In Polen sagt man

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In Polen sagt man „Darzbor“

Et stand en tollet Ereignis vor der Tür: Ne Einladung zur Hirschjagd nach Polen.

Gestern rief der Marek aus Olsztyn (Allenstein) an und erinnerte an sein nettet Angebot zur Jagd auf den Brunfthirsch. Alle Achtung, die Kerle, die mir nach dem Orkan beim Wiederaufbau der Kanzeln mitmalocht hatten, hielten Wort.

Wir sollten en Flug nach Warschau buchen, von dort aus würden wir dann abgeholt.
Die frohe Botschaft musste ich sofort meiner Berta verklickern, damit se sich auf den Abschied von ihrem Hirschjäger vorbereiten konnte.
„Berta, et iss soweit, Dein Mann wird Dich in Kürze für ne Weile verlassen, kannst Du ohne mich überhaupt ne Woche überleben, mein Rehlein?“
„Willi, wat sind dat denn für neue Töne? Hasse en schlechtet Gewissen, dat ich zu Hause malochen muss, während der Herr Ehegemahl ausfliegt und sich der Hirschjagd hingeben tut?“
Ich hab überhaupt nich geantwortet, weil jetz jede Antwort falsch gewesen wär.
Ich rief Jagdhüter Uli an und stimmte mit ihm den Reisetermin ab. Als nächstet beauftragte ich meinen Lehrling Maurice, über dat Internet en Hin- und Rückflug für zwei Personen nach Warschau zu buchen. Der Bursche iss mit dem blöden Computer besser vertraut, dat geht bei dem ratzfatz, und du hass „online“ son Flugticket inne Tasche.
Uli und ich hatten ausgemacht, dat wir in Jagdklamotten und nur mit je einem Rucksack nach Polen reisen wollten. Gesacht, getan.
Am 29. 9. flogen wir morgens um 7.30 Uhr mit die Kranich-Lufthansa nach Warschawa (Warschau).
Beim Betreten der Maschine haben wir den Kellnerinnen der Lüfte zur Begrüßung die Hände geküsst. Und weil unsere Höflichkeit bei die Damen schwer Eindruck hinterlassen hatte, durften wir sogar inne „First-Class“ Platz nehmen. Dat war ne echt noble Geste von dat Airline-Personal. Sicherlich geschah dat auch deswegen, weil die dachten, wir Waidmänner wären die Obermacker vom Deutschen Jagdverband und hätten internationale Jagdangelegenheiten in Polen zu erledigen.

Wir wurden zuerst ma mit allen möglichen Zeitschriften und Magazinen eingedeckt. Dat war Lesestoff für etwa vierzehn Tage. Ehrlich, der „Am-Platz-Service“ war spitzenmäßig: Wir durften die Getränkekarte rauf und runter schlürfen. Taten wir auch. Die Stimmung war kurz hinter Berlin bereits so toll, dat wir mit die Damen an Bord den Gang rauf und runter schwoften und anschließend ne Polonaise aufzogen.
Danach wurde uns von zwei liebreizenden Flugbegleiterinnen ein Menü vom Allerfeinsten auf hochwertiget Porzellan serviert. Wollen Se bitte ma in die Speisekarte peilen?
1. Gang: Tagliatelle mit Olivenöl, warmer Butter und weißem Trüffel.
2. Gang: Steinbuttfilet, Beurre Blanc, (dat iss weiße Butter) verschiedene Gemüse (geschmelzte Tomaten, Fenchel, gelber Paprika, Zuckerschoten) und Bamberger Hörnchen (Kartoffeln).
3.Gang: Gebrannte Ziegenmilch-Creme mit fruchtig-mildem Olivenöl und gelierten Blaubeeren.
Zum Abschluss gab et Kaffee und Pralinen.
Ich hab die Speisekarte mitgenommen, weil uns dat sonst keine Sau zu Hause geglaubt hätte. Den Johann Lafer haben wir inne Maschine gesucht, ihn aber nich inne Bordküche entdeckt, der musste dat Essen noch unten im Flughafen-Restaurant vorbereitet haben.
Ich sach Ihnen wat: Dat ganze Verwöhn-Gedöns machte den Flug zum unvergesslichen Erlebnis. So wat Feinet hab ich mein Lebtach noch nich geschmatzt. Wir wären mit diesem Flieger am liebsten en paar ma um die Erdkugel gedüst. Schade, dat wir kurz darauf schon in Warschau landeten!

Die Passagiere aus unserem Flieger waren längst über alle Berge, nur Uli und ich standen da noch mit langen Gesichtern am Band. Die Rucksäcke waren verschwunden. Hatte man uns inne ersten Minuten auf polnischem Boden schon beklaut?
Ich wollte gerade son Uniformierten anquatschen und nach unserem Gepäck fragen, da sah ich die Rucksäcke einsam und verlassen auf dem Band nebenan die Runden drehn. Wie konnte dat passieren? Hatten wir schon so einen intus, dat wir die Gepäck-Abfertigung nich mehr richtig checkten? Egal, wir schnappten unser Gerödel und ab ging et Richtung Ausgang. Hier wurden wir bereits von Andrezey und seiner Frau Wiercha erwartet.
Sie glauben ja gar nich, wie herzlich die Polen den Empfang zelebrierten: Die küssten uns bei die Begrüßung dat Gesicht ab! Nich zweimal, nee dreimal! Links und rechts, hin und her, bisse vor Verlegenheit nich mehr wusstes, watte machen solltes. Deshalb hab ich die beiden vorsichtshalber fünfmal abgeschmatzt.
Obwohl wir noch ungefähr 250 Kilometer bis zu die Masuren vor der Brust hatten, war et für unsere Gastgeber en Bedürfnis, uns auch wat von ihrer Hauptstadt zu zeigen, die wir ma im Krieg total zerdeppert hatten.
Dat war ja allet ganz nett, aber wir brannten darauf, endlich wat von der tollen Landschaft in Ostpreußen zu sehn. Nach drei Stunden war die Stadtbesichtigung beendet und dann ging et ab nach Allenstein.
Unterwegs kriegten wir schon ne sehr gute Vorstellung vom Wildreichtum in Polen.
Ich mach et kurz.
Nach einer Übernachtung in Andrezeys Wohnung, kam zum Frühstück auch der liebe Marek hinzu. Wieder flogen die Begrüßungsküsse hin und her. Wat sollz? Andere Länder andere Sitten. Aber Kerle küssen? Na ja!
Wir besprachen den Ablauf vonn Woche und fuhren zu Andrezey’s Datscha, die malerisch an son kleinen See lag. Hier machten wir für die gesamte Woche Quartier.
Wir tranken in der Datscha noch en paar Bierchen und en kleinet Fläschchen Wodka, redeten angeregt über die Hirschjagd und gingen dann inne Heia. Um drei Uhr war die Nacht zu Ende. Nach en paar Schlücksken Tee brachen wir zum Morgenansitz auf:
Et war empfindlich kalt geworden. Vor uns lag im dichten Nebel ne riesige Brunftwiese. Dat Röhren und Orgeln der Hirsche hörten wir sehr nah. Man, dat waren ja Laute, die gingen durch Mark und Pfennig. Ich spürte ständig ne Gänsehaut auffem Rücken. Im Fernsehen hatte ich alle Schreie schon zigmal gehört, aber inne Natur iss dat ja ganz wat anderet.
Da müssen sich direkt vor unserer Nase knochenharte Kämpfe abgespielt haben, denn dat Krachen vonne Geweihe war so gut zu hören, als schlugen sich die Rivalen direkt unter die Kanzel. Dat Vertreiben von dem „Möchtegern-Platzhirsch“, also son widerlichen Nebenbuhler, konnze am schnell aufeinander folgenden kurzen schnaubenden Tönen deuten.
Wir saßen auffe Kanzel, bis die Sonne den Nebel gegen acht Uhr völlig verschluckt hatte. Außer zwei vollgefressene Wildschweine, die wühlend über die Wiese zogen, sahen wir an diesem Morgen nix.
Doch! Zwei Formationen Wildgänse zogen schreiend über uns hinweg, en riesigen Seeadler baumte auf ner uralten Buche auf, und die Morgensonne hing in Millionen von glitzernden Spinnennetzen. Wir haben von diesem Naturschauspiel jede Menge Fotos gemacht und allet schön mit die Videokamera gefilmt.

Marek und Andrezey bekochten uns. Schon beim Frühstück bog sich der Tisch: Heiße Krakauer, geräucherter Fisch, Rühreier mit Speck, Salzgurken, Obst, Kaffee, Milch und Tee, allet konnten wir bis zum Platzen mampfen. Es gab zum Frühstück sogar Käse und Marmelade, wat sonst in Polen angeblich nicht so üblich iss. Et wurde danach auch schon ma en Gläschen Wodka zur besseren Verdauung verpitscht.
Wie dat so iss, irgendwat Unerfreulichet passiert auf jeder Reise:
Mittags kriegte der Marek schwere Magen- und Darmprobleme und fiel als Führer für den Abendansitz aus. Wahrscheinlich hatte er zum Frühstück zu viel fetten Aal verdrückt.
Wat nu?
Andrezey wusste Rat. Er setzte Uli und mich abends zusammen auf ne halboffene Ambona (Kanzel) und setzte sich mit dem Rücken zu uns auf den Kanzelboden – mit die Füsse auffe Leiter. Uli und ich zogen Pinnchen, wer heute bei Anblick schießen sollte. Uli zog den Kürzeren.
Et dämmerte leicht, und aus der vor uns liegenden Sumpfwiese stiegen leichte Nebelschwaden auf. Plötzlich sah ich etwa zweihundert Meter links am Wald ne Bewegung. Ich stieß Uli an und zeigte in die Richtung.
Ich traute meinen Augen nich. Wat meinen Se wohl, wat ich da eräugen tat? Ich beobachtete zwei Tiere mit som langem Gesicht. So Geschöpfe hatte ich nur ma inne Glotze gesehn. Dat waren Elchkälber!
Ich zog mein Deutsch-Polnisch-Wörterbuch ausse Tasche und übersetzte dat Wort „Elch“. Andrezey wollte dat zuerst nich glauben und zeigte mir en Vogel. Als auch noch dat Elchtier (Elchkuh) austrat, war Feierabend mit seiner Ruhe. Mit Elchwild hatte er hier wahrscheinlich auch nich gerechnet! Plötzlich flüsterte er mir zu: „Willi, wenn Byc (Elchhirsch) kommt, bumm.“ Offensichtlich hatten wir auch die Lizenz für den Elchabschuss.
Willi Püttmann sollte en Elch schießen? Nee, dat waren zwei Nummern zu groß! Er wiederholte: „Wenn Bic kommen, Du bumm machen!“
Auf einmal zitterten mir die Knie. Noch nie hatte ich en Hirsch geschossen, und jetz sollte ich hier en riesigen Elch erlegen?
Der Nebel wurde dichter und verschluckte die beiden Kälber. Dann lichtete sich der Nebelschleier wieder und et stand, wie von Geisterhand da hingestellt, en mächtigen Elchhirsch (Elchbulle) auffe Bildfläche, direkt neben son kleinen Tümpel.
Aber wie sah der denn aus? Der hatte ja überhaupt keine Schaufeln! Wat war denn mit dem Kerl passiert? Der hatte nur Hörner auffem Kopp – wie ne Kuh! Ich hatte nicht viel Zeit für lange Überlegungen. „Willi, buumm!“, hörte ich hinter mir. „Bumm“ war aber gar nich so einfach, denn der Nebel verdeckte jetz auch den Bullen. Et wurde von Minute zu Minute dämmriger. Ich saß im Anschlag und sah schon meine Felle davonschwimmen. Ich wurde so wat von nervös, dat können Se sich nich vorstellen. Plötzlich tat sich zum zweiten Mal der Nebelvorhang auf, mein Elch stand breit und ich ließ die Kugel fliegen.
Verdammt, ich konnte nich sehen, ob der Elch am Anschuss verendet war. Entweder lag er im hohen Gras oder war in dem Tümpel verschwunden.
Ich musste ihn doch getroffen haben, denn sonst hätte ich doch sehn müssen wie er abging! Gar nix sah ich. Uli war sicher, dat der Elch Schuss hatte.
Andrzey empfahl wegen der Dämmerung die sofortige Nachsuche.

Vor lauter Aufregung kloppte meine Pumpe mit mindestens 200 Schlägen pro Minute. Der Elchbulle war verendet.

„Waidmannsheil! Dazbor!“ Die Umarmungen kriegte ich gar nich mehr so richtig mit. Ich war nervlich erledigt.
Der Elch wurde von sechs Waldarbeitern, die mit zwei Pferden und einem Traktor angerückt waren, geborgen. Er wog 280 Kilogramm.
Et war en goldrichtigen Abschuss und ich wurde von dem zuständigen Förster über alle Maßen gelobt.
Ach ja, in den darauf folgenden Tagen hatte jeder von uns noch Waidmannsheil auf einen geringen Hirsch und dann ging et wieder zurück inne Heimat. Diesma leider inne Holzklasse vonne Kranich-Air. Kein Lafer, keine Polonaise!

Unsere polnischen Freunde besuchten uns en Jahr später und überreichten uns freudestrahlend die präparierten Geweihe. Daszbor!
 



 
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