Internationaler Weltfrauentag

krokotraene

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André streicht verträumt über die einseitige Werbeeinschaltung in der aktuellen Tageszeitung. "Freitag, 08.03.2013 ist wieder Internationaler Weltfrauentag. Vergessen Sie nicht Ihrer Frau Blumen zu schenken!"

Plötzlich zieht er rasch seine Hand zurück. Er kommt sich ein wenig dumm vor. So Gedankenverloren wie er vor der Einschaltung sitzt.

Der Internationale Frauentag war für seine Frau fast der wichtigste Tag im Jahr. Er erinnert sich an seinen ersten gemeinsamen achten März vor mittlerweile zwanzig Jahren. Damals kam er abends nachhause. Das Essen stand wie immer duftend am Tisch und er freute sich wie jeden Tag auf einen gemütlichen Abend mit seiner geliebten Freundin. Sie waren damals seit einem knappen Jahr ein Paar und noch immer frisch verliebt. Seine Freundin war eine ausgezeichnete Köchin und es schmeckte wie gewöhnlich herrlich und verführerisch. André freute sich schon auf den Ausklang des Abends.

Nach dem Essen schlug die Stimmung plötzlich rasant um. Anstatt das schmutzige Geschirr abzuräumen und mit dem Abwasch zu beginnen, bäumte sich Diana vor André auf. Sie stemmte ihre zierlichen Hände in die Hüften und funkelte ihren Geliebten auf eine bisher unbekannte Weise an.
"Du hast vergessen!"

André zuckte zusammen. Wie ein Film liefen die letzten Minuten, Stunden, Tage, Wochen vor ihm ab. Der Jahrestag war erst in 21 Tagen. Einkaufsliste hatte sie heute morgen keine geschrieben. Mit dem Hund war er noch vor dem Essen rasch vor der Tür. Er war sich eigentlich keiner Schuld bewusst.

Diana brach weinend zusammen und griff zur Küchenrolle. Sie heulte und schluchzte. Die Küchenrolle war bald verbraucht und die angeschnäuzten Tücher lagen in der ganzen Küche verteilt. André hatte große Schwierigkeiten seine Freundin zu beruhigen und musste diverse Register ziehen um aus ihr den Grund für ihre Heulattacken zu kitzeln. Irgendwann schniefte sie vor sich hin:
"Du hast den Welttag der Frauen vergessen. Ich bin Dir nichts wert!"

André packte seinen Mantel, stürmte zu seinem Auto und fuhr zur nächsten Tankstelle. Fast hätte er sich mit einem anderen Mann um die letzten Blumen geprügelt. Als er abgehetzt wieder zuhause ankam und Diana die Blumen sah, war die Welt wieder in Ordnung.

Seine große Liebe legte besonders Wert auf jeden Festtag. Egal ob Geburtstag, Namenstag, Ostern, Weihnachten, Valentinstag, Jahrestag und was sonst noch in ihrem Leben wichtig erschien. Natürlich ganz besonders auf den Welttag der Frauen am 08. März jeden Jahres. André hatte in den Jahren der Zweisamkeit nicht mehr gezählt wie oft er diesen Tag vergessen hatte. Es war fast jedes Jahr das gleiche Theater und viele Küchenrollen mussten ihr Leben opfern.

Die Jahre zogen ins Land, die erste Verliebtheit war schon längst vorbei. Der Alltag hatte die Beziehung fest im Griff. Diana hatte nach der Hochzeit ihren Job aufgegeben. Sie wollte sich um Haus und Garten kümmern. Bald kam das erste Kind und das Geld wurde knapp. André bewarb sich um einen neuen Job der mehr Geld in die Haushaltskasse spielte.

Diana war den ganzen Tag im Haus. Sie versorgte das Kind, betreute den Haushalt und den Garten. Der Hund musste bald ein neues Zuhause suchen, da Diana mit der Hauswirtschaft völlig überlastet war. Der Hund war für sie eine zusätzliche, unerträgliche Belastung. Ständig das Gassi-gehen, ständig die Haare im ganzen Haus und das verstreute Spielzeug meuterte sie immer öfter.

André verstand es nicht. In seinen Augen hatte sie nicht wirklich viel zu tun. "Das bisschen Haushalt!", hielt er ihr nicht einmal vor. Er schuftete täglich stundenlang schwer in einer Fabrik. Die Arbeit powerte ihn immer mehr aus. Am Sonntag, am Tag des Herren, wann er sich endlich einmal ausschlafen wollte, zwang ihm Diana das Kind auf. Sie brauche einen Tag für sich. Einmal nur Auszeit. Er würde es nicht verstehen. Wie er nur so ein roher Mensch sein kann? Er habe kein Herz für sie! Sie schufte die ganze Woche und sie würde nur einen einzigen Tag gerne einmal Zeit für sich haben. Er würde doch auch einmal auf das gemeinsame Kind aufpassen können. Sie lag dann den ganzen Sonntag faul auf der Couch und starrte in den Fernseher.

Und dann kam wieder der Weltfrauentag. Und André hatte ihn wieder einmal vergessen. Er kam wie schon so oft ohne Blumen nachhause. Kurz darauf hörte er hinter Diana die Tür ins Schloss fallen.


Es läutet an der Tür. André springt von seiner Zeitung auf. Als er die Tür öffnet starrt er auf einen großen Strauß roter Rosen. Seine absoluten Lieblingsblumen. So zierlich, so zerbrechlich und dennoch mit ihren Dornen so gefährlich. Er steckt seine Nase ganz tief in das Blumenmeer und zieht den Duft tief in seine Lungen auf. Dann tänzelt er davon um eine Vase zu holen.

Die roten Rosen erhellen das sonst in weiß getünchte Wohnzimmer. Ein Farbklecks in der Normalität. André vernimmt eine liebevolle Stimme: "Wie war Dein Tag mein geliebter Schatz?"

Er lässt sich laut schnaufend auf die weiße Ledercouch fallen. "Ach!", er greift sich theatralisch an seine Stirn, "Wäsche waschen, Geschirr abtrocknen, Rasen mähen, Fenster putzen!"

"Ach, mein Liebling, Du musst ja ganz fertig sein. Und das am Internationalen Frauentag! Du Armer! Dagegen war ja mein Tag direkt ein Honiglecken. Ein paar Abschlüsse für Lebensversicherungen und eine neue Haushaltsversicherung. Schatz, ich sage Dir, es war ein erfolgreicher Tag. Wir haben wieder eine Menge Provision eingefahren!"

André schnauft noch einmal lautstark. Er erhebt sich schwerfällig von der Couch und schlürft Richtung Badezimmer: "Liebling, ich habe uns ein frisches Bad eingelassen. Mit Rosenwasser. Komm, die Temperatur müsste gerade richtig sein! Und ich freue mich schon darauf Dich einseifen zu können." Er starrt sein Gegenüber liebevoll und lüstern an.

"Och nein, och ich liebe Dich so!" Heimo drückt sich an André und küsst ihn sinnlich. Liebevoll gibt er André einen Klapps auf den Po. Der springt entzückt und johlend auf. "Ach mein Lieber, komm in die Wanne. Wir feiern den Frauentag!"
 



 
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