Im Nelkengarten

Phylthia

Mitglied
Im Nelkengarten

Im Nelkengarten
hasten
die Tropfen
über silberne Kelche

Schwarze Schrift
erzählt von
Schmerz

Zoey roch den Sommer. Sie wusste, dass es ihr letzter sein würde, darum sog sie seinen Geruch tiefer ein, als sie es in den Jahren vorher getan hatte. Fast hatte sie das Gefühl, wenn sie starb, würde der Sommer keinen Duft mehr haben. Er würde verschwinden, wie sie verschwinden würde. Die Erde würde sich weiterdrehen.
„Zoey!“ Ihr Kopf flog in die Höhe, als ihr Name von der Straße her gerufen wurde. Ihre beste Freundin Celia, genannt Trash, kam langsam die Auffahrt empor. Niemand wusste, warum sie so genannt wurde oder wer damit angefangen hatte, aber dieser Name gehörte einfach zu ihr. Dann war sie heran, nahm zwei Schritte Anlauf und flankte über die Verandabegrenzung.
„Na, wie geht’s dir?“, fragte Trash fröhlich.
„Das ist mein letzter Sommer. Wie soll’s mir schon gehen?“, erwiderte Zoey und schnitt eine Grimasse.
„Ein guter Grund, ihn noch mehr zu genießen und mit mir runter zum Fluss zu kommen“, sagte Trash.
„Ich habe Kopfschmerzen.“
„Das hast du jeden Tag, also ignoriere sie! Dein Tumor geht nicht weg, also auch deine Schmerzen nicht.“
Zoey grinste ein wenig, wenn ihr auch nicht nach Lachen zu Mute war. Aber Trash brachte sie stets auf andere Gedanken, denn sie ließ sie vergessen, dass sie seit ihrem elften Lebensjahr einen Hirntumor hatte. Tödlich, hatten die Ärzte gesagt, und Zoey und ihre Eltern hatten es akzeptiert.



(Übernommen aus der 'Alten Leselupe'.
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