Inselwelt

Inselwelt

„Eine Insel hat mein Leben mit geprägt. Eine deutsche Insel im Norden. Ihre Natur, ihre Art. Dazu der Gemütszustand, in dem ich mich damals befand.“
Heidi ist die Erzählerin. So oft sie auch davon spricht, jedesmal fangen ihre Augen an zu leuchten. Ihre Gestik wird heftiger und die Begeisterung läßt ihr Alter von 69 Jahren vergessen.
"Ich laufe über den Strand, der sich weit zwischen Meer und Dünen auslebt. Ja, so empfinde ich es, >>auslebt>>. Sand,lose fliegend, weich unter den Füßen oder hart wie zementiert, spiegelt Wolken unter der Sonne. Seine Farben zeigen sich marmoriert. Der Himmel ist weit wie der Horizont. Keine Sekunde lang gleicht das Aussehen der anderen. Die „Stille“, die nie wirklich still ist wird unterbrochen vom Gesang des Windes, dem Schreien der Vögel. Manchmal verirren sich Gesprächsfetzen von den wenigen Strandwanderern.
Dort, wo die Wellen auf den Strand treffen, schäumt es weiß, schaumig. Oder die Wellen gleiten den Strand hinauf und das Meer hinter ihnen liegt ruhig und glatt.
Dann ist die Gewalt, mit der es sonst an die Ufer schlägt, unvorstellbar. Unvorstellbar, dass Land weggerissen wird. Unvorstellbar, dass dann unweit entfernt, Boote darum kämpfen, nicht unterzugehen, Menschen um ihr Leben.
Unvorstellbar ist auch der Einfall von Nebel. Alles ist grau in grau. Wabernde Feuchtigkeit hat keine Grenzen, keinen Horizont, keine Wegemarken.
Ob Strand oder vorgelagerte Sandbank, es ist nicht zu sehen. Doch zwischen ihr und dem Strand ...
Doch dann, plötzlich wie herbei gezaubert, ist der Himmel klar. Der Saum des Meeres zeigt sich dunkel. Gegenüber wird der Horizont von Dünenketten gesäumt. Ruhe und Frieden umarmt mich. Die Angst ist verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
Mir ist, als hätte ich an der Schwelle meines Lebens gestanden. Aufgabe oder Kampf, ich hatte nicht das Gefühl, danach gefragt zu werden.
Manchmal ist der Horizont zwischen Himmel, Meer und Land flammend rot bis lilafarben. Ein Flammenvorhang von ungeheurer Leuchtkraft und Wirkung. Unvergessen für den, der es einmal so gesehen hat.
Nachts flirren die goldgelben Lichtfinger des Leuchtturms im Rhythmus der Kennung."

Heidis Stimme wird leiser. ihre Stimme vibriert. Jedes Gefühl, das sie je dort erlebt hat, gibt ihre Stimme kund. Der Atem geht hastig, die Gestik ist hektisch. Nichts ist fern, alles geschieht gerade jetzt.

"Seitdem weiß ich, wie kostbar das Leben ist. Auch wenn ich manchmal an der Grenze des Seins stand, gibt es für mich nur noch das Ja dazu. Meiner Insel sei Dank dafür."

Und Euch, sagt der Blick, der in die Runde zu ihren Freunden geht.
 



 
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