Instrumente unter sich

5,00 Stern(e) 1 Stimme

Eva

Mitglied
Vorweihnacht im Probenraum

Als sich die Mitglieder des Orchesters voneinander verabschiedet und das Licht gelöscht hatten, herrschte im Probenraum tiefe Stille. Eine kleine Ewigkeit lang. Doch dann ... ein Knistern hier, ein Knarren da, ein Klappern und Kratzen und - peng! - flog die Tür des Instrumentenschrankes auf. Heraus kletterten ächzend und stöhnend - eine ganze Reihe von Saiteninstrumenten. Allen voran die kleine wendige Primgitarre, es folgten die ersten und zweiten Gitarren und etwas später, recht behäbig, die Bassgitarren. Genüsslich reckten sie die Hälse, dehnten die Saiten und lockerten die Wirbel.
„Endlich sind wir wieder mal unter uns!“ riefen einige und begannen sich um den Taktstock, den Leiter der vorweihnachtlichen Versammlung, zu scharen.
„Macht Platz, wir wollen auch raus!“ klapperten die Klanghölzer und der Schellenring schellte zustimmend: „Eben! Rückt mal ein Stück, meine Schellen sind so verklemmt, die müssen ordentlich durchgeschüttelt werden!“
Die umsichtige Flöte, die gerade dabei war, aus ihrer Hülle zu rutschen, um sich ordentlich zu strecken, bemerkte ein leises Wimmern im obersten Fach und machte die anderen mit einem „Tüdelüt!“ darauf aufmerksam.
„Wer ist denn da so zart besaitet und traut sich nicht heraus?“ fragte brummig eine Bassgitarre. „Ach, natürlich, die Fiedel. Stell dich nicht so an und komm schon!“ forderte sie die zierliche Violine auf. Ein Notenständer sah sich genötigt, sich zu entfalten und beim Ausstieg behilflich zu sein.
„Wumm, wumm!“ tönte es grollend in der Tiefe des Schrankes. Die schwerfällige Pauke war nicht in der Lage, sich auch nur einen Zentimeter selbständig vom Fleck zu rühren und verfolgte das Geschehen vom Schrankinneren aus.
„Kommen wir gleich zur Sache“, platzte eine der ersten Gitarren heraus. „Meine Freundinnen und ich“, sie deutete auf zwei weitere Gitarren der ersten Stimme, „sind der Meinung, dass unsere hervorragende Klangleistung im allgemeinen Orchestergetöse nicht genügend zur Geltung kommt. Deshalb werden wir das diesjährigen Weihnachtskonzert als Trio bestreiten. Ihr könnt euch alle bis nächstes Jahr ausruhen. Das ist doch für euch in Ordnung, nehme ich an.“
Den anderen Gitarren blieb vor Entsetzen der Ton im Halse stecken. Durch wie viele endlose Übungsstunden hatten sie sich schon gequält und nun - das Programm stand kurz vor der Vollendung - so eine absurde Idee! Die kleine Violine wagte vorsichtig einen Einwand: „Wird das nicht ein bisschen ‚mager’ klingen – nur ihr drei?“
Die erste Gitarre starrte sie ungläubig an. „Was sagst du da? Deine Frechheit ist ungeheuerlich! Überspann den Bogen nicht, du kleines Wimmerholz!“
Die Flöte eilte zu Hilfe: „Bitte, meine Damen, sie hat es nicht so gemeint! Doch auch ich habe meinen Teil der Partitur fleißig geübt und würde ihn gern mit allen gemeinsam vortragen.“
„Teil dir deine Luft gut ein, sonst bläst du bald auf dem letzten Loch!“ entgegnete hochnäsig ein Mitglied des selbsternannten Trios.

„Hier die Musik spielt!“, meldete sich der Taktstock zu Wort. „Ihr drei seid tatsächlich hervorragende Instrumente und kommt aus guten Hause. Aber heut vergreift ihr euch im Ton. Wir haben uns alle gut auf das Weihnachtskonzert vorbereitet und freuen uns auf den Auftritt.“
Aufgebracht schnitt ihm eine der ersten Gitarren das Wort ab: „Du willst hier den Ton angeben und kriegst selbst keinen einzigen heraus! Wie passt denn das?“ und die beiden anderen fielen ein: „Du kannst nur Löcher in die Luft stechen, weiter nichts!“
Das war zuviel. Wie ein Sturm tobten nun Anschuldigungen, Beleidigungen, Schmährufe und Schimpfworte durch den Proberaum.

„Wumm!“ Ein mächtiger Donnerschlag kam aus der Schrankecke. Und noch einmal „Wumm!“ Allmählich verstummten die aufgebrachten Stimmen. „Was seid ihr drei Klampfen für ein selbstsüchtiges Pack! Ich hab ganze Nächte lang gepaukt, um mein Taktgefühl zu trainieren. Da werd ich doch Weihnachten nicht im Schrank bleiben!“ Die Pauke grollte so lange vor sich hin, bis sich die Schlegel endlich beruhigt hatten.

Der Taktstock wandte sich noch einmal an die aufgeregte Menge: „Beruhigt euch, meine Lieben! Bei solcher Überspannung ist schon manche Saite gerissen. Wir geben den dreien eine Chance. - Dann lasst mal hören, was ihr drauf habt.“
„Jetzt sofort? Nur wir drei? Ähm ..., na gut, also ...“ Zögernd erklangen ein paar schiefe Töne. Die Notenblätter auf den Ständern drehten sich vor Entsetzen um. „Oh! Das Stimmgerät muss her“, kommandierte schrill eine Gitarre. Nun klang es etwas angenehmer. Doch die nächste Gitarre hatte den Einsatz verpasst. „Was war los?“ regte sich die dritte auf. „Ich hab doch ‚drei, vier’ gesagt.“ „Du bringst mich völlig aus dem Takt – so, wie du zählst. Ob der werte Taktstock mal ein bisschen mitarbeiten könnte?“ Es ging leidlich voran. „Irgendwie klingt es leer. Wo bleibt die Stimme, die uns umspielt, untermalt und unsere Melodie hervorhebt?“
Zaghaft setzten ein paar Gitarren der zweiten Stimme ein. „Schon besser!“ gab eine der ersten Gitarren widerstrebend zu, „doch es fehlt noch die richtige Tiefe. Ob uns der Bass wohl seine Begleitung anbieten würde?“ „Nur, wenn ihr mich darum bittet!“ kam es brummig aus der dritten Reihe. Ach, das fiel schwer!

Die kleine Flöte allerdings wollte sich die Freude am Musizieren nicht länger nehmen lassen und setzte sich über allen Ärger hinweg. Sie ließ ein aufmunterndes „Tüdelüt!“ hören, begann unaufgefordert mit ihrer Oberstimme und hoffte, dass die anderen ihrem Vorbild folgen würden.
Es dauerte zwar eine ganze Weile, doch endlich hatten sich die meisten Instrumente wieder im Wohlklang vereint. Die zarte Violine war davon so gerührt, dass ihr ein herzzerreißendes Schluchzen entwich. Das wiederum veranlasste die Pauke zu donnerndem Beifall, den Schellenring zu fröhlichem Klingeln und die Klanghölzer zu aufgeregtem Klappern.

Der Taktstock atmete auf. „Du liebes Sechszehntel! – Das wäre beinahe schief gegangen.“ Entschlossen übernahm er wieder die musikalische Leitung, rief „Da capo!“ in die Runde und begann voller Vorfreude und auf alt bewährte Weise Löcher in die Luft zu stechen.
Das Weihnachtskonzert konnte kommen ...
 

Eva

Mitglied
Vorweihnacht im Probenraum
Als sich die Mitglieder des Orchesters voneinander verabschiedet und das Licht gelöscht hatten, herrschte im Probenraum tiefe Stille. Eine kleine Ewigkeit lang. Doch dann ... ein Knistern hier, ein Knarren da und - peng! flog die Tür des Instrumentenschrankes auf. Heraus kletterten ächzend und stöhnend - eine ganze Reihe von Saiteninstrumenten. Allen voran die kleine wendige Primgitarre, es folgten die ersten und zweiten Gitarren und etwas später, recht behäbig, die Bassgitarren. Genüsslich reckten sie die Hälse, dehnten die Saiten und lockerten die Wirbel.
„Endlich sind wir wieder mal unter uns!“ riefen einige und begannen sich um den Taktstock, den Leiter der vorweihnachtlichen Versammlung, zu scharen.
„Macht Platz, wir wollen auch raus!“ klapperten die Klanghölzer und der Schellenring rief: „Eben! Rückt mal ein Stück, meine Schellen sind so verklemmt, die müssen ordentlich durchgeschüttelt werden!“
Die umsichtige Flöte, die gerade dabei war, aus ihrer Hülle zu rutschen, um sich ordentlich zu strecken, bemerkte ein leises Wimmern im obersten Fach und machte die anderen mit einem „Tüdelüt!“ darauf aufmerksam.
„Wer ist denn da so zart besaitet und traut sich nicht heraus?“ fragte mitfühlend eine Bassgitarre. „Ach, natürlich, die Fiedel. Komm schon!“ forderte sie die zierliche Violine auf. Ein höflicher Notenständer begann sofort, sich zu entfalten, um beim Ausstieg behilflich zu sein.
„Wumm, wumm!“ tönte es grollend in der Tiefe des Schrankes. Die schwerfällige Pauke war nicht in der Lage, sich auch nur einen Zentimeter selbständig vom Fleck zu rühren und verfolgte das Geschehen vom Schrankinneren aus.
„Kommen wir gleich zur Sache“, platzte eine der ersten Gitarren heraus. „Meine Freundinnen und ich“, sie deutete auf zwei weitere Gitarren der ersten Stimme, „sind der Meinung, dass unsere hervorragende Klangleistung im allgemeinen Orchestergetöse nicht genügend zur Geltung kommt. Deshalb werden wir das diesjährigen Weihnachtskonzert als Trio bestreiten. Ihr könnt euch alle bis nächstes Jahr ausruhen. Ich denke, das ist für euch in Ordnung.“
Den anderen Gitarren blieb vor Entsetzen der Ton im Halse stecken. Durch wie viele endlose Übungsstunden hatten sie sich gequält und nun - das Programm stand kurz vor der Vollendung - so eine absurde Idee! Die kleine Violine wagte vorsichtig einen Einwand: „Wird das nicht ein bisschen ‚mager’ klingen – nur ihr drei?“
Die erste Gitarre starrte sie ungläubig an. „Was sagst du da? Überspann den Bogen nicht, du kleines Wimmerholz!“
Die Flöte eilte zu Hilfe: „Bitte, meine Damen, sie hat es nicht so gemeint! Doch auch ich habe meinen Teil der Partitur fleißig geübt und würde ihn gern mit allen gemeinsam vortragen.“
„Teil dir deine Luft gut ein, sonst bläst du bald auf dem letzten Loch!“ entgegnete hochnäsig ein Mitglied des selbsternannten Trios.

„Hier spielt die Musik!“, meldete sich der Taktstock zu Wort. „Ihr drei seid tatsächlich hervorragende Instrumente und kommt aus guten Hause. Aber heut vergreift ihr euch im Ton. Wir haben uns alle gut auf das Weihnachtskonzert vorbereitet und freuen uns auf den Auftritt.“
Aufgebracht schnitt ihm eine der ersten Gitarren das Wort ab: „Du willst hier den Ton angeben und kriegst selbst keinen einzigen heraus! Wie passt denn das?“ und die beiden anderen fielen ein: „Du kannst nur Löcher in die Luft stechen, weiter nichts!“
Das war zuviel. Wie ein Sturm tobten nun Anschuldigungen, Beleidigungen und Schmährufe durch den Proberaum.

„Wumm!“ Ein mächtiger Donnerschlag kam aus der Schrankecke. Und noch einmal „Wumm!“ Allmählich verstummten die aufgebrachten Stimmen. „Was seid ihr drei Klampfen für ein selbstsüchtiges Pack! Ich hab ganze Nächte lang gepaukt, um mein Taktgefühl zu trainieren. Da werd ich doch Weihnachten nicht im Schrank bleiben!“ Die Pauke grollte so lange vor sich hin, bis sich die Schlegel endlich beruhigt hatten.

Der Taktstock wandte sich noch einmal an die aufgeregte Menge: „Beruhigt euch, meine Lieben! Bei solcher Überspannung ist schon manche Saite gerissen. Wir geben den dreien eine Chance. - Dann lasst mal hören, was ihr drauf habt.“
„Jetzt sofort? Nur wir drei? Ähm ..., na gut, also ...“ Zögernd erklangen ein paar schiefe Töne. Die Notenblätter auf den Ständern drehten sich vor Entsetzen um. „Oh! Das Stimmgerät muss her“, kommandierte schrill eine Gitarre. „Ohne mich geht es wohl doch nicht, was?“ flüsterte leise das Stimmgerät und verschenkte – großzügig wie immer – seine sauberen Töne. Nun klang es etwas angenehmer. Doch die nächste Gitarre hatte den Einsatz verpasst. „Was war los?“ regte sich die dritte auf. „Ich hab doch ‚drei - vier’ gesagt.“ „Du bringst mich völlig aus dem Takt – so, wie du zählst. Ob der werte Taktstock mal ein bisschen mitarbeiten könnte?“ Ungern kam er der barschen Aufforderung nach. Nun ging es leidlich voran. „Irgendwie klingt es leer. Wo bleibt die Stimme, die uns umspielt, untermalt und unsere Melodie hervorhebt?“
Zaghaft setzten ein paar Gitarren der zweiten Stimme ein. „Schon besser!“ gab eine der ersten Gitarren widerstrebend zu, „doch es fehlt noch die richtige Tiefe. Ob uns der Bass wohl seine Begleitung anbieten würde?“ „Nur, wenn ihr mich darum bittet!“ kam es brummig aus der dritten Reihe. Ach, das fiel den drei Damen schwer!

Die kleine Flöte allerdings wollte sich die Freude am Musizieren nicht länger nehmen lassen und setzte sich über allen Ärger hinweg. Sie ließ ein aufmunterndes „Tüdelüt!“ hören, begann unaufgefordert mit ihrer Oberstimme und hoffte, dass die anderen ihrem Vorbild folgen würden.
Es dauerte zwar eine ganze Weile, doch endlich hatten sich die meisten Instrumente wieder im Wohlklang vereint. Die zarte Violine war davon so gerührt, dass ihr ein herzzerreißendes Schluchzen entwich. Das wiederum veranlasste die Pauke zu donnerndem Beifall, den Schellenring zu fröhlichem Klingeln und die Klanghölzer zu aufgeregtem Klappern.

Der Taktstock atmete auf. „Du liebes Sechszehntel! – Das wäre beinahe schief gegangen.“
Entschlossen übernahm er wieder die musikalische Leitung, rief „Da capo!“ in die Runde und begann voller Vorfreude und auf alt bewährte Weise Löcher in die Luft zu stechen.
Das Weihnachtskonzert konnte kommen ...
 



 
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