Ich werde dich erkennen

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Vera-Lena

Mitglied
Hallo Prosaiker,

vielleicht ist der Text nicht so leicht zu verstehen, wie ich dachte.
Jeder Mensch verströmt durch seine Individualität einen unverwechselbaren Duft, der nur ihm zu eigen ist. Wenn er einen anderen Menschen liebt, hinterlässt er in dessen "Zellen" diesen Duft und auf diese Weise werden sich zwei Liebende immer wiederfinden, egal wo sie sein werden.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
P

Prosaiker

Gast
Wenn er einen anderen Menschen liebt, hinterlässt er in dessen "Zellen" diesen Duft und auf diese Weise werden sich zwei Liebende immer wiederfinden, egal wo sie sein werden.
Naja, das ist Esoterik. Worauf ich hinaus wollte war folgendes: schon der Titel klingt wie eine Drohung. Daher mein Gedanke an Süskinds Grenouille, das olfaktorische Genie. Nach meinem Verständnis geht es in deinem Gedicht weniger um Liebe als um Obsession:

Wie ein Duft
bist du mir zuhanden,
all meine um Wachheit
ringenden Zellen
durchströmst du,
hinterlegst
ein unauslöschliches Merkmal;
Das klingt nach Stigmatisierung, nach Verdinglichung des Gegenübers, nach Fassbarmachung, nach einem annähernd ohnmächtigen Willen zum Greifen-wollen. Vokabeln und Satzteile wie "zuhanden", "um Wachheit ringenden Zellen", "unauslöschliches Merkmal" erzeugen diesen Eindruck in mir. Ähnlich geht es weiter in der zweiten Strophe:

und kehrtest du ein
auf einem neu erblühten Stern,
müsste ich grundstürzend
dort dich wiederfinden,
um der Essenz willen,
die du in mich gelegt.
"Grundstürzend", ein schönes Wort, allerdings ein verzweifeltes. Der Eindruck von Zwang bekräftigt sich durch ein Wort wie "müssen" natürlich. Und die "Essenz (...), / die du in mich gelegt", klingt nach Brandmal, nicht nach Knutschfleck.

Wollen wir Essenzen befriedigen, oder Menschen?

Grüße,
Prosa.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Prosaiker,

ich dachte mir schon, dass Du "Das Parfum" von Süskind meinst, allerdings kenne ich weder den Roman noch den Film.

Ich verstehe auch alle Deine gedanklichen Assoziationen, und ich finde das sehr interessant, welch unterschiedliches Denken Wörter auslösen können.

Du hast natürlich Recht, dass es mir hier um Esoterik geht. Von da aus betrachtet klingen nun alle Wörter anders, denke ich.

"Ich werde dich erkennen." Schon in der Bibel wird "und sie erkannten" einander" das Wort erkennen für "lieben" benutzt.

"zuhandensein" heißt einfach "wirksam sein". Die Hände sind ja die Körperteile, die am meisten handeln, arbeiten, etwas bewirken.

Die "um Wachsamkeit ringenden Zellen" bedeutet hier für mich, dass es dem Menschen gar nicht immer so leicht fällt, einen anderen zu lieben, dass er ja vieles überwinden muss, wo es ihm Mühe macht, den anderen so anzunehmen, wie er ist,denn wir sind nun mal keine Halbgötter. Also wachsame Zellen bedeutet, dass der Mensch achtsam sein sollte, um die Liebe zu dem anderen aufrecht erhalten zu können.

Aber wenn das gelingt, und er wird wiedergeliebt, dann entsteht da etwas Unauslöschliches zwischen den Beiden, das so stark ist, dass sie sich geradezu bis auf den Grund ineinander hineinstürzend, weil sie ja einander kennen, wiederfinden müssen.
Das "müssen" bezieht sich also auf auf eine Gestzmäßigkeit, die der Liebe innewohnt und ist hier als Trost und als ein Versprechen und nicht als Drohung gemeint.

Die "Essenz" aber ist das "Essentielle", also das Grundaroma dieses Duftes, welches die Liebe des anderen in das Lyri hinein geströmt hat, weil es das Lyri liebt.

So habe ich das also gemeint.

Danke für deine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Text! :)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Danke

Ganz herzlich danke ich für die Bewertungen, lieber Walther und liebe(r) anonymer Bewerter(in), fühle ich mich nun doch verstanden. "freu"

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

da schreibt man Liebesgedichte, die wirklich ein kleines Kunststück sind - und (fast) keine(r) merkt's. :)

Zum Glück haben wir noch die, denen das Werk gewidmet ist - die wissen das selbst dann zu schätzen, wenn es einmal nicht so gelungen ist. ;)

Mir ergeht es mit meiner November Rose http://www.leselupe.de/lw/titel-November Rose-85472.htm ähnlich. An anderer Stelle von anderen Kennern als eines meiner Highlights gelobt, krebst es hier im Dunkel des Vergessen- und Übersehenwerdens. So ist das mit Sprachkunststückchen, sie sind eben dem Gefallen und der augenblicklichen Stimmungslage der LeserInnen unterworfen. Und allen rechtmachen, das klappt eh nie.

In diesem Sinne weiter frohes Dichten und Werken. Die Welt ist schlecht, wie wir wissen. Unsere Aufmerksamkeit füreinander gelegentlich auch. :D

Lieber Gruß W.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Liebe Vera-Lena,

ich habe ein Verständnisproblem:

Wenn der Duft "durchströmt", ist er ja schon_innerhalb_eines Gefäßes/Wesens/wie auch immer.

Du schreibst in der zweiten Strophe "und kehrtest du ein".

Dort ist er aber meinem Verständnis nach bereits, wenn er "durchströmt"?

Viele Grüße von Zeder
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Zeder,

ich glaube, ich weiß, wass Du meinst.

Ja sicher, kehrt er ein auf einem neu erblühten Stern, wird er auch dort seinen Duft verströmen, aber das Lyri wird ihn wiedererkennen, weil es seinen Duft schon vor längerer Zeit"in sich aufgenommen hat" eben durch das Wachhalten der Zellen.

Es wird ja nicht jeder den Duft aufnehmen.

So habe ich das gemeint.

Danke für deine Antwort! Ich hoffe jetzt wird es klarer.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

für Deine Novemberrose konnte ich mir noch nicht genügrnd Zeit nehmen. Mal sehen, wann das klaptt.Aber danach hast Du ja schon wieder ein überragendes Werk eingestellt.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
inhaltlich ein tiefgründendes Liebesgedicht. Allerdings frage ich mich, warum du es mit solch "altsprachlichen" Wendungen wie "bist du mir zuhanden gekommen etc." versehen hast. Ich denke, "sich riechen zu können" ist ein zeitloser Begriff.
Gern gelesen!
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Manfred,


Dir entgehen doch nie die interssanten Kleinigkeiten. Ja, das "Zuhanden-sein" ist nicht mehr so gebräuchlich zur Zeit. Ich las es, (den Autor verrate ich nicht) und daraufhin fiel mir das Gedicht ein. Da hatte ich natürlich dann gar keine Lust,dieses Wort durch ein anderes zu ersetzen, im Gegenteil, jetzt wird mich dieser Text immer an das Sachbuch,das ich gerade las, erinnern. Außerdem finde ich, dass es sich im Zusammenhang des Gedichts wirklich gut ausnimmt.

Ich besitze ein "Kleines Lexikon untergegangener Wörter" von Nabil Osman herausgegeben. Darin stöbere ich manchmal so zu meinem Vergnügen. Da stehen allerdings Wörter drin, die man wirklich nicht mehr verwenden kann, weil sie niemand mehr kennt.
Meerschäumer heißt Seeräuber, wer wüsste das schon.

Zuhanden steht da aber nicht drin, sooooo alt ist das Wort nun auch wieder nicht.

Aber "erkennen" steht da drin und heißt beischlafen, wie ich eben gerade sehe. Im Anhang steht dann auch, warum es diese Wörter nicht mehr gibt. Bei "erkennen" steht, dass der Grund Euphemismus war, also man benutzte das Wort nicht mehr aus einem Schamgefühl heraus und verschleierte die Sache, die das Wort bedeutet, indem man die Sache nun anders benannte. Wir tun das ja heute auch andauernd, um nagativen Dingen einen positiven Anstrich zu verleihen. Heute ist man zB nicht mehr beschäftigt bei der Müllabfuhr,sondern bei der Stadtreinigung. Dies ist nur ein schwaches Beispeil. Mir fällt gerade nichts Anderes ein.

Nun grüße ich Dich mit großer "Frohheit" (das kann man doch noch verstehen) und danke Dir für Deine interessierte Nachfrage. :)

Vera-Lena
 



 
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