Immerwährendes Lächeln

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Nici

Mitglied
Die rosig hellschimmernde Haut des Mädchens blitzt glitzernd zwischen den Bergen von Schaum hervor. Ihre Brust bildet eine liebliche Wölbung, auf der eine Knospe, einer Rose gleichend sitzt. Der geschmeidige Körper wird von einer vorsichtig tastenden Hand liebkost, gestreichelt. Ein leichtes Zucken durchfährt sie und lässt sie sachte erzittern. Ihre hüftlangen, hellbraunen Locken schmiegen sich zärtlich in Schlangenlinien um ihre schmale Gestalt und tauchen in das warme Wasser. Es sieht aus, als ob sie von einem seidenen Schleier umgeben wäre. Das zarte Gesicht mit den wasserblauen Augen, dem blutroten Mund und den hohen Wangenknochen birgt ein immerwährendes Lächeln in sich.
Die Hand drückt vorsichtig ihre langen Beine auseinander und begibt sich langsam auf Entdeckungsreise, taucht in die geschmeidige Wärme des Wassers, sucht, findet und geht noch weiter. Der Hand folgt eine Zweite, bald darauf steigt er zu ihr in die große Wanne. Sie liegt da und lässt es wortlos mit sich geschehen, bald eine Bewegung, bald ein paar unverständliche Laute, aber ein immerwährendes Lächeln.
Erst beginnen sich leichte Wellen auf der Oberfläche zu bilden.
Dann zerreißt sie.
Die Wanne schwappt über.
Ein Geräusch dringt in den Waschraum und jemand klopft von außen an die Tür. Der Pfleger steigt hastig aus der Wanne, kleidet sich rasch an, streift die sterilen Handschuhe über, hebt Angelika aus der Wanne, zieht ihr den weißen Bademantel an und setzt sie in ihren Rollstuhl. Dann öffnet er schnell die Tür und versichert dem Arzt, dass alles in Ordnung sei, sie habe nur wieder einen Anfall gehabt, daher der Lärm. Danach bringt er Angelika in ihr Zimmer zurück und setzt sie auf ihr Bett. Bringt ihr ihre Mahlzeit und sperrt hinterher sorgfältig die Zelle ab.
Es ist spät und seine Frau erwartet ihn schon mit dem Abendessen, außerdem kommt Maria, seine älteste Tochter heute mit Sebastian, seinem Enkelsohn zu Besuch, da darf er sich keinesfalls verspäten. Er legt die kurze Strecke zum Parkplatz im Laufschritt zurück und sperrt, erst nach dem zweiten Anlauf den richtigen Schlüssel findend, den altersschwachen Golf auf. Jetzt muss er sich wirklich beeilen.
Natürlich – der Abendverkehr. Wie jeden Freitag. Nur mehr fünf Jahre bis zu seiner Pensionierung – bis dahin würde er den wöchentlichen Stau, der eigentlich schon zur Gewohnheit geworden ist, auch noch durchstehen. Genau wie seine Arbeit im Behindertenheim. Irgendwie wird er sie doch vermissen.
 
Q

Quidam

Gast
Hallo Nici,

ich weiß nicht so recht, ob ich deinen Text erschreckend finden soll, schließlich würde ich behaupten, dass solche "Geschichten" doch schon ganz alltäglich sind.
Die Menschen tragen nunmal "dunkle" Geheimnisse in sich, und immer mehr leben sie auch aus - das finde ich so widerlich!

Deine Schreibe gefällt mir sehr. Einzig dieser Abschnitt wirkt etwas kompliziert geschrieben:
Die Hand drückt vorsichtig ihre langen Beine auseinander und begibt sich langsam auf Entdeckungsreise, taucht in die geschmeidige Wärme des Wassers, sucht, findet und geht noch weiter. Der Hand folgt eine Zweite, bald darauf steigt er zu ihr in die große Wanne. Sie liegt da und lässt es wortlos mit sich geschehen, bald eine Bewegung, bald ein paar unverständliche Laute, aber ein immerwährendes Lächeln.
Erst beginnen sich leichte Wellen auf der Oberfläche zu bilden.
Dann zerreißt sie.
Die Wanne schwappt über.
Die Hand.. (des Pflegers?) Dann würde ich schreiben: Eine fremde Hand...
Der Hand folgt eine Zweite.. -> naja.
Und "Erst beginnen sich leichte Wellen auf der Oberfläche zu bewegen" ist auch irgendwie nicht so treffend.. Und was meinst du mit: "Dann zerreißt es die."?

Ansonsten: wirklich gut formuliert und stimmungsvoll in Szene gesetzt.

*winke*
quid
 

Nici

Mitglied
Hallo Quidam!

Zuerst mal danke für deinen Komentar! Ich finde es ehrlich gesagt gut, dass du den Text erschreckend findest, weil ich manchmal ganz einfach das Bedürfnis habe, auf erschreckende Dinge aufmerksam zu machen, die leider meistens tod geschwiegen werden! Wenn es dann ankommt- umso besser! Ich bin Gott sei Dank nie mit Missbrauch konfrontiert worden, kenne aber Mädchen, denen das immer wieder zugestoßen ist.
Mit Worten konnte ich ihnen leider nicht helfen, deshalb schreibe ich darüber. Aber eigentlich soll es ja auch darum gehen, dass die Menschen eben nicht weg schauen!
Hm. Ich hoffe, dass ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt habe. Danke auch für deine Verbesserungsvorschläge!
Ansonsten noch einen ganz schönen Sonntag! Zuviel Nachdenken bringt ja eh meistens nix! :p

Ganz liebe Grüße, nici
 

Nici

Mitglied
Ähm. ich hab noch etwas vergessen, ich würd nämlich deine Vorschläge gern umsetzen, aber, tja- wie kann ich meinen Text eigentlich nochmal bearbeiten??
 
H

hoover

Gast
du musst unter dem text edit/delete drücken. dann geht das schon ;)

grüßle
hoover
 
A

Abendsternchen

Gast
Hallo Nici,

in der Tat, ein furchtbares Vergehen, das Du hier beschreibst, man möchte am liebsten den Pfleger aus seinem alten Auto holen und ihn für immer unschädlich machen. Eine Wut über solch schreckliches Verhalten macht sich jedesmal in mir breit, wenn ich darüber lese. Gut geschrieben, Nici, gefällt mir ausserordentlich. Mit wenigen Worten präzise geschrieben und allem Notwendigen enthalten. Schöner Ausdruck.
Kleine Anmerkung meinerseits:

"auf der eine Knospe, einer Rose gleichend sitzt."
--> Vorschlag: [blue]auf der einer Rose gleichend, eine Knospe sitzt.[/blue]
dann wirkt die Metapher nicht so auseinandergerissen.


"Erst beginnen sich leichte Wellen auf der Oberfläche zu bilden. Dann zerreißt sie."
--> dass die Oberfläche zerreißt, ist mir zwar klar, aber es wirkt nicht so gut. Du könntest mit einer Klimax (Steigerung) noch etwas mehr Spannung aufbauen.
[blue]Erst beginnen sich leichte Wellen auf der Oberfläche zu bilden [/blue](Ich dachte, es sei Schaum darauf?).
[blue]Bald aber schlagen sie höher. Lautes Platschen. Und noch höher. Die Wanne schwappt über![/blue]
(Dann hast Du auch eher ein Geräusch, das den Arzt aufmerksam werden lässt.)

Hoffe, ich konnte Dir bei Deinem ohnehin guten Text eine kleine Hilfe sein.

viele Grüße

Abendsternchen
 
K

kaffeehausintellektuelle

Gast
liebe nici

ich hab deine geschichte sehr gut und sehr aufwühlend gefunden. auch wenn sie mich ein bisschen an almodovars letzen film "sprich mit ihr" erinnert hat.
was mich gestört hat, war folgender satz:

Bringt ihr ihre Mahlzeit und sperrt hinterher sorgfältig die Zelle ab.

ja, da frag ich mich schon: was hat die durchschnittsbevölkerung eigentlich für ein bild von behinderteneinrichtungen? ein behindertenheim ist kein knast. und ein zimmer in einem behindertenheim ist keine zelle. und schon gar nicht sperrt irgendjemand einfach ein zimmer ab, außer der bewohner selbst. weil das wäre nämlich freiheitsbeschränkung, muss gerichtlich genehmigt werden und ist nur bei akuter selbst- oder fremdgefährdung zulässig. und die junge frau ist zwar gefährdet, aber in erster linie durch solche pfleger.

ja, das hat mich sehr gestört

trotzdem. gut.

die kaffeehausintellektuelle
 

Nici

Mitglied
Hallo Abendsternchen!

Ich freu mich, dass dir der Text gefällt!
Deine Vorschläge find ich auch gut, aber ich kann mich immer so schwer überwinden, einen Text noch einmal umzuschreiben, weil ich immer neue Sachen im Kopf habe, mit denen ich mich schon wieder beschäftigen will! Das muss ich wohl noch lernen!
Aber ich werd mich mal in einer ruhigen Minute hinsetzen, und mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen!
Trotzdem danke!

Liebe Grüße, nici
 

Nici

Mitglied
Liebe Kaffeehausintellektuelle !

Danke auch dir für die Kritik!
Ich habe natürlich keine Vorstellung von den Einrichtungen in einem Behindertenheim! Ich gehöre scheinbar auch zur Durchnschnittsbevölkerung! Naja, ich hab zumindest keine bösen Absichten gehabt, als ich von der Zelle und dem Zusperren geschrieben habe! Ich wollte damit eigentlich nur die Atmosphäre verstärken, die ich versucht habe, in dem Text zu schaffen. Natürlich sind Behinderte keine Schwerverbrecher, die man wegsperren soll! Das wollte ich damit wirklich nicht sagen, sondern die verzweifelte Situation und die Hilflosigkeit des Mädchens verstärkt darstellen.
Aber wenn ich das auch umschreibe, bleibt glaube ich nicht mehr viel von dem über, was ich ursprünglich geschrieben habe. Aber der eigentliche Inhalt über die Banalität des Bösen sozusagen, ist so glaube ich, Kern der Geschichte.
Aber wenn ich einen Weg finden sollte, alles so umzuschreiben, sodass der Text trotzdem noch so stimmungsvoll bleibt, wie ich es ursprünglich gemeint habe, werd ichs tun!
Hoffentlich hab ich jetzt nicht zu kompliziert herumgeschrieben, jedenfalls danke auch dir nochmal und schönen Abend noch!

Nici
 



 
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