Identifikation

Identifikation

Manchmal werde ich gefragt, ob das, was ich schreibe, mein eigenes Leben betrifft, oder ob ich alles erfinde.
Nun, ich denke, schreiben beinhaltet beides. Beziehungsweise bedeutet es auch, dass ich mir andere Schicksale und Leben zu eigen mache. Tatsachen aufzeige, sie jedoch anonym verarbeite. Es kommt darauf an, wie mir diese Geschehnisse begegnen. Aus allem wird ein Mischmasch. Existieren wirkliche Personen bleiben sie namenlos. Und wenn es mir gut gelingt, bleibt als Resümee von anderen Personen: „Das hätte ich auch so erleben können“. Oder: „Genau so ist es mir ergangen.“
Ich möchte behaupten, dass fast jedes Schicksal einen Doppelgänger findet. Ob es Bruchstücke oder Einzelheiten sind, vielleicht die große Linie, spielt dabei keine Rolle. Leben hat eine Melodie, die jeder kennt.
Vielleicht steht nicht jeder unbedingt dazu. Aber wenn er davon liest, es hört, dann wird er eingestehen müssen: „So, ja, genau so, ist es mir geschehen.“
Leben ist wie Startbahnen in einem Stadion. Wie Geleise, die sich nie treffen und doch ohne den gegenseitigen Part nicht existieren können. Leben ist oft eines der einsamsten Dinge, gleichzeitig die Erfüllung von Träumen, Wünschen, der Hoffnungen. Mit dem Gegenpart der Realität, der unerfüllten Wahrheiten, der Tatsachen von meist unerfreulichen Dingen.
Leben, ist Begegnung und Abschied, Freude und Leid, Sein und Nichtsein. Es ist Starre und Beugung, Freundschaft und Feindschaft.
Mit vielen Puzzleteilen aus unzähligen Leben kann ich mich identifizieren. Sie sind wie ein Spiegelbild unter einem Vergrößerungsglas. Lupenrein zeigen sie die Markierungen, Falten, Narben auf der Seele. Tiefgründend Erkenntnisse, die ich vielleicht nie wörtlich ausgesprochen hätte, verlassen mich, schriftlich.
Am Ende heißen sie Lebenserfahrung, Reife. Ich denke, es ist die Möglichkeit die mir gegeben wird und auch der Mut, dies alles auszusprechen.
Dieses Mix aus Leben und scheinbarem Leben, aus Wirklichkeit und Träumen, bleibt trotz allem die Mischung, die nur mir zugehörig ist. Ich bestehe nicht auf dem alleinigen Recht dies alles zu sagen.
Denn aus jedem Mund klingt die Melodie der Worte anders. Jede Tonfolge ist wie ein eigener Lebensweg. Unter anderer Sonne, anderen Meridianen, anderen Lebensgewohnheiten, anderen Zeitaltern.
Niemand kann für sein Sein. Nichts für die Umstände seiner Geburt, die Gene, den Ort, die Weltteile, der Religion, den Gesetzen des Umfeldes und damit des Lebens.
Wir werden, jeder von uns, hineingeworfen, vom Anbeginn der Zeit.
 



 
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