Irr

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Vera-Lena

Mitglied
Irr

So viele Male zusammengefaltet
bist du und wieder gab einer den Knick.
Und wieder hat einer dich umgestaltet,
dich passend verkleinert in dein Geschick.

Errettend hast du jetzt neu dich erfunden,
das Abziehbild kindwärts blieb dir kein Traum,
ein Fremdling tanzt deine Lebensstunden,
Entäußertes trügt deinen Innenraum.
Die Schnipsel davon versteckst du in Ecken,
suchst Nester, verbirgst sie ängstlich darin.

Wer wird deine Ganzheit wiedererwecken,
entfalten den Ursprung : bin der ich bin.
 

Dorothea

Mitglied
aus Zerbrochenem sich neu zusammensetzen

Hallo Vera-Lena,
die erste Strophe deines Gedichtes hat mich so stark angesprochen, dass ich spontan zu einer "8" gegriffen habe, obwohl mir die zweite Strophe schwer in meinem Lesemagen liegt.

Errettend hast du jetzt neu dich erfunden,
[red]das Abziehbild kindwärts blieb dir kein Traum,
ein Fremdling tanzt deine Lebensstunden,
Entäußertes trügt deinen Innenraum.[/red]

Die rot hervorgehobenen Zeilen verstehe ich nicht trotz langem Nachsinnens und Grübelns.
Bitte einen kleinen Tip für eine faszinierte Leseratte.
LG.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Dorothea,

dieses ist ein schwieriger Text. Lieb von Dir, dass Du Dich trotzdem darauf einlässt.:)

Ein Mensch dem von Kindheit her eingeredet wird, dass er böse ist, dass er nichts taugt, hat seinen Verstand verloren, ist geisteskrank geworden.
Das äußert sich für andere vielleicht so, dass er ,wie beim Größenwahn, vorgibt Cäsar zu sein oder wer immer.

Er hat sich neu erfunden. Er hat sich vielleicht das Bild eines Vierjährigen, was oder wie er einmal als Erwachsener sein möchte, wieder hervorgeholt und nun für sich selbst wie ein Abziehbild übergestreift.
Das, was ihn eigentlich ausmacht, dessen hat er sich entäußert, weil es von der Umwelt nicht anerkannt wurde. Dieses Entäußerte ist aber natürlich noch um ihn herum als eine geistige Welt wenigstens bruchstückhaft vorhanden und narrt ihn, indem es sich dann doch wieder als sein Ureigenes Inneres ausgibt. "Verrückte" haben durchaus ihre lichten Momente in denen sie sogar wissen, dass sie krank sind. Sind sie wieder ganz in ihr Kranksein abgeglitten, leugen sie aber ihre Erkrankung.
Aber innerhalb der Krankheitsphasen sind sie sich eigentlich fremd, obgleich sie selbst das gerade dann nicht wahr haben wollen.
Liebe Dorothea, ich weiß nicht, ob ich das jetzt wirklich erklären konnte.
Das ist ja der Vorzug von Lyrik, dass man manchmal ahnend etwas verstehen kann, wofür es normalerweise einen ganzen Votrag brauchte.
Ich danke Dir ganz herzlich für Dein Interesse.:)
Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 
K

Klopfstock

Gast
Liebe Vera-Lena,
ich habe es schon gelesen, als noch kein Kommentar
drunter stand, wollte aber abwarten ob sich das, was
ich erfühlt habe, auch bestätigt - das hat es getan.
Übrigens finde ich dieses Gedicht einfach super gelungen -
ganz besonders, weil Du Reime verwendest und das ist
eine sehr schmale Gratwanderung, bei ernsthaften Themen.
Du hast es aber geschafft nicht umzukippen und man muß Dir eine Gratulation aussprechen, was ich hiermit tun möchte!!!

Meine absolute Lieblingsstelle ist "Ein Fremdling tanzt
deine Lebensstunden" - besser könnte man das "sich selber
fremdsein" nicht beschreiben....
Gefällt mir wirklich ausgezeichnet!!!

Dir einen schönen Abend noch
und ganz liebe Grüße
Irene:)
 
S

Stoffel

Gast
guten Abend Vera,

den Sinn erfasse ich und verstehe es sicher. Im Großen und Ganzen gefällt es mir. Nach meiner Interpretation...etwas dennoch:

Irr

So viele Male schon zusammengefaltet
bist du und wieder machte einer den Knick.
Und wieder hat einer dich umgestaltet,
dich passend verkleinert nach seinem Geschick.

lG
Sanne
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Irene,

danke für Deine Antwort!:)
Mit den Reimen hast Du unbedingt Recht. Mitten beim Schreiben habe ich immer wieder gezweifelt, ob das der richtige Weg ist. Aber als es fertig war habe ich doch gesehen, dass ich haarscharf die Kurve bekommen habe.

Es ist ein so kummervolles Thema, ich bin wirklich froh, dasss ich das endlich einmal gestalten konnte.

Dir noch einen schönen Abend und danke auch für Dein Lob!
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Sanne,

es war sehr schwierig bei einer Silbenzahl von 10-11 Silben den Rhythmus gleichmäßig hinzubekommen. So ein Text ist echt eine Bastelarbeit. Natürlich könnte ich rein inhaltlich die ersten Zeilen so umschreiben, wie Du es vorschlägst, aber der Rhythmus ist dann kaputt.

Dass das Wort Geschick zwei Bedeutungen hat, ist mir inzwischen schon per Mail klar gemacht worden. Ich meine aber nicht "Geschicklichkeit sondern "Schicksal", und deshalb muss ich das so stehen lassen.

Ich danke Dir herzlich für Dein Interesse an diesem traurigen Text, der mich, als er fertig war, ein bisschen an Deinen "Engel auf Erden" erinnert hat. Dich vielleicht auch? Es sind ja beides von anderen gequälte Wesen.
Mein Text beschäftigt mich schon seit vielen Jahren, aber bis jetzt hatte ich es nicht gewagt, ihn endgültig anzupacken. Vielleicht hast Du mich unbewusst durch deinen Text unterstützt und ermutigt.
Dir noch einen schönen Abend und liebe Grüße von Vera-Lena
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Vera-Lena,

wirklich kein einfaches Gedicht.
Ich habe lange über "den Knick geben" nachgedacht.
Eigentlich passt es besser zu Kick.
"So viele Male zusammengefaltet
bist du und wieder gab einer den Knick."
Du meinst hier, daß "Du" erneut gefaltet wurde.
Aber einen Knick oder Falz gibt man nicht.

Vielleicht hat aber Kick auch seinen Reiz. Zum einen ist es ein Tritt zum anderen auch ein Anstoß.

cu
lap
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber lapsi,

danke, dass Du über diese Formulierung nachdenkst. Ja, der Kick ist naheliegend, hat aber in meinem persönlichen Sprachgebrauch eine positive Richtung. Einen Kick bekommt man, um sich ans Werk zu machen usw. Diesen Knick kriegt man wieder einmal ab, um sich noch geknickter zu fühlen. Ich denke, wenn man von Bildlichen des Zusammenfaltens weggeht ins Übertragene, dann ist auch der Knick, als etwas, das einem jemand verpasst hat, überzeugend.

Ja, aber Du hast schon auch Recht, in den nachfogenden Zeilen wird so stark verdeutlicht, dass es bei diesem "Kick" in die negative Richtung geht, dass man das Wort "ganz neutral als Anstoß" verwendet empfinden könnte.

Ich ringe noch mit mir.............
Ich übernehme es.
Danke!:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
K

Klopfstock

Gast
Nicht böse sein, Vera-Lena,
aber der "Kick" verdirbt alles. Schon dieses Wort als
solches...brrrr...

Liebe Grüße
Irene;)
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Irene,

es ist mir durchaus wichtig, wie andere das sehen!
Darum danke für Deine Meinungsäußerung!:)

Liebe Grüße und Wünsche für ein schönes Wochenende von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Ihr Lieben:)

ich bin nun doch bei dem "Knick" geblieben, ehe ich mich selber bei dem Hin und Her auch schon ganz zerknittert fühle.;)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
S

Stoffel

Gast
lieber Vera,

ok, "Knick" ist sicher kein schöööönes Wort..
wie ist es denn mit einem doppeldeutigem "Kniff"?

War nur mal noch ein Gedanke.
Sonst finde ich es wirklich gut gelungen. Denn so ist es oft.

lG
Sanne
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe stoffel,

die Reimerei ist wirklich eine schwierige Angelegenheit. Natürlich passt der Kniff da inhaltlich rein, aber in den Reim passt er nicht.
Danke fürs Kopfzerbrechen!;)
Dir einen schönen Abend!:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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