In die Wüste...

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huwawa

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In die Wüste

Es ist ein heißer Samstagnachmittag in einem heißen Juli, dem heißesten Juli seit Jahrzehnten, heißt es. Ich sitze auf der Veranda meines Bungalows und schwitze. Nicht mehr sehr viel, die brennende Sonne hat mir schon die meiste Flüssigkeit aus dem Körper gesogen. Ich hätte in den Pool gehen können, gewiss, aber da habe ich den richtigen Zeitpunkt verpasst, vor zwei, drei Stunden hätte ich das noch machen können. Jetzt bin ich zu träge, kann mich nicht mehr aufraffen. Labsal und Feuchtigkeit verschafft mir nur die Zweiliterflasche Wein zu meinen Füßen, Grüner Veltliner aus der Wachau, von mir selbst vor einigen Wochen beim Weinbauern meines Vertrauens requiriert.

Der Pegelstand in der Flasche ist bereits unter das letzte Viertel gesunken, meiner entsprechend hoch, wir sind kommunizierende Gefäße, sozusagen. Ein gewisses Mindestmaß an Kommunikation braucht doch jeder und wahrscheinlich kommunizieren viele Menschen mit Flaschen, ohne es zu wissen. Lethargisch lehne ich mich in meinem Korbsessel zurück. In der Nachbarschaft brüllen und kreischen Affen. Fast alle meine Nachbarn sind Affen. Ein paar Hyänen, Stinktiere und Kamele sind auch darunter, aber die machen sich bei dieser Hitze nicht bemerkbar und dösen nur in ihren Gärten oder auf den Veranden vor sich hin.

Ein gehörloser Straßenkondor schwebt über mir. Er steuert den Dachgiebel an und wirft im Vorbeiflug eine Stinkbombe ab, die mich nur einen halben Meter verfehlt. Tauben sollte man die Lizenz zum Fliegen entziehen; jedenfalls aber zum Scheissen im Flug.

Vorne an der Straßenkreuzung brüllt ein Löwe auf. Er nähert sich rasch und hält, eine Staubwolke aufwirbelnd, vor meinem Gartenzaun. Der Fahrer des Peugeot Kombi ruft mir durch das geöffnete Seitenfenster zu: „Tach, guter Mann, sagen sie mal, wo gehts denn hier zur Gobi?“
„Fahren sie die Straße entlang und biegen sie bei der nächsten Kreuzung rechts ab. Ist gar nicht zu verfehlen!“
„Na, hoffentlich schaff ich´s noch bis 17 Uhr! Jedenfalls, danke für die Auskunft.“
„Gern geschehen“, winke ich ab, während der Eilige seine Raubkatze schon wieder fauchen lässt. Sonderbarer Typ, sah eher wie ein Häuslbauer aus, als einer, der in die Gobi will, denke ich und beende die Kommunikation mit meiner Weinflasche. Sie ist leer, ich bin voll.

Meine Frau kommt vom Pool herüber. „Warum hast du den Mann in die falsche Richtung geschickt? Zum Baumarkt hätte er doch links abbiegen müssen!“ „Baumarkt? Wieso Baumarkt? Er hat doch Gobi gesagt, und die liegt im Osten, nicht im Westen!“

„Der Mann wollte in den OBI-Baumarkt und du schickst ihn in die Wüste! Aber ist ja kein Wunder“, stellt sie mit einem bedeutsamen Blick auf die leere Weinflasche fest. Sie trägt sie ins Haus und kommt mit einer vollen Flasche zurück - Mineralwasser! „ Herbert, trink das“, meint sie, „das ist sicher besser für dich und deine Mitmenschen!“ Ich habe meine Lethargie jetzt aber überwunden und fühle ein brennendes Bedürfnis, in den Pool zu steigen. Mit Wasserflaschen finde ich einfach keine Kommunikationsbasis!
 
S

suzah

Gast
hallo huwawa,
über den text habe ich mich köstlich amüsiert, besonders auch, dass du ihn ausgerechnet in der jetzigen "eiszeit" eingestellt hast. war dir so kalt?
grüße aus dem berliner schnee, suzah
 

huwawa

Mitglied
hallo suzah

ja, im winter ist schön vom sommer träumen...

die idee kam mir, als ich im fernsehen einen reisebericht sah - entlang der transsibirischen eisenbahn oder so - und da sagte der Reiseleiter irgendwann: wir kommen dann an die kreuzung, wo es zur gobi geht... fand ich irgendwie witzig.

ich weiß übrigens nicht, ob es in deutschland die "herbert trink das" werbung gibt, bei uns in österreich hat sie schon fast ein wenig kultstatus.

schöne grüße ins ins winterliche berlin aus dem ebensolchen oberösterreich
huwawa
 



 
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