmäßiger text. nicht übel geschrieben.
als bezugsloser leser fehlt mir die deutungsmöglichkeit.
und um mich ahnungen hinzugeben, ist es nicht spannend
genug.

bon.
 

MarenS

Mitglied
@ bonanza
...dir fehlt als bezugsloser Leser die Deutungsmöglichkeit ^^

...ok, trotzdem Dank für den Kommentar.

Grüße von Maren
 
B

bonanza

Gast
ich glaube, deinem text fehlt die meta-ebene, welche
dem leser die projektion auf sein ich erleichtern würde.
so bleibt dein gedicht fragmentarisch.

bon.
 

Montgelas

Mitglied
liebe maren,

bonanza hat nicht unrecht,
deine zeilen weisen nicht über das
autobiografische hinaus.


meint

montgelas
 

MarenS

Mitglied
@montgelas

...ich denke es ist schwierig...ich möchte das nicht absolut bejahen obwohl die Tendenz sicher so ist. Was diesen Text angeht, so ist er sicher stark autobiographisch, wie auch schon der erste Text, der zu diesem Thema gehört. Ich wollte gerne Reaktionen dazu haben, deshalb habe ich beide Texte hier gesetzt....diese habe ich bekommen und bin auch durchaus froh darüber.
Beides sind keine Texte, die ursprünglixch geschrieben wurden, um sie zu veröffentlichen...die Auseinandersetzung, die für mich jetzt mit ihnen erfolgt, die Reaktionen der Leser, sind für mich "Lernfutter".

Auch dir danke ich für deinen Kommentar

Grüße von Maren
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Maren,

ich habe mal kurz ausprobiert, Deinen Text umzuschreiben, nicht weil er jetzt besser geworden wäre, sondern weil ich Dir verdeutlichen möchte, was allein Verkürzungen schon bewirken können.
Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, dass ich mich an Deinem Text "vergriffen" habe. Das macht man in der LL ja auch eher selten.


Nähe?

Es war ein schöner Tag.
Im Garten schnitt ich
die Rosen.
Plötzlich sah ich deine
angstgeweiteten Augen,
obwohl du
kilometerweit entfernt
hinter dem Steuer
deines Auto hingst.

Du ersehntest meine Nähe.

Ich teilte mit dir
Angst, Schmerz, Qual,
Verwirrung.

Jetzt bist du wieder
so weit fort.
Neben mir stehst du
wie zurückgetaucht
in die vormals heile Welt
und unsere Vertrautheit
ist ausgelöscht.


Liebe Grüße von Vera-Lena
 

MarenS

Mitglied
@ Vera-Lena

...nein, für mich ist es kein problem, wenn jemand meine Texte umschreibet...alles im Rahmen der Höflichkeit und des Austauschens von Gedanken.
Nur eine Schwierigkeit ergibt sich: Es ist nicht mehr mein Text...lächel...das bin nicht mehr ich. Weder in der Tätigkeit..sie passt so nicht zu mir, noch in der Schreibweise...ich formuliere äußerst selten kurze Sätze.

Vera-Lena:
hinter dem Steuer
deines Auto hingst.

hinterm Steuer hängen...das ist eine Ausdrucksweise, die hier einfach nicht hinpasst...
Wie soll ich das schreiben...es passt nichts mehr, denn es stimmt nichts mehr. Das was da steht ist irgendein Text, der mit viel Abstand versucht etwas nachvollziehend zu beschreiben.

Z.B. "die vertrautheit ist ausgelöscht"
Nein...sie erlosch...nach und nach....wie eine Flamme erstickt, er war nicht plötzlich wieder da, es waren Wochen in denen wir 24 Stunden rund um die Uhr zusammen verbrachten.
Das war also kein Zurücktauchen sondern ein sich Zurückziehen in eine abgeschlossen, verschlossene Welt.

Es ist ziemlich müßig, dies erklären zu wollen, von Menschen die ähnliches erlebt haben, erfuhr ich, dass es mehr als nachvollziehbar sei, was ich schrieb. Vielleicht ist der Text ganz einfach falsch...hier.

Dir trotzdem Dank für deine Mühen, Vera-Lena!

Grüße von MAren
 
S

Sandra

Gast
Hallo Maren,

ich verstehe deine Ablehnung den Text nach Vera-Lenas Vorschlag umzuschreiben - obwohl ich objektiv betrachtet ihren Vorschlag sehr gut finde.
Das Problem ist, dass der Text sehr nah mit deinem Erleben verbunden ist. Du beschreibt deine Gefühle u. sehr präzise Bilder (bis hin zur verletzen Schulter), die natürlich wenig Raum für die eigene Erlebniswelt des Lesers lassen.
Mich berührt der Text dennoch, ich lese ihn jedoch wie bonanza schon sagte, als eine Art Tagebucheintrag. Du erzählst sehr engmaschig und lässt wenig Raum für den Leser. Als lyr. eigenständiges Gedicht kann ich es nicht sehen. Vielleicht könnte es aber durch das Weglassen einiger sehr deutlicher Bilder eins werden. Ich mache dir einen Vorschlag - allein mit deinen Worten ;).

LG
Sandra

Wo ist sie, die Vertrautheit?

Sie entstand unter der Last
schwindet mit der Genesung
Ich bat um Verständnis
wenn die Normalität
uns erreicht
Du hast gelitten
Du hast vergessen,
Ich aber erinnere mich
Ich vergesse nicht!

Die Intensivstation,
die Beatmungsmaschine
die Schwellung deiner Schulter
kalte Füße
die Hoffnung auf das Erwachen
deine ersten Worte
deine Angst
Diese Nähe!

Heute:
Du willst nicht hören
nicht wissen
alles
soll sein
wie es war -
und ich?

Ich vergesse nicht!
 



 
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