In Asche

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NSchaefer

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In Asche.
In Asche liegt das Dorf meiner Mutter.
Seit sie tot war.
Seit sie tot war, hatte ich es nicht mehr gesehen.
Doch als ich.
Doch als ich vor der Kirche stehe, erinnere ich mich.
Dort hinter.
Dort hinter, auf dem Friedhof, baute ich unzählige Male geheimnisvolle Höhlen, mit Decken und Tüchern, über die Grabmale gehängt, grub kleine Löcher im Boden aus, spielte Geschichten nach.
Die Geschichten meines Vaters.
Die Geschichten meines Vaters, wie Menschen vor einem Graben stehen und dann, Kommando, abgeknallt werden.
Ich stehe vor der Kirche.
Ich stehe vor der Kirche und habe wieder das Gefühl im Bauch, Kommando, und das Loch im Boden saugt mich hinab, ich falle, liege, die Augen geschlossen, liege dort wie ich gefallen bin.
In Asche liegt das Dorf meiner Mutter.
Hier wuchs ich auf, hier hielt sie schützend ihre Arme um mich.
Ich kenne ihr Gefühl im Bauch, dort stehend, Kommando


-- 09.04.2003 --
 
Hallo NSchaefer,

darf man das immer wieder Ansetzen in Ellipsen und Halbsätzen als ein Ansprechen gegen die Sprachlosigkeit (angesichts der geschilderten Ereignisse) deuten? Dieses sprachliche Verfahren hat etwas interessantes Notizenhaftes, Fragmentarisches.

Was den Gesamteindruck angeht, könnte man das Gefühl haben, der Schreiber verschließt sich dem Leser, deutet an, bleibt sehr im Persönlichen und geht nicht den Schritt aus der hermetischen Vagheit hinaus (Ort der Katastrophe? Krieg?, Überfall? Warum wird der Vater "abgeknallt"?).

Ein interessanter Versuch - richtig unter Kurzprosa.

Beste Grüße
Monfou
 

NSchaefer

Mitglied
Lieber Monfou,

vielen Dank für die vielen Fragen.
Dadurch komme auch ich immer wieder dazu über meine eigenen Texte nachzudenken.
Wenn ich schreibe, dann denke ich nicht an sprachliche Mittel, an Figuren, die ich benutzen möchte, um ein bestimmtes Gefühl auszudrücken.

Ich schreibe einfach. Und zwar selten (Auto)Biographisches.
Meine Art, in Gedichten zu "sprechen", hat wohl viel mit meiner schauspielerischen Vergangenheit zu tun. Bei der lernt man - bewusst oder unbewusst - Dinge, Episoden, Ereignisse aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zu sehen und zu deuten.

Aber ich setze es eben beim Schreiben nicht bewusst ein.
Um so mehr freue ich mich über das, was DU daraus abliest. (Fragmentarisches, sich dem Leser verschließen)
Zeigt es mir doch, dass ich - zumindest was dieses Thema betrifft - eine SPRACHE gefunden habe, die andere verstehen...

Schön... ;-)
 



 
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