Ich war's nicht

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nescobar

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Ein einfacher Satz. Ein letzter Satz. Ein Satz, der sich für immer in Ellis Gedächtnis gebrannt hatte. Ein alltäglicher Satz, den sie in ihrem Leben noch öfter hören würde. Ein Satz, dessen schmerzliche Erinnerungen es unmöglich machten die tiefen Wunden in ihrem Herzen heilen zu lassen. Als Ben, ihr mittlerer Enkel mit diesen Worten die Tür hinter sich schloss, hatte sie darüber noch lachen müssen. Ihr war nicht klar, dass dieser Satz der letzte war, den sie von Ben hörte.
Elli war damals mitten in den Vorbereitungen für Ihren 80. Geburtstag. Sie konnte auf ein erfülltes Leben zurück blicken. Sie hatte einen tollen Mann geheiratet und mit ihm zwei wunderbare Kinder großgezogen. Einen Jungen und ein Mädchen, so wie sie es sich immer gewünscht hatten. Zudem wurden ihr die drei tollsten Enkelkinder geschenkt, die sie sich wünschen konnte. Zu Ben, den mittleren der drei pflegte sie ein besonderes Verhältnis. Bens Eltern konnten es sich nicht leisten auf ein komplettes Gehalt eines Elternteils zu verzichten und waren somit darauf angewiesen, dass sich Oma Elli in der Zeit um Ben kümmerte. Somit verbrachte Ben mehr Zeit als seine Brüder bei seiner Oma Elli. Ben liebte seine Mutter, doch Oma Elli liebte er genauso sehr. Als Ben älter wurde und sein kleiner Bruder geboren war, war es Oma Elli, die immer ein offenes Ohr für Ben hatte. Er musste ihr nicht erzählen, was ihn bedrückte. Sie hatte die besondere Fähigkeit zu sehen was in Bens Kopf vor sich ging. Probleme konnte er vor ihr nicht Geheim halten und versuchte es erst gar nicht. Er erzählte ihr alles, sogar Dinge die er seinen Eltern nicht erzählen würde. Dinge die man einem besten Freund erzählt hätte. Ben wurde älter, erwachsen. Aber auch Elli wurde älter und so wie sie die wichtigste Stütze in Bens jungen Leben war, so wurde Ben ihre wichtigste Stütze auf ihre alten Tage. Elli wusste, dass sie nicht mehr so fit war wie früher, weder körperlich, noch geistig. Vor allem die neuste Technik erinnerte sie immer wieder an ihr wahres Alter. Irgendwann kam sie an einen Punkt in ihrem Leben, da hatte sie es aufgegeben sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Sie sei zu alt um die Funktionen dieser Geräte zu begreifen, hatte sie immer wieder gesagt. Und somit griff sie auf altbewährte Dinge zurück, die sie kannte. Ihr Telefon beispielsweise gehörte ebenfalls zu den technischen Herausforderungen in ihrem Haushalt, die sie zu verstehen aufgehört hatte. Wenn es nach Elli ging, machte es immer das Gegenteil von dem, was sie zu bezwecken versuchte. Ben wusste das und immer wenn Oma Elli auf seinem Display als eingehender Anrufer angezeigt wurde, ahnte er bereits, dass wieder etwas mit ihrem Telefon nicht stimmte.
\"Es sagt mir immer, du hättest angerufen. \", waren ihre Worte. Mit der Zeit vermutete Ben, dass sie dies als Vorwand nahm, nur um mit ihm zu sprechen. Aber das war für ihn in Ordnung, denn somit wurde er daran erinnert, dass er wieder mehr Zeit mit Oma Elli verbringen müsste. Denn auch wenn er bereits Mitte zwanzig war, waren die Gespräche mit ihr genauso hilfreich wie vor all den Jahren und ihre bloße Anwesenheit beruhigte ihn. Als Bens Telefon ihm auch an dem Tag ankündigte, dass Oma Elli anrief, ahnte er bereits, dass sie womöglich wieder seine Hilfe benötigen würde und so war es auch. Er fuhr vorbei, sah sich das Telefon an und bemerkte sofort, dass es sich lediglich um einen verpassten Anruf handelte, den das ständige Blinken auf dem Display signalisierte. Ein weiteres Mal erklärte er ihr, wie sie das Blinken abstellen könne. Am Ende seines Besuches verabschiedeten sie sich voneinander, als das Telefon zu klingeln begann. Elli fand es schon immer unhöflich laufende Unterhaltungen durch ein Telefonat zu unterbrechen, weshalb sie das Telefon auch dieses Mal klingeln ließ. Noch von der Türschwelle konnte Ben erkennen, wie das Telefon nach dem siebten klingeln verstummte und das Display zu blinken begann. Auf die Frage, wer sie jetzt wohl angerufen habe, antwortete Ben mit einem Zwinkern, \"Ich war\'s nicht.\" Oma Elli verstand sofort und musste unweigerlich lachen.
Die Tür ging zu. Stille.
Einige Stunden später läutete Oma Ellis Telefon erneut. Es war nicht Ben, der sie anrief um eventuell zu fragen, ob nun wieder alles funktionierte. Es war seine Mutter. Das zögerliche Melden ihrer Schwiegertochter und ihre zittrige Stimme ließen nichts Gutes erahnen. Und so sollte es sein. 79 Jahre war Oma Elli alt. In nicht einmal vier Wochen sollte sie ihren 80. Geburtstag feiern. 79 Jahre haben sie sich nicht ansatzweise auf so eine Nachricht vorbereiten können. 79 Jahre hat sie gelebt und den Großteil ihres Lebens hinter sich gelassen. 25 Jahre hat Ben gelebt und Ellis Leben noch wundervoller werden lassen. 25 Jahre. Ben hatte den Großteil seines Lebens noch vor sich. Ein letzter Satz. Eine Sekunde. Ein falscher Blick. Man konnte nicht genau ermitteln was Ben letztendlich abgelenkt hat, doch es hat gereicht, um ihm sein Leben zu nehmen. Er hatte keine Chance als sein Wagen aus der Kurve auf den Grünstreifen geriet und er die Kontrolle verlor. Auch seine letzten Gedanken in den Sekunden bevor der Wagen mit der Seite gegen den Baum prallte werden für immer verborgen bleiben. Doch seine letzten Worte hallten noch immer in Oma Elli\'s Ohren. \"Ich war\'s nicht.\"
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo nescobar, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Sehr schöne Hommage an eine Oma! Ein paar kleinere Rechtschreibfehler müsstest Du noch ausbessern.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 
Ein sehr schön verfasster Text, mit einem tollen Ende!

Positives:
Ich mag deinen Schreibstil. Er unterscheidet sich nicht besonders starkt von Meinem, was wohl auch der Grund dafür sein wird, dass er mir gefällt. Du kannst du den Kern der Geschichte herausheben indem zu zum Beispiel Anfangsphrasen wiederholst und am Ende die 25 mit den 75 Jahren vergleichst. Das kommt sehr gut rüber.
Fast am Besten geällt mir aber, dass du sehr viele Emotionen so gut vermitteln kannst. Das lässt den Text lebendig und glaubhaft wirken.

Negatives:
Es haben sich schon einige Rechtschreibfehler eingeschlichen. Ein oder zwei sind kein Problen, aber nimm dir doch einfach noch 10 Minuten Zeit, bevor du dein Werk hier reinstellst und geh noch mal alles sorgfältig durch. Es kratzt etwas an dem schönen Text, was sehr schade ist. Ich persönlich mache es so, dass ich zwei gute Freunde habe, denen ich die Texte zeige und wenn diese keine Fehler finden und ich auch nicht, dann gibt es keine Komplikationen

Liebe Grüße,
LyrikAmbition
 

nescobar

Mitglied
Vielen Dank erstmal für die Aufnahme und die beiden Kommentare. Mit den Rechtschreibfehlern ist das so eine Sache, das war schon immer meine Schwäche.
Grundsätzlich gebe ich Dir recht, dass man Texte zur Korrektur von Freunden oder anderen Leuten lesen lassen sollte. In dem Text steckt aber eine Menge meiner persönlichen Erfahrungen. Ich verarbeite in dem Geschriebenen meine Erlebnisse, Eindrücke und Gefühle. Ich möchte dies mit Freunden oder Verwandten nicht teilen. Hier genieße ich einfach die Anonymität und sammle nun erstmals auf diesem Gebiet Eindrücke und Meinunge dazun. Ich hoffe, dass es in nächster Zeit mehr von mir zu Lesen gibt und glaube, dass dieser Prototyp nicht ganz misslungen ist.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo nescar, Du teilst den Text hier mit der ganzen Welt. Die freut sich über weniger Fehler!
:)

Ich kann verstehen, dass Du den Schutz der Anonymität vorziehst, aber vielleicht findet sich einer, der sie durchschaut, also dieser Punkt ist realitv.

LG DS
 



 
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