Ist dir langweilig?

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Toe

Mitglied
"Mir ist langweilig, erzähl mir mal was!" wurde ich kürzlich aufgefordert. Ich war in Gedanken, überhaupt nicht gewillt mich zu unterhalten und ich fühlte mich auch nicht verpflichtet, die Langeweile dieser Person zu vertreiben. Sich Gedanken zu machen ist nicht langweilig und denken sollte man alleine können. So antwortete ich also mit dieser Geschichte:

"Es ist 18h30, nicht heute, weder gestern, noch damals. Es ist der 7. April 5357 und das, die Uhrzeit nicht das Datum, bedeutet, dass der Tag noch 13 Stunden und 15 Minuten dauert. Ja, auch die Erde ist älter geworden und dreht sich nicht mehr so flott wie früher. Mutter Erde und der Rest der Menschehit, bleiben aber wach. Wir, weil es hell ist, sechsundzwanzigeinhalb Stunden am Tag, das ganze Jahr und überall auf dem Planeten (die Sonne hatte sich dreigeteilt). Die Erde, weil sie nicht anders kann, als wach zu bleiben und sich weiterzudrehen. Und das schon viel, viel länger als wir. Die Arme.

Essen gibt es schon lange nicht mehr, die Bäume sind kahl, die Tiere tot. Stattdessen gibt es Pillen die uns satt machen. Dieselben Pillen, die uns unendlich leben ließen, dafür aber unfruchtbar machten. Wir dachten irgendwer würde schon sterben wollen und die Pille nicht nehmen und damit für "Abwechslung" sorgen. Wir irrten! Wir alle! Alle namen die Pille, natürlich! Jeder wollte leben, gierig wurde sie von allen geschluckt und so sind noch alle da. Wir kennen uns jetzt untereinander. Ziemlich gut sogar.

Ideen hat kaum einer mehr. Eigentlich gibt es gar keine mehr. Niemand hat mehr welche. Auch Musik gibt es nicht mehr. Wir können sie nicht mehr hören. Erstens weil wir sie schon zu oft gehört haben und zweitens weil unsere Sinne verkümmert sind. Das Gehör, wie gesagt, weil uns die Musik irgendwann zuwider war. Jeder Ton wurde schon geschrieben und jede Zeile gesungen. Das neueste Lied stammt aus dem Jahr 4358. Da es auch sonst nichts neues gab, wurde schon über alles gesprochen, folglich stellten wir die Gespräche ein. Das Gehör wurde überflüssig und verkümmerte...Ja, und das Schmecken. Ohne Essen verlernt man das Schmecken und die Pille schmeckt nicht. Sex hatten wir noch länger, das geht ohne Musik und Geschmack. So bis in die 80erJahre des 42 Jahrhunderts, aber wie gesagt kennen wir uns jetzt mittlerweise recht gut, zu gut um Sex miteinander zu haben...seitdem können wir auch nicht mehr fühlen. Warum wir nicht mehr riechen können kann ich gar nicht sagen. Ich glaube es hat einfach alles an Aroma verloren über die Jahre. Vielleicht riecht man es auch einfach nicht mehr. Ist ja alles schon mehrfach gerochen worden und längst abgenutzt.

Ganz verlassen haben uns die Sinne doch nicht, wir können sehen (bis auf die Blinden natürlich). Aber was man sieht, hat man schon gesehen. Schließen wir die Augen ist es dunkel, eine schöne Abwechslung zum immerhellen Tag. Es ist zum Verzweifeln, das man vor Langeweile nicht sterben kann.
Was mache ich denn jetzt noch den ganzen Tag und was mache ich Morgen, und Übermorgen, nächste Woche, und in einem Monat, das Jahr danach, und im nächsten Jahrhundert und danach, weiter warten? Warten darauf, dass die Erde aufhört, sich zu drehen!"
 

Zefira

Mitglied
Herzlich willkommen in der Lupe, Toe.

Was für eine finstere Vision!

So ganz glauben kann ich nicht, daß es so kommt, denn in Wahrheit gibt es ja schon seit Mozart keine neuen Melodien mehr und in der Literatur kauen wir seit Jahrhunderten dieselben alten Motive wieder, ohne je genug davon zu kriegen (die Lupe ist der beste Beweis dafür). Aber trotzdem eine originelle Vision... besonders der Rahmen als "Erzählung zur Vertreibung der Langeweile".

Ein paar Tippfehler sind noch drin ("Menschehit", was für'n Hit!) und wie das mit den slashs vor den Anführungszeichen kommt, weiß ich nicht so recht, aber egal... nehmen wir's nicht so genau, im Jahr 5357 kräht kein Hahn mehr danach (gibt ja auch gar keine Hähne mehr).

Fröhliche Zukunft wünscht
Zefira
 



 
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