Immer lauter, immer lauter

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Immer lauter, immer lauter


Es begann vor drei Nächten. Ich hatte meinen neuen Nachbarn noch nicht zu Gesicht bekommen. Vor drei Nächten hörte ich ihn zum ersten Mal. Anfangs war es ein unbestimmtes Murmeln, unterbrochen von Stille und schweren Atmen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich der Unbekannte direkt hinter meiner Schlafzimmerwand befand, mit der Absicht mich teilhaben zu lassen, an seinem undurchdringlichen Gemurmel. Immer neugieriger werdend, lauschte ich an der Wand. Fühlte mich wie ein Gefangener.
Ich kann nicht sagen, ob es sich bei seinem Gemurmel um eine Unterhaltung oder ein Telefonat handelte. Eine zweite Stimme konnte ich nicht vernehmen, und so blieb der Eindruck, dass sich nur eine Person in der anderen Wohnung aufhielt. Vielleicht war aber auch eine zweite Person anwesend, die wie ich zum zuhören verurteilt war. Oder sie setzte der zunehmenden Lautheit der Stimme ein Flüstern entgegen.
Unruhig war seine Stimme, männlich, schwankend in ihren Gefühlen. Freudig erregt, und im nächsten Moment brüchig und klein. Stolz, ängstlich, arrogant, hochnäsig, vor Furcht stotternd, zu Tode erschreckt und erschreckend, lachend und weinend. Dies alles innerhalb weniger Sekunden. Mein Nachbar war ein Gefühlsextremist, und wer immer ihn in diesen Zustand versetzte, musste großen Einfluss auf ihn ausüben.
Immer lauter, immer lauter…….

„…….Nein….Schau dich doch an……….Du hast es nötig. Dreck, Dreck, Dreck……Friss dich, friss dich……Was? Ich bin ein Blender!........Das sagst ausgerechnet du. Alles hättest du werden können…….Alles…..Friss dich……Dreck…..und was bist du geworden Abschaum….Dreck……Du ödest mich an……Zergehst in deinem Selbstmitleid……Öde, dreckiger Abschaum…..Friss dich…….Ich habe es dir immer wieder gesagt………Nichts, nichts…..Ich bin schuld an deinem Elend?........Ha! Mach dich nicht lächerlich…Du wolltest diesen Weg gehen…….Habe ich dich nicht immer wieder gewarnt……Ein lächerlicher Penner bist du geworden…..Friss deinen Dreck……Öde, Öde, Öde……Sei still, sei endlich still……Deine Ausreden können selbst mich nicht mehr erschrecken………Du hast sogar deinen Schrecken verloren…..Friss dich, Friss dich, Friss dich…….Denkst du nicht auch, dass dein Tod eine Erlösung für alle wäre?....Für mich auch? In allererster Linie für mich……du öder Dreck du………Ich denke es wird
Zeit…….Zeit dich zu fressen, du öder Dreck…“

So laut war er noch nie. Völlig in Rage schrie er wie von Sinnen……..

„…..Ich bringe dich um, du Stück Dreck…….Ich bring dich um…..Erlösung, Erlösung, Erlösung……Ich hasse dich, hasse dich……weg,weg,weg…..

Glas splitterte und mein Nachbar schrie so erbärmlich, dass mir die Haare zu Berge standen. Ich rannte hinaus zu seiner Wohnungstür. Alles war ruhig. Auf seinem Namensschild stand mein Name. Mein Name? Die Tür war nicht verschlossen. Ich öffnete sie und betrat vorsichtig die Wohnung. Überall Spiegel. An den Wänden, den Decken und Fußböden…Spiegel! Alle waren zerbrochen. Mein Blick verfing sich in einem der zerbrochenen Spiegel. Ich sah mein zerfetztes Abbild, verstand und schrie.
Immer lauter, immer lauter……..
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Traveller,
bevor ich dir eine Antwort geben kann, muß ich ein Gespräch mit meinem Therapeuten führen....
Hallo Verdichter-Lieschen,
was für ein Name! Ja, die Geschichte geht weiter....Täglich

lG Otto
 



 
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