Immer stehst du am Anfang

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kata

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Die Tage wurden länger. Als ob er eben zum Leben erwacht sei, fliegt der erste Zitronenfalter durch den lichterfüllten Wald. Ohne Schutz hat er den Winter verbracht. Strenger Frost konnte ihm nichts anhaben. Einfach irgendwo an windgeschützter Stelle festgeklammert, hat er den Unbilden von Schnee und Kälte standgehalten. Man möchte es kaum glauben, daß ein so zartes Gebilde wie ein Schmetterling dies aushält.

Das Buschwindröschen hat einen prächtigen Blütenteppich über den Waldboden gebreitet. Im Zentrum der großen weißen Anemonenblüten leuchten die Staubgefäße gelb. Solange die Bäume noch keine Belaubung tragen, kann das Licht ungehindert den Boden erreichen. Von Weiß zu leuchtenden Farben entwickelt sich die Palette der Frühlingsblüten. Schneeglöckchen und Christrosen sind die ersten, die unter dem Einfluß der länger werdenden Tage durch die Schneedecke kommen. Auf diesen „weißen Aspekt“ folgen ein blauer bis violett-roter Krokus, Leberblümchen und Schneeheide. Schlüsselblumen und verwilderten Forsythien kommen im gelben Kleid, und wo die Sonnenstrahlen direkt auftreffen, öffnen sich die Palmkätzchen zuerst und schieben die gelben Staubgefäße hervor. Hasselnuß und Erlen, vom Wind bestäubt, sind längst verblüht, die Tage merklich länger und wärmer geworden. Noch dringt die Sonne bis zum Waldboden und zu den niedrigen Blumen im Gras.

Im Frühling laufen die Vorgänge in der Natur oft nach recht strengen Regeln ab. Die meisten Zugvögel kehren zu ganz bestimmten Zeiten zurück. Ob das Wetter gut oder schlecht ist, hat nur wenig Einfluß. Die länger werdenden Tage sind die besseren, die zuverlässigeren Zeitgeber, nach denen dich die Natur richtet. Die zurückgekehrten Singvögel haben ihre Reviere besetzt. Die Männchen singen unermüdlich. Die Phase des überreichen Nahrungsangebotes tritt ein. An den Bäumen und Büschen wimmelten Insekten, besonders Raupen und andere Larven. Dafür lohnte sich der weite Flug über Wüste, Meer und Gebirge. Und das Licht veranlaßt die Menschen, ihre Last weniger schwer zu ertragen und unerschrocken den Tag zu verfolgen. Die Melancholie, wie der Staub auf der Seele, und die Resignation verlieren jetzt ihren durchsichtigen Schleier; nur die Hoffnung kann nun mit einem gewissen Charme Bedeutsames hervorbringen und die bloße Gewißheit, daß sich ständig alles verändert.

Die Welt da draußen vor der Tür läßt sich noch im Glauben formen. Und kein Zweifel darf sich vermehren. Hoffen wir auf das, was wir nicht sehen können, denn immer wieder gibt es auch eine Pause, eine kurze, winzige Rast, ein Aufatmen; dann aber geht es weiter, und man ist wieder eine der tausend Figuren im wilden und verzweifelten Tanz des Lebens. Tao schrieb über die Jahreszeiten: „Der Weg des Himmels streitet nie, und doch bleibt er Sieger; er spricht nicht, und doch gibt er Antwort; er fragt nach nichts, und doch kommt alles von selbst; er wirkt gelassen, und doch verläuft alles nach genauen Plänen. Das Netz des Himmels, gestrickt aus Liebe und Geborgenheit ist groß und weit. Obwohl die Maschen groß sind, entschlüpft ihm nichts“.

Von der Veranda aus betrachtete Maria jeden Abend den tiefen schwarzblauen Himmel mit unzähligen silbernen Sternen und dankte ihrem Gott, ihr erlaubt zu haben, die wunderschöne Architektur seines Universums bewundern zu dürfen. Jeder Tag ist ein kleines Leben, jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend und jedes Zubettgehen und Einschlafen ein kleiner Tod. Kraft und Mut durchflossen ihren ausgelaugten Körper, als ob Gott an sie herantreten wollte. Der Eindruck einer kompakten Materie, half ihr, sich nicht allein vorzukommen. Sie erinnerte sich an das, was in der Bibel steht: „Denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“, und „nähert euch Gott, und er wird sich euch nähern“. Ganz genau wußte sie, daß alles einen Sinn hat und dessen Name nicht die Schwachheit heißt, im Gegenteil. Die Jahre hinter ihr sind flüchtig entglitten, und aufs Neue wird sie den Weg in der Mitte wählen, denn dieser wird am sichersten sein. Das Leben wird verhandelt, und neue Kompromisse werden gesucht. Und sie wird sich weiterhin dem Unbekannten fügen müssen. Das sind die Gedanken, mit denen wir uns reich oder arm machen, zum Bettler oder zum Dieb. Unsere Seele hat einen Zauber in sich, dem wir vertrauen dürfen; sie sucht das Ganze und ist bestrebt, jede Lücke und jeden Mangel auszugleichen. Ist dies alles ein Melodram oder ein Geschenk? Auf jeden Fall ist es ein kurzer Traum.

Marias Verbundenheit mit der Natur und deren wechselnden Launen definierte sich in ihr, als ein Freund. Die Mächte der Natur ließen sie nur noch realistischer werden. Auf keine der vielen Naturbewegungen konnte sie Einfluß ausüben. Ständig spürte sie den Rhythmus des Lebens, traute ihren Intuitionen und ihrem Herzen, das ohne Zweifel war und keine Antworten dringend brauchte. Da, wo der Glaube so stark in ihrer Seele glühte, da waren auch die Wahrheit und die Einsicht in das Wechselspiel des Lebens, die ihr die Weisheit schenkten, die jetzige Zeit zu genießen. Beten war das Atmen ihrer Seele. Ohne lebendiges Beten stirbt der Glaube, erstickt allmählich auch das Leben – davon war sie ständig überzeugt.

In jedem von uns leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt. Die Menschen gehen durch die Welt, und jeder grübelt über ein großes Märchen nach, das ihm in so grellen Farben ausgemalt wird, als spiele es sich vor seinen Augen ab. So hat jeder eine geheime Bühne, ein eigenes Theater, und jeder geht in sein Kämmerlein und läßt sich das Stück zu Ende spielen als sein einziger Zuschauer.

Maria gab ihrem dreizehnten Kind den Namen Antonio und taufte ihn in einer kleinen Kapelle, die sie nunmehr mit ihm auf den Arm, immer öfter besuchte. Den Rosenkranz trug sie ständig bei sich und suchte nach einer Lösung, suchte die Wellen, die Veränderung bringen sollten. Es war ihr klar, daß sie dem Weg, was die Kräfte zwischen Himmel und Erde ihr zugeteilt hatten, weiter vertrauen mußte. Sie ist ein Kind Gottes, und ihre Kinder sind Gotteskinder, und wenn Gott für sie ist, wer soll dann gegen sie sein. In der Dunkelheit wohnt auch das Licht. Im Strome der Zeit trieb Maria dahin und versuchte ständig den Himmel in sich zu tragen. Und Frommsein bedeutete zu dieser Zeit nur Vertrauen.

Lucas, Marias Mann, wurde mit der Zeit wahnsinnig und sein Leben erlosch langsam in Qualen seines Gewissens. „Das Gewissen“, sagte einmal ein alter Indianer, „ist ein kleines dreieckiges Ding in meinem Herzen. Es steht still, wenn ich gut bin. Tue ich aber böses, dreht es sich, und die Kanten tun dann sehr weh. Am schlimmsten ist, wenn ich weiterhin böse bin, denn dann stumpfen die Kanten ab, und ich spüre die Schmerzen nicht mehr“.

Der Tag erhellte gerade erst im Schimmer des Morgenrots im geöffneten Fenster, und das Licht reichte jedoch aus, um sofort die Autorität des Todes zu erkennen. Noch ein Vater wird im Grab schweigen müssen. Lukas war ein Trinker und ein Tyrann. Seine Schatten gehörten zu ihm und wanderten mit ihm mit. Diese unbekannte, begleitende dunkle Person agierte hinter seinen Rücken unbewusst wie eine selbständige Person.
In der Luft war so etwas wie Erlösung zu spüren, deshalb traute keiner diesem unbeugsamen Charakter nach.
Trotzdem hatte Lucas ein schönes Begräbnis mit Blechmusik erhalten. Nun liegt er in geweihter Erde. Hunderte von Menschen begleiteten in Stille seinen Sarg voller Blumen, mehr vielleicht aus einer Routine, als aus Respektabilität, die Lucas vor langer Zeit erlangte und genauso brutal verlor. Für diese frommen Menschen war der Tod nichts Außergewöhnliches, ein Bestandteil und eine Aufgabe des Lebens und nur eine Macht diktiert, wann die Zeit zum Leben und zum Sterben gekommen ist. Jeder, der zur Welt kommt ist Windhauch und muß sterben. Ein Mensch geht zu seinem „ewigen Haus“ und die klagenden ziehen durch die Straßen.

Nie war Lucas ganz Marias gewesen, aber sie begleitete ihn mit einer Hingabe und einer unterwürfigen Zärtlichkeit, die allzusehr der Liebe ähnelte, die eigenartig, aber nicht künstlich war. Maria wurde zur Frau in schwarz. Unerschrocken in ihrer schwarzen Kleidung führte sie einen unerbittlichen Kampf gegen die zerstörerische Vergänglichkeit. Strenge Trauer und Würde ihres Leidens war mehr als deutlich zu erkennen. Ihr Gesicht war wie ein schwaches Lächeln, eine Gefühlsstausprengung. Tausend geweinten Tränen aufgehoben im Dunkel, tosend wie die Brandung im Meer der Einsamkeit.

Allmählich versuchte sie ihre Traurigkeit in eine Art Sehnsucht und ihre Einsamkeit in Erinnerung zu verwandeln. Diese Einsamkeit fühlte sich wie eine gefrorene Landschaft um sie. „Wann war es das letzte Mal, daß du jung gewesen bist?“, -fragt sie sich und die Erinnerungen kommen langsam in Fluß, bewegen sich wie Stromschnelle. Maria haßte den Tod nicht, ihre Trauer war doch ohne Verzweiflung, sie fürchtete ihn nicht und betrachtete den Tod als eine Art Verwandlung in der wir uns nur in Form verlieren.

Der Wind blätterte rauschend die Seiten ihres verstaubtes Vergangenheitsbuches um: Sie erinnerte sich an die schöne Augenblicke ihres Lebens, an die Bilder ihrer Jugend und an die Spiele in Weizenkornfeldern. Vor ihren Augen bewegten sich Tanzschritte der Ruhe, Sonnenblumenfelder lachten sie an und die Sonne drängte sich unter ihren Augenliedern. Alles was sie wollte, war, die Augenblicke festhalten, sei es nur für Sekunden. Aber sie erloschen so unvermutet, wie sie gekommen sind. Was man ihr nicht rauben konnte, war ihre Religion und ihr Stolz, und sie fühlte sich wie eine Rose, die ihr Herz immer aufrecht trägt, obwohl sie vom Wind gebeugt und von Dornen geplagt wird. Maria bewegte sich nicht, sie stand in einer merkwürdigen Einsamkeit, ruhig wie ein Bild, und sehr schön. In ihrem Blick war kein Verlangen, keinerlei Begierde, nur stauende Hingabe, dankbares Entzücken. Je stiller sie wurde, desto mehr konnte sie hören.

Die schwarze Kleidung wurde nie mehr abgelegt. „Morgen kommt ein neuer Tag“ -, dachte sie bei der Beerdigung des Mannes, der ihr Leben zur Hölle machte, der ihr jedoch einen gesunden Reichtum hinterließ, ihre gesunden Kinder. „Sie sind doch alle gesegnet!“ -, flüsterte sie voller Dankbarkeit. Die Zukunft hat viele Namen: für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.

Mit der Zeit wurde Maria immer frommer und ihre Alltagskämpfe liefen unermüdet weiter. Nur, bei wem kann sie jetzt ihr mißhandeltes Herz ausschütten? Sie schaffte sich eine eigene Welt, eine Kathedrale, eine Quelle, aus der sie die Kraft zu sich nahm. Diese ihre Welt war mit harter Disziplin verbunden.

Die Tage wurden noch länger. Und das Licht beeinflußte die Menschen, ihre Last weniger schwer zu ertragen, und unerschrocken den Tag zu verfolgen. Die Melancholie, wie der Staub auf der Seele, und die Resignation verlieren jetzt ihren durchsichtigen Schleier – nur die Hoffnung kann jetzt mit einem gewissen Charme und Bedeutungen resultieren und die bloße Gewißheit, daß sich ständig alles verändert. Die Welt da draußen vor der Tür läßt sich noch im Glauben formen. Und kein Zweifel darf sich fortpflanzen. Hoffen, auf das, was wir nicht sehen können und aushalten in geduldiger Erwartung. Und immer wieder gibt es auch eine Pause, eine kurze, winzige Rast, ein Aufatmen, aber dann geht es weiter und man ist wieder eine der tausend Figuren im wilden und verzweifelten Tanz des Lebens.

Von der Veranda aus betrachtete Maria jeden Abend den Hintergrund des schwarzblauen Himmels mit unzähligen silbernen Sternen, und dankte ihren Gott, ihr erlaubt zu haben, diese wunderschöne Architektur seines Universums bewundern zu dürfen.
Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, und jedes Zubettgehen und Einschlafen ein kleiner Tod.

Kraft und Mut durchflossen ihren ausgesaugten Körper, als ob Gott an sie herantreten wollte. Der Eindruck einer kompakten Materie, ließ sie nicht alleine vorkommen. Sie erinnerte sich an das, was in der Bibel stand: „Denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“, und „nähert euch Gott, und er wird sich euch nähern“. Ganz genau wußte sie, daß alles einen Sinn hat und ihr Name hieß nicht Schwachheit, im Gegenteil. Die Jahre hinter ihr entglitten flüchtig, und den Weg in der Mitte zu gehen, wird sie erneut wählen, denn, der wird am sichersten sein. Das Leben wird verhandelt und neue Kompromisse werden gesucht. Und sie wird sich weiterhin, dem Unbekannten fügen müssen. Das waren die Gedanken mit denen wir uns alle reich oder arm machen, zum Bettler oder zum Dieb. Unsere Seele hat einen Zauber in sich, dem wir vertrauen dürfen, sie sucht das Ganze und ist bestrebt, jede Lücke und jeden Mangel auszugleichen. Ist dies alles ein Melodram oder ein Geschenk? Auf jeden Fall ist es ein kurzer Traum. Das Leben läßt sich nicht tauschen und auch nicht abweisen.

Dessen ungeachtet wird Maria in täglicher Pflichterfüllung den Trost finden und das Leben begreifen. Für jede neue Herausforderung wird sie bereit sein, ohne die Möglichkeit, sich der Angst und dem Zweifel unterwerfen zu müssen. Sich zu bemitleiden wäre irrsinnig, nur für ihre inneren Feinde wäre dies ein Triumph. Die Gefühle in ihrem Herzen fehlten nicht, daß wußte sie, denn ohne diese Gefühle, würde sie in einem imaginären Leben auch nicht glücklicher. Nur die Liebe, diese reine Liebe, die sie in sich trug, kann alles Weitere bewältigen und allem einen Sinn geben. Manchmal vermag uns ein durch den Asphalt brechender Löwenzahn die tägliche Frage nach dem Sinn des Lebens eindrücklicher und überzeugender zu beantworten, als eine ganze Bibliothek philosophischer Schriften.

Maria hat nie etwas verlangt. Nur das Geben kannte sie zu gut. War Maria eine Sklavin? Gewiß doch, aber im Geiste war sie eine freie Frau. Und wer kann von sich auch sagen, daß er kein Sklave sei, Sklave der Habsucht, der Angst oder Sklave der Wollust?
Jeder Mensch ist einmalig und es gibt weder zwei gleiche Menschen, noch zwei gleiche Blätter auf einem Baum. Das Rad der Entwicklung dreht sich weiter. Jeder Mensch ist nicht nur er selber, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder. Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig, ewig, göttlich, darum ist jeder Mensch solange er irgend lebt und den Willen der Natur erfüllt, wunderbar und jeder Aufmerksamkeit würdig. In jedem leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt.

Es wurde dunkler. Ein feiner Regen begann zu fallen.
Wird Maria ein geteilter Mensch werden? Wird ihr das Leben weiterhin mit Würde begegnen? Oder sie wird das Leben, das Schicksal, die Gegenwart und sogar die ungewisse Zukunft in ihrer Ohnmacht verdammen? Hat Maria etwa die ganze Zeit falsch gebetet, gibt es eine wirksame Waffe gegen Tragödien? Und sie kamen unvermutet mit einem neuen Tag voller Fragen, auf die sich Antworten schämten und sich feigherzig versteckten. Langsam traten lauter Virtuosen der Schwäche hervor und zeigten Dominanz, die Maria nie im Stande sein wird, sie zu verstehen. Die Zeit verbraucht alles. Sie läßt sich nicht aufhalten und dagegen sind wir machtlos. Und wen nichts Bedeutendes, nichts Größeres geschieht, werden wir in blinder Eifer, auf der Suche nach dem verlorenen Paradies sein.

Noch ein Frühling hat sich verabschiedet, noch ein Sommer hat sich entfernt, der Herbst schleicht sich heimlich ein. Lange hielt sich in diesem Herbst das Laub an dem hohen Walnußbaum vor dem Haus im Hof, lange gab es im Garten noch Astern und Rosen und verwelkte Blätter berichteten über Vergänglichkeit und über den Wandel der Jahreszeiten. Kornfelder stehen leer und ohne Blick und der Himmel läßt seine formlose Wolken herab hängen und in jedem Augenblick scheint es, als ob er zu neuen Regengüssen bereit ist. Die Welt, die vor kurzem noch in Sommerfülle und Sonnenwärme geatmet hatte, roch bang und bitter nach Herbst. Gegen Abend wurde es klarer am Himmel. Doch die Hoffnung auf weiteren hellen Tag war weg, über Nacht ging alles wieder verloren. Es regnete tagelang und es wurden keine Farben mehr gesehen, nur noch Konturen und Profile.

Maria bemerkte, daß sie angespannt war und da eine unerklärte kalte Angst sie jagte und sie unsicher fühlen lies. Sie fing an voller Hoffnung zu beten, und lauschte, ob sie das Rauschen der Engelsflügel hören würde, der ihr die Freude und ihre eigene Magie zurückbringen sollte. Was hat sie übersehen? Will sie versuchen, das Schicksal zu begreifen? Es wurde dunkler, als ob eine schwarze Wolke über ihr Schicksal schweben würde. Nun beneidet sie kleinheimlich die Berge, die unverändert an ihrem Platz bleiben, hart sind. Und wir, wir werden geboren, leiden, sterben und haben keine Macht und unser Berg wächst immer höher an Ballast, den wir mit uns herumschleppen. Maria fühlte sich so, als hätte sie jahrelang immer denselben Tag gelebt.

„Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zu rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles was er tut, wird ihm gut gelingen“ (Psalm 1,3). Marias Gebet wurde lauter. „Sei mir gnädig, o Gott, sei mir gnädig, denn ich flüchte mich zu dir. Im Schatten deiner Flügel finde ich Zuflucht, bis das Unheil vorübergeht!“
Das wichtigste in unserem Leben ist das Morgen. Um Mitternacht kommt der junge Tag, rein und unbefleckt, und begibt sich in unsere Händen, hoffend, daß wir vom Gestern gelernt haben. Und die Liebe? Es gibt einen wunderbar klingenden Spruch: „Gott ist Liebe. Wer in der Liebe wohnt, wohnt in Gott und Gott in ihm“.
Ewig ist das Gesetz der Wandlung und das größte ist der Glaube an die Kraft Gottes und an die Mutter Natur.

Was Maria nicht ändern konnte, hat sie ertragen. Ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende – ihre Reise zur Kraft, dem Himmel entgegen.

In dieser Nacht hängte sich ihre älteste Tochter auf.
Der Walnußbaum schwieg.
 

nachts

Mitglied
Ich hab den Text jetzt (sogar)zweimal gelesen und wollt ihn eigentlich nicht kommentieren - weil er so gar nicht mein Thema ist.
Er besticht durch eine schöne Sprache - ist sehr aufwendig - ich hab das Bild von einer großflächigen filigranen Stickerei (ich kann nicht mal häkeln - mir fehlt die Geduld)
Manche Dinge schreibst du aus einer sehr objektiven Perspektive - das erweckt fast den Eindruck du möchtest ein/dein Weltbild vermitteln - (vielleicht irre ich mich total) wenn das die Intension ist - dann ist es mir zu direkt/belehrend
LG Nachts
 

Balu

Mitglied
Nie war Lucas ganz Marias gewesen, aber sie begleitete ihn mit einer Hingabe und einer unterwürfigen Zärtlichkeit, die allzusehr der Liebe ähnelte, die eigenartig, aber nicht künstlich war.

das hier mag für mich die beeindruckendste stelle sein

aber auch nur eine von vielen

durch deine gewählte sprache kommt die gläubigkeit der maria sehr gut bei mir an

und doch ist sie eine frau, die sich immer wieder selbst findet und spürt, was für mich widerum in ihrem echten glauben begründet ist

ja, fromm sein hat heute einen sehr negativen beigeschmack bekommen und eine völlig andere bedeutung

ein text, der mich einfangen konnte
danke dafür

Knut
 

Ellen

Mitglied
Sehr schön erzählt, man kann sich sehr gut in die Geschichte einfühlen.

Dennoch hab ich eine Frage
Zuerst dachte ich ich hab mich geirrt deshalb ging ich wieder zum Anfang der Geschichte und ja, ich hatte mich nicht geirrt :)

Irgenwie hab ich das Gefühl dass es von dir so gewollt war
aber ich will mich doch vergewissern

diesen Abschnitt hast du zweimal geschrieben:


Von der Veranda aus betrachtete Maria jeden Abend den Hintergrund des schwarzblauen Himmels mit unzähligen silbernen Sternen, und dankte ihren Gott, ihr erlaubt zu haben, diese wunderschöne Architektur seines Universums bewundern zu dürfen.
Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, und jedes Zubettgehen und Einschlafen ein kleiner Tod.

Kraft und Mut durchflossen ihren ausgesaugten Körper, als ob Gott an sie herantreten wollte. Der Eindruck einer kompakten Materie, ließ sie nicht alleine vorkommen. Sie erinnerte sich an das, was in der Bibel stand: „Denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“, und „nähert euch Gott, und er wird sich euch nähern“. Ganz genau wußte sie, daß alles einen Sinn hat und ihr Name hieß nicht Schwachheit, im Gegenteil. Die Jahre hinter ihr entglitten flüchtig, und den Weg in der Mitte zu gehen, wird sie erneut wählen, denn, der wird am sichersten sein. Das Leben wird verhandelt und neue Kompromisse werden gesucht. Und sie wird sich weiterhin, dem Unbekannten fügen müssen. Das waren die Gedanken mit denen wir uns alle reich oder arm machen, zum Bettler oder zum Dieb. Unsere Seele hat einen Zauber in sich, dem wir vertrauen dürfen, sie sucht das Ganze und ist bestrebt, jede Lücke und jeden Mangel auszugleichen. Ist dies alles ein Melodram oder ein Geschenk? Auf jeden Fall ist es ein kurzer Traum. Das Leben läßt sich nicht tauschen und auch nicht abweisen.
 

kata

Mitglied
Die Tage wurden länger. Als ob er eben zum Leben erwacht sei, fliegt der erste Zitronenfalter durch den lichterfüllten Wald. Ohne Schutz hat er den Winter verbracht. Strenger Frost konnte ihm nichts anhaben. Einfach irgendwo an windgeschützter Stelle festgeklammert, hat er den Unbilden von Schnee und Kälte standgehalten. Man möchte es kaum glauben, daß ein so zartes Gebilde wie ein Schmetterling dies aushält.

Das Buschwindröschen hat einen prächtigen Blütenteppich über den Waldboden gebreitet. Im Zentrum der großen weißen Anemonenblüten leuchten die Staubgefäße gelb. Solange die Bäume noch keine Belaubung tragen, kann das Licht ungehindert den Boden erreichen. Von Weiß zu leuchtenden Farben entwickelt sich die Palette der Frühlingsblüten. Schneeglöckchen und Christrosen sind die ersten, die unter dem Einfluß der länger werdenden Tage durch die Schneedecke kommen. Auf diesen „weißen Aspekt“ folgen ein blauer bis violett-roter Krokus, Leberblümchen und Schneeheide. Schlüsselblumen und verwilderten Forsythien kommen im gelben Kleid, und wo die Sonnenstrahlen direkt auftreffen, öffnen sich die Palmkätzchen zuerst und schieben die gelben Staubgefäße hervor. Hasselnuß und Erlen, vom Wind bestäubt, sind längst verblüht, die Tage merklich länger und wärmer geworden. Noch dringt die Sonne bis zum Waldboden und zu den niedrigen Blumen im Gras.

Im Frühling laufen die Vorgänge in der Natur oft nach recht strengen Regeln ab. Die meisten Zugvögel kehren zu ganz bestimmten Zeiten zurück. Ob das Wetter gut oder schlecht ist, hat nur wenig Einfluß. Die länger werdenden Tage sind die besseren, die zuverlässigeren Zeitgeber, nach denen dich die Natur richtet. Die zurückgekehrten Singvögel haben ihre Reviere besetzt. Die Männchen singen unermüdlich. Die Phase des überreichen Nahrungsangebotes tritt ein. An den Bäumen und Büschen wimmelten Insekten, besonders Raupen und andere Larven. Dafür lohnte sich der weite Flug über Wüste, Meer und Gebirge. Und das Licht veranlaßt die Menschen, ihre Last weniger schwer zu ertragen und unerschrocken den Tag zu verfolgen. Die Melancholie, wie der Staub auf der Seele, und die Resignation verlieren jetzt ihren durchsichtigen Schleier; nur die Hoffnung kann nun mit einem gewissen Charme Bedeutsames hervorbringen und die bloße Gewißheit, daß sich ständig alles verändert.

Die Welt da draußen vor der Tür läßt sich noch im Glauben formen. Und kein Zweifel darf sich vermehren. Hoffen wir auf das, was wir nicht sehen können, denn immer wieder gibt es auch eine Pause, eine kurze, winzige Rast, ein Aufatmen; dann aber geht es weiter, und man ist wieder eine der tausend Figuren im wilden und verzweifelten Tanz des Lebens. Tao schrieb über die Jahreszeiten: „Der Weg des Himmels streitet nie, und doch bleibt er Sieger; er spricht nicht, und doch gibt er Antwort; er fragt nach nichts, und doch kommt alles von selbst; er wirkt gelassen, und doch verläuft alles nach genauen Plänen. Das Netz des Himmels, gestrickt aus Liebe und Geborgenheit ist groß und weit. Obwohl die Maschen groß sind, entschlüpft ihm nichts“.

Marias Verbundenheit mit der Natur und deren wechselnden Launen definierte sich in ihr, als ein Freund. Die Mächte der Natur ließen sie nur noch realistischer werden. Auf keine der vielen Naturbewegungen konnte sie Einfluß ausüben. Ständig spürte sie den Rhythmus des Lebens, traute ihren Intuitionen und ihrem Herzen, das ohne Zweifel war und keine Antworten dringend brauchte. Da, wo der Glaube so stark in ihrer Seele glühte, da waren auch die Wahrheit und die Einsicht in das Wechselspiel des Lebens, die ihr die Weisheit schenkten, die jetzige Zeit zu genießen. Beten war das Atmen ihrer Seele. Ohne lebendiges Beten stirbt der Glaube, erstickt allmählich auch das Leben – davon war sie ständig überzeugt.

In jedem von uns leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt. Die Menschen gehen durch die Welt, und jeder grübelt über ein großes Märchen nach, das ihm in so grellen Farben ausgemalt wird, als spiele es sich vor seinen Augen ab. So hat jeder eine geheime Bühne, ein eigenes Theater, und jeder geht in sein Kämmerlein und läßt sich das Stück zu Ende spielen als sein einziger Zuschauer.

Maria gab ihrem dreizehnten Kind den Namen Antonio und taufte ihn in einer kleinen Kapelle, die sie nunmehr mit ihm auf den Arm, immer öfter besuchte. Den Rosenkranz trug sie ständig bei sich und suchte nach einer Lösung, suchte die Wellen, die Veränderung bringen sollten. Es war ihr klar, daß sie dem Weg, was die Kräfte zwischen Himmel und Erde ihr zugeteilt hatten, weiter vertrauen mußte. Sie ist ein Kind Gottes, und ihre Kinder sind Gotteskinder, und wenn Gott für sie ist, wer soll dann gegen sie sein. In der Dunkelheit wohnt auch das Licht. Im Strome der Zeit trieb Maria dahin und versuchte ständig den Himmel in sich zu tragen. Und Frommsein bedeutete zu dieser Zeit nur Vertrauen.

Lucas, Marias Mann, wurde mit der Zeit wahnsinnig und sein Leben erlosch langsam in Qualen seines Gewissens. „Das Gewissen“, sagte einmal ein alter Indianer, „ist ein kleines dreieckiges Ding in meinem Herzen. Es steht still, wenn ich gut bin. Tue ich aber böses, dreht es sich, und die Kanten tun dann sehr weh. Am schlimmsten ist, wenn ich weiterhin böse bin, denn dann stumpfen die Kanten ab, und ich spüre die Schmerzen nicht mehr“.

Der Tag erhellte gerade erst im Schimmer des Morgenrots im geöffneten Fenster, und das Licht reichte jedoch aus, um sofort die Autorität des Todes zu erkennen. Noch ein Vater wird im Grab schweigen müssen. Lukas war ein Trinker und ein Tyrann. Seine Schatten gehörten zu ihm und wanderten mit ihm mit. Diese unbekannte, begleitende dunkle Person agierte hinter seinen Rücken unbewusst wie eine selbständige Person.
In der Luft war so etwas wie Erlösung zu spüren, deshalb traute keiner diesem unbeugsamen Charakter nach.
Trotzdem hatte Lucas ein schönes Begräbnis mit Blechmusik erhalten. Nun liegt er in geweihter Erde. Hunderte von Menschen begleiteten in Stille seinen Sarg voller Blumen, mehr vielleicht aus einer Routine, als aus Respektabilität, die Lucas vor langer Zeit erlangte und genauso brutal verlor. Für diese frommen Menschen war der Tod nichts Außergewöhnliches, ein Bestandteil und eine Aufgabe des Lebens und nur eine Macht diktiert, wann die Zeit zum Leben und zum Sterben gekommen ist. Jeder, der zur Welt kommt ist Windhauch und muß sterben. Ein Mensch geht zu seinem „ewigen Haus“ und die klagenden ziehen durch die Straßen.

Nie war Lucas ganz Marias gewesen, aber sie begleitete ihn mit einer Hingabe und einer unterwürfigen Zärtlichkeit, die allzusehr der Liebe ähnelte, die eigenartig, aber nicht künstlich war. Maria wurde zur Frau in schwarz. Unerschrocken in ihrer schwarzen Kleidung führte sie einen unerbittlichen Kampf gegen die zerstörerische Vergänglichkeit. Strenge Trauer und Würde ihres Leidens war mehr als deutlich zu erkennen. Ihr Gesicht war wie ein schwaches Lächeln, eine Gefühlsstausprengung. Tausend geweinten Tränen aufgehoben im Dunkel, tosend wie die Brandung im Meer der Einsamkeit.

Allmählich versuchte sie ihre Traurigkeit in eine Art Sehnsucht und ihre Einsamkeit in Erinnerung zu verwandeln. Diese Einsamkeit fühlte sich wie eine gefrorene Landschaft um sie. „Wann war es das letzte Mal, daß du jung gewesen bist?“, -fragt sie sich und die Erinnerungen kommen langsam in Fluß, bewegen sich wie Stromschnelle. Maria haßte den Tod nicht, ihre Trauer war doch ohne Verzweiflung, sie fürchtete ihn nicht und betrachtete den Tod als eine Art Verwandlung in der wir uns nur in Form verlieren.

Der Wind blätterte rauschend die Seiten ihres verstaubtes Vergangenheitsbuches um: Sie erinnerte sich an die schöne Augenblicke ihres Lebens, an die Bilder ihrer Jugend und an die Spiele in Weizenkornfeldern. Vor ihren Augen bewegten sich Tanzschritte der Ruhe, Sonnenblumenfelder lachten sie an und die Sonne drängte sich unter ihren Augenliedern. Alles was sie wollte, war, die Augenblicke festhalten, sei es nur für Sekunden. Aber sie erloschen so unvermutet, wie sie gekommen sind. Was man ihr nicht rauben konnte, war ihre Religion und ihr Stolz, und sie fühlte sich wie eine Rose, die ihr Herz immer aufrecht trägt, obwohl sie vom Wind gebeugt und von Dornen geplagt wird. Maria bewegte sich nicht, sie stand in einer merkwürdigen Einsamkeit, ruhig wie ein Bild, und sehr schön. In ihrem Blick war kein Verlangen, keinerlei Begierde, nur stauende Hingabe, dankbares Entzücken. Je stiller sie wurde, desto mehr konnte sie hören.

Die schwarze Kleidung wurde nie mehr abgelegt. „Morgen kommt ein neuer Tag“ -, dachte sie bei der Beerdigung des Mannes, der ihr Leben zur Hölle machte, der ihr jedoch einen gesunden Reichtum hinterließ, ihre gesunden Kinder. „Sie sind doch alle gesegnet!“ -, flüsterte sie voller Dankbarkeit. Die Zukunft hat viele Namen: für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.

Mit der Zeit wurde Maria immer frommer und ihre Alltagskämpfe liefen unermüdet weiter. Nur, bei wem kann sie jetzt ihr mißhandeltes Herz ausschütten? Sie schaffte sich eine eigene Welt, eine Kathedrale, eine Quelle, aus der sie die Kraft zu sich nahm. Diese ihre Welt war mit harter Disziplin verbunden.

Die Tage wurden noch länger. Und das Licht beeinflußte die Menschen, ihre Last weniger schwer zu ertragen, und unerschrocken den Tag zu verfolgen. Die Melancholie, wie der Staub auf der Seele, und die Resignation verlieren jetzt ihren durchsichtigen Schleier – nur die Hoffnung kann jetzt mit einem gewissen Charme und Bedeutungen resultieren und die bloße Gewißheit, daß sich ständig alles verändert. Die Welt da draußen vor der Tür läßt sich noch im Glauben formen. Und kein Zweifel darf sich fortpflanzen. Hoffen, auf das, was wir nicht sehen können und aushalten in geduldiger Erwartung. Und immer wieder gibt es auch eine Pause, eine kurze, winzige Rast, ein Aufatmen, aber dann geht es weiter und man ist wieder eine der tausend Figuren im wilden und verzweifelten Tanz des Lebens.

Von der Veranda aus betrachtete Maria jeden Abend den Hintergrund des schwarzblauen Himmels mit unzähligen silbernen Sternen, und dankte ihren Gott, ihr erlaubt zu haben, diese wunderschöne Architektur seines Universums bewundern zu dürfen.
Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, und jedes Zubettgehen und Einschlafen ein kleiner Tod.

Kraft und Mut durchflossen ihren ausgesaugten Körper, als ob Gott an sie herantreten wollte. Der Eindruck einer kompakten Materie, ließ sie nicht alleine vorkommen. Sie erinnerte sich an das, was in der Bibel stand: „Denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“, und „nähert euch Gott, und er wird sich euch nähern“. Ganz genau wußte sie, daß alles einen Sinn hat und ihr Name hieß nicht Schwachheit, im Gegenteil. Die Jahre hinter ihr entglitten flüchtig, und den Weg in der Mitte zu gehen, wird sie erneut wählen, denn, der wird am sichersten sein. Das Leben wird verhandelt und neue Kompromisse werden gesucht. Und sie wird sich weiterhin, dem Unbekannten fügen müssen. Das waren die Gedanken mit denen wir uns alle reich oder arm machen, zum Bettler oder zum Dieb. Unsere Seele hat einen Zauber in sich, dem wir vertrauen dürfen, sie sucht das Ganze und ist bestrebt, jede Lücke und jeden Mangel auszugleichen. Ist dies alles ein Melodram oder ein Geschenk? Auf jeden Fall ist es ein kurzer Traum. Das Leben läßt sich nicht tauschen und auch nicht abweisen.

Dessen ungeachtet wird Maria in täglicher Pflichterfüllung den Trost finden und das Leben begreifen. Für jede neue Herausforderung wird sie bereit sein, ohne die Möglichkeit, sich der Angst und dem Zweifel unterwerfen zu müssen. Sich zu bemitleiden wäre irrsinnig, nur für ihre inneren Feinde wäre dies ein Triumph. Die Gefühle in ihrem Herzen fehlten nicht, daß wußte sie, denn ohne diese Gefühle, würde sie in einem imaginären Leben auch nicht glücklicher. Nur die Liebe, diese reine Liebe, die sie in sich trug, kann alles Weitere bewältigen und allem einen Sinn geben. Manchmal vermag uns ein durch den Asphalt brechender Löwenzahn die tägliche Frage nach dem Sinn des Lebens eindrücklicher und überzeugender zu beantworten, als eine ganze Bibliothek philosophischer Schriften.

Maria hat nie etwas verlangt. Nur das Geben kannte sie zu gut. War Maria eine Sklavin? Gewiß doch, aber im Geiste war sie eine freie Frau. Und wer kann von sich auch sagen, daß er kein Sklave sei, Sklave der Habsucht, der Angst oder Sklave der Wollust?
Jeder Mensch ist einmalig und es gibt weder zwei gleiche Menschen, noch zwei gleiche Blätter auf einem Baum. Das Rad der Entwicklung dreht sich weiter. Jeder Mensch ist nicht nur er selber, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder. Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig, ewig, göttlich, darum ist jeder Mensch solange er irgend lebt und den Willen der Natur erfüllt, wunderbar und jeder Aufmerksamkeit würdig. In jedem leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt.

Es wurde dunkler. Ein feiner Regen begann zu fallen.
Wird Maria ein geteilter Mensch werden? Wird ihr das Leben weiterhin mit Würde begegnen? Oder sie wird das Leben, das Schicksal, die Gegenwart und sogar die ungewisse Zukunft in ihrer Ohnmacht verdammen? Hat Maria etwa die ganze Zeit falsch gebetet, gibt es eine wirksame Waffe gegen Tragödien? Und sie kamen unvermutet mit einem neuen Tag voller Fragen, auf die sich Antworten schämten und sich feigherzig versteckten. Langsam traten lauter Virtuosen der Schwäche hervor und zeigten Dominanz, die Maria nie im Stande sein wird, sie zu verstehen. Die Zeit verbraucht alles. Sie läßt sich nicht aufhalten und dagegen sind wir machtlos. Und wen nichts Bedeutendes, nichts Größeres geschieht, werden wir in blinder Eifer, auf der Suche nach dem verlorenen Paradies sein.

Noch ein Frühling hat sich verabschiedet, noch ein Sommer hat sich entfernt, der Herbst schleicht sich heimlich ein. Lange hielt sich in diesem Herbst das Laub an dem hohen Walnußbaum vor dem Haus im Hof, lange gab es im Garten noch Astern und Rosen und verwelkte Blätter berichteten über Vergänglichkeit und über den Wandel der Jahreszeiten. Kornfelder stehen leer und ohne Blick und der Himmel läßt seine formlose Wolken herab hängen und in jedem Augenblick scheint es, als ob er zu neuen Regengüssen bereit ist. Die Welt, die vor kurzem noch in Sommerfülle und Sonnenwärme geatmet hatte, roch bang und bitter nach Herbst. Gegen Abend wurde es klarer am Himmel. Doch die Hoffnung auf weiteren hellen Tag war weg, über Nacht ging alles wieder verloren. Es regnete tagelang und es wurden keine Farben mehr gesehen, nur noch Konturen und Profile.

Maria bemerkte, daß sie angespannt war und da eine unerklärte kalte Angst sie jagte und sie unsicher fühlen lies. Sie fing an voller Hoffnung zu beten, und lauschte, ob sie das Rauschen der Engelsflügel hören würde, der ihr die Freude und ihre eigene Magie zurückbringen sollte. Was hat sie übersehen? Will sie versuchen, das Schicksal zu begreifen? Es wurde dunkler, als ob eine schwarze Wolke über ihr Schicksal schweben würde. Nun beneidet sie kleinheimlich die Berge, die unverändert an ihrem Platz bleiben, hart sind. Und wir, wir werden geboren, leiden, sterben und haben keine Macht und unser Berg wächst immer höher an Ballast, den wir mit uns herumschleppen. Maria fühlte sich so, als hätte sie jahrelang immer denselben Tag gelebt.

„Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zu rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles was er tut, wird ihm gut gelingen“ (Psalm 1,3). Marias Gebet wurde lauter. „Sei mir gnädig, o Gott, sei mir gnädig, denn ich flüchte mich zu dir. Im Schatten deiner Flügel finde ich Zuflucht, bis das Unheil vorübergeht!“
Das wichtigste in unserem Leben ist das Morgen. Um Mitternacht kommt der junge Tag, rein und unbefleckt, und begibt sich in unsere Händen, hoffend, daß wir vom Gestern gelernt haben. Und die Liebe? Es gibt einen wunderbar klingenden Spruch: „Gott ist Liebe. Wer in der Liebe wohnt, wohnt in Gott und Gott in ihm“.
Ewig ist das Gesetz der Wandlung und das größte ist der Glaube an die Kraft Gottes und an die Mutter Natur.

Was Maria nicht ändern konnte, hat sie ertragen. Ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende – ihre Reise zur Kraft, dem Himmel entgegen.

In dieser Nacht hängte sich ihre älteste Tochter auf.
Der Walnußbaum schwieg.
 

kata

Mitglied
@nachts
@balu
Vielen Dank fürs Lesen und positive Resonanz

@elen
Du hast vollkommen recht
Es kann sein, dass es beim Kopieren geschehen ist
Das beweist mir, dass Du es sehr aufmerksam gelesen und verfolgt hast
Dafür bedanke ich mich sehr bei Dir
und wünsche einen Guten Morgen

kata
 

Mumpf Lunse

Mitglied
hallo kata,
ich möchte auch ein kleines feedback zu deinem text geben.

los gehts!

"Solange die Bäume noch keine Belaubung tragen, kann das Licht ungehindert den Boden erreichen."

tragen bäume belaubung? nicht eher Laub oder, wenn man es spezifischer möchte, blätter und nadeln?

"Im Frühling laufen die Vorgänge in der Natur oft nach recht strengen Regeln ab."

aha, im sommer nicht? oder im herbst? laufen sie da nach weniger strengen regeln ab, die "vorgänge", was immer du damit meinst.
mir fällt auch auf, dass strenge regeln nicht ausreichen, es werden, *recht strenge". andererseits sind recht strenge regeln eigentlich nicht so richtig strenge regeln, man könnte es sicher auch mit "ziemlich streng" umschreiben. das wäre dann aber weniger als streng.

"Die meisten Zugvögel kehren zu ganz bestimmten Zeiten zurück."
ach? wirklich? was ist mit den anderen? denen die nicht zu den meisten zählen? die kehren zu ganz unbestimmten zeiten zurück?

welcher informationswert haben diese sätze für die geschichte?
nachdem du dich in epischer breite über alle mögliche blumen ausbreitest hab ich schon verstanden. der frühling kommt.

"Die länger werdenden Tage sind die besseren, die zuverlässigeren Zeitgeber, nach denen dich die Natur richtet."

ein kleiner tippfehler: *sich*, muß es wohl heißen.
(der zeitgeber ist natürlich nícht der tag sondern die sonne, aber damit kann ich leben.)

"Die Phase des überreichen Nahrungsangebotes tritt ein."
bis zu diesem satz bleibst du in der gegenwart. plötzlich:

"An den Bäumen und Büschen wimmelten Insekten, besonders Raupen und andere Larven. Dafür lohnte sich der weite Flug über Wüste, Meer und Gebirge."

vergangenheit!

und mit dem nächsten satz:

"Und das Licht veranlaßt die Menschen, ihre Last weniger schwer zu ertragen und unerschrocken den Tag zu verfolgen."

schwupp! gegenwart.

"Die Melancholie, wie der Staub auf der Seele, und die Resignation verlieren jetzt ihren durchsichtigen Schleier; nur die Hoffnung kann nun mit einem gewissen Charme Bedeutsames hervorbringen und die bloße Gewißheit, daß sich ständig alles verändert."

das klingt wunderbar.
nur ergibt es leider keinen sinn für mich, wenn die nun schleierlose resignation (wenn der schleier weg ist sieht man deutlicher, resp. ist die resignation und der "staub auf der seele" unverhüllt. ich vermute das wolltest du nicht sagen.)der charmanten hoffnung weicht um bedeutsames hervorzubringen.

für die "bloße gewißheit" dass sich ständig alles ändert bedarf es (aus meiner perspektive) weder des frühlings noch heruntergerissener schleier.

"Die Welt da draußen vor der Tür läßt sich noch im Glauben formen. Und kein Zweifel darf sich vermehren. Hoffen wir auf das, was wir nicht sehen können, denn immer wieder gibt es auch eine Pause, eine kurze, winzige Rast, ein Aufatmen; dann aber geht es weiter, und man ist wieder eine der tausend Figuren im wilden und verzweifelten Tanz des Lebens."

klingt auch wunderbar, ist aber lediglich eine aneinander reihung von plattitüden.
mehr schein als sein - sozusagen. oder anders: viel lärm um nichts.

du lässt dich mehrere abschnitte lang aus über blumen und vögel, bevor du zur eigentlichen geschichte kommst. und die beginnt dann mit dem satz:

"Marias Verbundenheit mit der Natur und deren wechselnden Launen definierte sich in ihr, als ein Freund."

die verbundenheit definierte sich? ich lese es aber ich bin ratlos. ab hier hab ich nur noch quer gelesen und spätestens bei:

"Der Tag erhellte gerade erst im Schimmer des Morgenrots im geöffneten Fenster, und das Licht reichte jedoch aus, um sofort die Autorität des Todes zu erkennen."

hab ich aufgegeben.

lg
mumpf
 

gareth

Mitglied
Liebe Kata,

leider muss ich mich Mumpf Lunses Haltung zu diesem Text uneingeschränkt anschließen. Ich habe noch ein wenig weiter gelesen als er, aber dann doch noch vor dem Ende aufgehört.

Es handelt sich meiner Meinung nach um eine ungeheure Ansammlung unklarer Gedanken und kaum nachvollziehbarer, in Frömmelei und einer Art Naturmystik schwelgender Beschreibungen von Lebenshaltungen und Vorgängen, deren Sinn man (ich jedenfalls) nicht verstehen kann.

Zwei Schlüsselsätze gibt es für mich in diesem Text:

1. Lucas, Marias Mann, wurde mit der Zeit wahnsinnig...
2. In dieser Nacht hängte sich ihre älteste Tochter auf.

Meine Meinung ist, dass beiden nichts anderes übriggeblieben ist und sie haben es jetzt auf jeden Fall besser.

Im Übrigen ist eine Raupe eine Raupe und keine Made und es kommen auch ganz bestimmt die gelben zusammen mit den blauen bis violett-roten Krokusse aus dem Boden.


Davon ist zutiefst überzeugt
gareth
 

MarenS

Mitglied
Die Geschichte ist sehr langatmig.
...und warum fühle ich beim Lesen einen permanent erhobenen Zeigefinger?

Grüße von Maren
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Kata,

diese Art zu schreiben ist nicht meine Welt und darum möchte ich gar nicht weit ausholen, und Deinen Text 'niedermachen', denn er fand seine Freunde und damit kann ich gut leben.

Ich möchte aber anregen, dass auch bei aller Detailliebe die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt und die zwei Absätze umfassende Naturschilderung als Einleitung einfach zuviel sind.
Mir scheint auch, dass die Bezeichnung der Blätter als Belaubung ein Signifikator dafür ist, dass Du dazu neigst, den einen Schnörkel zuviel zu machen, die Dinge lieber komplizierter als notwendig zu beschreiben. Ich denke, hier täte Bescheidung gut. (Ganz zu schweigen davon, dass für meine Begriffe die Blätter der Bäume erst nach dem Abfallen zu Laub werden.)

Aber vielleicht genügt es Dir ja, dass Dich einige schätzen und verstehen, dann brauche ich mich nicht mehr zu kümmern.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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