Inversmärchen

hades

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Inversmärchen

Es lebten vor langer Zeit ein König und eine Königin und ihrer hübschen aber langweiligen Tochter Elisa. Sie waren sehr reich und konnten sich alles leisten, was immer sie wünschten. Natürlich waren sie dekadent, denn sie brauchten für ihren Reichtum ja nicht zu arbeiten.
Da Dekadenz aber öde ist, dachten sie sich blödsinnige Spiele aus, mit denen sie ihre Untertanen beschäftigen könnten. So holten sie sich eines Tages einen siebenköpfigen Drachen, den man seinerzeit noch fast an jeder Ecke bekam, und setzten ihn im großen Wald ihres Reiches aus. Sodann ließen sie verkünden, dass im großen Reichswald ein böser gefährlicher Drache hause, der es auf die holde Elisa abgesehen habe und verlange: sie solle ihm in der Nacht des Vollmonds, wie in Märchen üblich, geopfert werden.
Als der Drache dies erfuhr, war er sehr indigniert. Er hatte schon genug damit zu tun, seine sieben Mäuler satt zu bekommen. So mochte er eigentlich keine Störung leiden. Da er Vegetarier war und auch aus anderen Gründen nicht auf magere Menschenprinzessinnen stand, legte er am Königspalast ein Veto ein. Ignorant, wie Könige nun mal sind, drängten sie ihm dennoch ihre Tochter auf.
Aber auch den Untertanen ging Elisa am Arsch vorbei. Sie hatten genug zu tun und benötigten keine Beschäftigungstherapie mit irgendeinem durchgeknallten Drachen. Wie in jedem Märchen, so gab es auch hier einen Trottel, der sich einbildete, die schöne Elisa aus den Klauen des Ungeheueres befreien zu müssen. Wenn man ihn genau ansah, konnte man es auch verstehen. Mit seiner Akne hatte er eh noch nie ein Mädchen abbekommen, und so kam ihm die Geschichte mit dem Drachen gerade recht. So zog er als Einziger hinaus, um ihm die schöne Elisa abzuringen. Er hatte gerade die Geschichte vom tapferen Schneiderlein gelesen; deshalb steckte er sich einen Handkäs in seine Tasche. Als er nun gen Reichswald zog, duftete der Käs dem Helden gewaltig voraus. Unser Drache aber hatte sieben feine Nasen und war entrüstet ob dieser Luftverunreinigung. Da er mit seinen Köpfen die Voraussetzungen für einen eingetragenen Verein erfüllte, gründete er flugs einen gegen das öffentliche Tragen von altem Handkäs. Interne Streitereien über Einzelheiten der Vereinssatzung sind nicht Gegenstand des vorliegenden Märchens.
Der Held wusste von all dem nichts und dachte nur an die aknefreie Prinzessin.
Wie immer in derartigen Geshichten trafen er und der Drache tatsächlich aufeinander. Der Held zog sein Schwert; doch als er den siebenköpfigen Drachen sah, schiss er sich fast in die Hose. Er erinnerte sich noch rechtzeitig an sein Vorbild, das Schneiderlein, und zog drohend den Handkäs heraus. Der Drache war gegen einen derartig massiven Angriff noch nicht hinreichend gerüstet, und so muss es entschuldigt werden, dass sein Demoschild gegen Luftverpestung durch alten Handkäs im Reichswald noch sehr unprofessionell wirkte. Der Held steckte daraufhin das Schwert zurück in die Scheide und sah fortan sein Recht zum freien Tragen von Handkäs beeinträchtigt. Es entstand ein harter langwieriger Grundsatzstreit zwischen Held und Drache.
Die schöne Elisa indes war vergessen. Der Held bemerkte nicht einmal, dass der Kampf um seine Rechte das beste Mittel gegen Pickel war und er diese öde Prinzessin eh nicht heiraten musste.
So leben auch heute noch schöne aknefreie Prinzessinnen ohne einen Prinz, weil diese ihre Zeit mit sinnlosen Diskussionen über Handkäserechte vergeuden.

© Erich Romberg, Mai 2000
 
ueber inverses und umgekehrtes

ich haette ja die wortwahl maerchentypischer
vorgenommen, dann haette der inhalt noch
mehr mit dem genre kontrastiert ;o)
die kombination von stereotypen erzaehlsituationen
zu einem ueberraschenden ganzen liegt mir ja
auch sehr nahe.

ich frage mich allerdings, warum du
das hier aufgehaengt hast und nicht unter
erzaehlungen, satire, kurzgeschichten, fantasy
oder gar erotisches ...
 



 
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