Immerschlüssel

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Mara Krovecs

Mitglied
Immerschlüssel

Ach ich bin solcher Wege oft gegangen
ins Bunt ins Weit ins namenlose Schöne
und hab gehofft dass ich mich so versöhne
mit Traurigkeiten die in mir gefangen

auch führte mich manch Straße in die Tiefe
aus der ich glaubte niemals zu entkommen
und noch von Täuschungen und Schmerz benommen
entzog ich mich und tat als ob ich schliefe

die Sonne stieg die Blumen blühten wilder
Spinnweben rahmten manches Sommerbeet
mein Herz pulsierte oft:“ es ist schon spät“

erst mit den Jahren - die Gedanken milder
hab ich geahnt das Glück ist jetzt und hier
den Schlüssel trug ich immer schon in mir.



C.: Mara Krovecs
 

MarenS

Mitglied
Inhaltlich große Klasse.
Sonette mag ich eh, dies ist gelungen, finde ich, bis auf:
Die Spinnweben, die mir beim Lesen immer wieder den Rhythmus versauen. Würde diese Zeile eventuell zur Disposition stehen? Ich fände es wirklich gut, sie zu ändern.
Der Reim Sommerbeet-spät ist mir nicht sauber genug. Auch da fände ich eine Änderung angebracht.

Grüße von Maren
 

HerbertH

Mitglied
Trotz der Metrik von

Spinnweben rahmten manches Sommerbeet
ein inhaltlich schönes Sonett.

Ich betone normalerweise eher


nicht (wie es hier sein "müsste")

Mit der Wertung halte ich mich daher noch zurück ;), vielleicht gibt es ja noch Verbesserungsmöglichkeiten ...

Sehe grade, dass Maren auch über diese Stelle stolperte.

Liebe Grüße

Herbert
 

Mara Krovecs

Mitglied
Norddeutsche Gespinnste(r)

Hallo liebe Maren, lieber Herbert,

da gibt es wohl keine Diskussion, die Metrik stimmt an der von Euch angemerkten Stelle einfach nicht.

Ich brauche noch etwas Zeit, um mir eine Alternative zu überlegen ... hab mal wieder eine Menge zu tun :)

Maren, hochdeutsch und gedacht müßte der Reim tatsächlich Beet/spät lautsprachlich: be:t / sp(ä)t heißen. Ich kenne allerdings wenig Menschen im Norden, die wirklich so sprechen. Wir hier sagen eindeutig be:t/spe:t. Auch die Frage nach der Uhrzeit :" wi: spe.t ist äs" sprächen wir selten "wi: sp(ä)t ist äs.
Hier würde ich den Reim zugunsten des unverfälschten lautsprachlichen Klanges aus dem Norden so belassen wollen, sonst stolperte ich als Norddeutsche über meinen eigenen Reim ;-)

Ich danke Euch sehr für Eure Mühe und bitte um etwas Geduld, bis ich mich des [blue]Gespinnstes[/blue] annehmen kann.

Alles Liebe

Mara

Ps.: mir fällt gerade spontan ein: wie fändet Ihr "Gespinnste" rahmten manches Sommerbeet ... hm
wäre auch als Metapher nicht schlecht ... da hätte ich in jedem Fall die unbetonte Silbe vorweg und es änderte den Sinn nicht ... was meint Ihr? Nur mal so, ganz spontan ;-)
 

MarenS

Mitglied
Ohja, die Gespinnste passen besser.
Du hast durchaus Recht, dass in der Umgangssprache spät wie spet gesprochen wird aber wenn ich dein Sonett laut lese, es gut betont vorlese, dann hänge ich bei spät, denn im Vortrag lese ich nun wirklich keine Umgangssprache. Es ist nicht schrecklich aber schade.
Vielleicht hast du mit der Zeit auch da noch eine Eingebung.

Grüße von Maren
 

Mara Krovecs

Mitglied
Immerschlüssel

Ach ich bin solcher Wege oft gegangen
ins Bunt ins Weit ins namenlose Schöne
und hab gehofft dass ich mich so versöhne
mit Traurigkeiten die in mir gefangen

auch führte mich manch Straße in die Tiefe
aus der ich glaubte niemals zu entkommen
und noch von Täuschungen und Schmerz benommen
entzog ich mich und tat als ob ich schliefe

die Sonne stieg die Blumen blühten wilder
Gespinnste rahmten manches Sommerbeet
mein Herz pulsierte oft:“ es ist schon spät“

erst mit den Jahren - die Gedanken milder
hab ich geahnt das Glück ist jetzt und hier
den Schlüssel trug ich immer schon in mir.



C.: Mara Krovecs
 
H

Heidrun D.

Gast
Liebe Mara,

es gefällt mir ungemein, wie du in deinem Sonett die mehr oder weniger formale Strenge eines solchen durch eine geradezu frei schwebende Sprache brichst: tänzelnd, anmutig.

Die "Gespinste" verstärken diesen Eindruck noch.

Herzliche Grüße
Heidrun
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Mara,

wieder ein wunderschönes Sonett, geradlinig aber nicht banal, voller bekannter Bilder und dennoch frisch, formschön und leichtfüßig - wie machst du das nur?!?

Schon das Wort "Immerschlüssel" verdient einen Sonderapplaus.

Bei
Ach ich bin solcher Wege oft gegangen
stockte ich zunächst. Ich habe zwar eine Schwäche für das Wort "Ach", aber der Genitiv hat micht kurz verwirrt, ich habe bisher nur "seines Weges gehen" gehört. Aber da eröffnet sich auch der Sinn deiner Konstruktion: Wenn man "einen Weg (entlang-)geht", kann das ein beliebiger, zufälliger Weg sein - aber wenn man "eines Weges geht", ist das ein bestimmter, irgendeine Bedeutung für den Protagonisten besitzender Weg. Das ist zumindest meine Intuition (aber vielleicht interpretiere ich auch zuviel).
ins Bunt [blue]ins Weit[/blue] ins namenlose Schöne
und hab gehofft dass ich mich so versöhne
mit Traurigkeiten die in mir [blue]gefangen[/blue]
Wunderbar hier der Kontrast zwischen dem Streben des Lyri ins Weite (=Unbegrenzte) und den im Lyri gefangenen (=begrenzten) Traurigkeiten.
und noch von Täuschungen und Schmerz benommen
Nach meinem Gefühl holpert es hier. Besser fände ich:
und noch von Schmerz und Täuschungen benommen
Das hier:
entzog ich mich und tat als ob ich schliefe
ist meine Lieblingszeile: Großartig! Tun als ob man schläft, 1. um weiteren schmerzhaften Angriffen des Schicksals zu entkommen (so wie ein Beutetier sich totstellt), 2. klingt eine leise Todessehnsucht an (oder zumindest eine Sehnsucht nach dem Verlust des Empfindens), 3. ein Aufgeben des Ichs, verursacht durch Schmerz, 4. vielleicht ein Traumleben führen? Ein sehr gelungener Abschluss für zwei kluge Strophen.
auch führte mich manch Straße [blue]in die Tiefe[/blue]
[...] [blue]die Sonne stieg[/blue]
Auch hier wieder ein schöner Kontrast, passend als Auftakt zu den Terzetten.
die [blue]Blu[/blue]men [blue]blü[/blue]hten [blue]wil[/blue]der
Klanglich wunderbar.
Gespinnste rahmten manches Sommerbeet
mein Herz pulsierte oft:“es ist schon spät“
Mich stört Beet/spät nicht. Sehr berührende Verse.
erst mit den Jahren - die Gedanken milder
Hier habe ich zuerst gedacht: Warum nicht "doch mit den Jahren...", denn obwohl das Herz ja meint, es sei spät, kommt mit dem Alter etwas positives, die Erkenntnis. Aber dann habe ich nochmal genauer gelesen: In Wirklichkeit IST es im ersten Terzett ja noch gar nicht wirklich spät, denn die Sonne "stieg", und es gab "Sommerbeete", also es geht um die Blütezeit des Lebens. Im zweiten Terzett hingegen IST es tatsächlich spät, aber paradoxerweise klagt das Herz gerade zu diesem Zeitpunkt nicht, sondern hat sich beruhigt.
hab ich geahnt das Glück ist jetzt und hier
den Schlüssel trug ich immer schon in mir.
Schön, dass du das Reimmuster so gewählt hast - bei den Terzetten hat man ja verschiedene Möglichkeiten. So aber erinnert es an einen Shakespeare-Couplet und bildet einen Abschluss, einen Punkt, der den Inhalt unterstreicht: Die Suche ist vorbei.

Jetzt, wo ich geschrieben habe, sind mir noch ganz viele Dinge aufgefallen, die ich beim ersten oder zweiten Lesen gar nicht bewusst bemerkt habe. :) Klasse!

Lg presque
 

Mara Krovecs

Mitglied
Liebe Heidrun,


... so schöne Worte für mein Sonett, vielen Dank ... !


Herzliche Grüße auch Dir und alles Liebe aus dem Norden

Mara
 

Mara Krovecs

Mitglied
Liebe zur Sprache ...

Liebe Presque,


da muss schon eine ungeheure Liebe zur Sprache sein, um so sensibel zu interpretieren und formal zu beurteilen.
Ich staune sehr und freue mich noch mehr :)


Ach ich bin solcher Wege oft gegangen
hier liegst Du schon ziemlich richtig. [blue]Solcher Wege[/blue] sind die, die vielen bekannt sind, ganz bestimmte Wege,die schön scheinen, aber die zur Ablenkung zunächst am Leben, am Wesentlichen vorbeiführen, ( Ins Bunt, ins Weit ...)


Und noch von Täuschungen und Schmerz ...
dies hat beim Lesen eine andere Dynamik, anderen Rhythmus in der Silbenbetonung ( stärker und unruhiger, kraftvoll klagend) als das ruhigere,tiefere und duchdachtere ...
und noch von Schmerz und Täuschungen .
..
das bringt während des Vorlesens neben der Prosodie und des Rhythmusses natürlich eine anderen augenblicklichen Zustand des Lyrischen Ich`s zum Vorschein.
Ja, das ist auch eine Möglichkeit, lass mich mal überlegen ...


... entzog ich mich und tat als ob ich schliefe

*strahl* tolle Überlegungen, hier war es gemeint wie Punkt 1, aber auch die anderen Ideen, durchaus passend und denkbar.

In Wirklichkeit IST es im ersten Terzett ja noch gar nicht wirklich spät, denn die Sonne "stieg", und es gab "Sommerbeete", also es geht um die Blütezeit des Lebens. Im zweiten Terzett hingegen IST es tatsächlich spät, aber paradoxerweise klagt das Herz gerade zu diesem Zeitpunkt nicht, sondern hat sich beruhigt.
Ja!
Im ersten Terzett spürt das Lyri nur,( Gespinste, wildes Blühen ... ) dass die Zeit nicht mehr so verschwenderisch zur Verfügung steht, im zweiten hat es endlich verstanden wie es mit dem Glück bestellt ist, das beruhigt und mit dieser Erkenntnis ist es auch nicht schlimm, dass nicht mehr so viel Zeit bleibt, wenn diese dann intensiv genutzt werden kann, weil hier die Qualität die Quantität weit überbietet.

Du hast so viele schöne Dinge herausgefunden ... vielen Dank !

Herzliche GRüße aus dem Norden

Mara
 



 
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