Ja auf See, da iss wat los

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Ja auf See, da iss wat los

Dat Geld ausse Panzerverschrottung juckte meine Berta schrecklich inne Finger. Sie wurde täglich unruhiger. Sie wollte dat gute Geld unbedingt zum Fenster rausschmeißen und kam ständig mit neuen Vorschlägen angedackelt.

Heute Morgen hatte Frau Quälgeist wieder ne fabrikneue Idee:
„Willilein“, säuselte se, „kuck ma hier inne Zeitung rein, da wird ne ganz tolle Seereise zum Spartarif angeboten. Vierzehn Tage, zwei Personen, für nur 999 DM! Mittelmeer-Atlantikreise bis Madeira mit die ‚MS Heimat’. Wär dat nich ma wat für uns?
Wir haben doch jetz dat viele Geld versteckt, dat vermehrt sich unter die Matratze nich, und stell dir ma vor, dat würde uns ma geklaut.“

Ich konnte Bertas ausgefallenen Luxuswunsch einfach nich begreifen. „Berta, spinnze jetz total? Andere Menschen wären froh, wenn se ma mit m Zug int Sauerland reisen dürften, Frau Püttmann muss natürlich ne Kreuzfahrt buchen! Berta, so wat iss nur wat für schwerreiche Leute, nich für uns, merk dir dat. Außerdem wird mir schon kotzübel, wenn ich nur an den Seegang denke, und dann erinner dich bitte ma anne Titanic, du weiß ja wohl, wat da mit dem Eisberg passiert iss?
Willze mich loswerden? Soll ich vielleicht auf sonne Reise ersaufen? Dat ganze Leben liegt noch vor mir!“

Ich konnte mich überhaupt nich beruhigen:
„Berta, selbst neureiche Geldsäcke juckeln mit ihrem VW nur bis anne Spaghetti-Riviera. Du muss natürlich mit nem Luxusdampfer durch dat ganze Mittelmeer und den Atlantik kreuzen, bis nach, na, sach schon, wo kommt der billige Wein her? Mattreira?“
„Willi, dat heißt Madeira, dat iss ne Insel im Atlantischen Ozean, hier kuck ma inne Karte rein. Du kannz ja mit m Hintern zu Hause bleiben, ich amüsiere mich auch ohne dich. Ich fahr auf alle Fälle!“
Berta führte ma wieder dat große Wort und piesackte mich täglich mit der verdammten Kreuzfahrt. Die wollte mich auf diese schräge Tour weichkloppen, ich blieb aber unerbittlich.

„Williken, die Herbstferien stehn vor der Tür. Ich hab schon mit Mama gesprochen, die nimmt die Blagen für vierzehn Tage. Sie meinte auch, dat wir uns endlich ma wat gönnen sollten. Und übrigens, der entscheidende Tipp für dat Panzerversteck, der kam von mir, deshalb bestimm ich auch, wohin die Reise gehen tut.“
Ich war nach fünf Wochen dat ewige Maulen und Quengeln satt. Natürlich wollte ich meine Berta auch nich schutzlos inne weiten Welt rumjuckeln lassen.

Berta buchte im Reisebüro dat besagte Sonderangebot: Innenkabine, Neptundeck auffe „MS Heimat“. Sie strahlte, ich schmollte, die Blagen knatschten. Sie mussten inne Ferien zur Oma.
Berta rannte bis einen Tag vor der Reise wie bestusst inne Stadt rum, um Koffer und anderet Reisegedöns zu kaufen.
„Willi, mit Persilkartons kannze son vornehmet Schiff nich betreten, dat macht nen sehr schlechten Eindruck, und neue Klamotten brauch ich auch.“

So völlig überflüssige Käufe hab ich für mich strikt untersagt.

Mit ner erlesenen Reisegruppe von gut zweihundert Personen ging et um 22.05 Uhr vom Bochumer Bahnhof mit dem Zug nach Genua. Todmüde kamen wir nachmittags im Spaghettiland an und wurden mit klapprigen, überhitzten Bussen zum Einschiffen gekarrt.
Vor der „MS Heimat“ wurden wir ganz toll empfangen. Die Bordkapelle spielte extra für uns den zackigen deutschen Marsch: „Alte Kameraden“. Son ausgeflippter Fotograf machte von jedem Passagier Empfangsfotos, und ein Kerl in dunkelblauer Uniform und goldenen Litzen auffe Schulterklappen gab jedem Schiffsgast zur Begrüßung die Flosse.
Zwei Schiffsdiener in beiger Uniform nahmen lächelnd Bertas Überseekoffer, drei Taschen und meinen kleinen Pappkarton. Sie fuhren mit uns per Aufzug fünf Etagen tiefer.
Ich sachte für die Diener:
„Ey, Kameraden, wir befinden uns ja schon längst unter Wasser, dat läuft nich, fahrt sofort wieder hoch. Wenn dat Schiff ma lecken tut, saufen wir hier unten ab wie die Ratten. Wir sind doch nich lebensmüde!“
Der kräftigste vonne beiden erklärte mir dat:
„Mein Herr, Sie haben die preiswerteste Kategorie gebucht, die befindet sich im untersten Deck neben dem Maschinenraum, dem Aufzug und dem Anker. Wir können leider keine Umbuchungen vornehmen, wir sind ausgebucht.“

Ich peilte Berta ma kurz schräg vonne Seite an. Die kannte meine Gedanken!
Gut, als Bergmann unter Tage hab ich schon andere Ängste ausgestanden. Ich wollte auch nich sofort Stunk machen, deshalb hielt ich mein Maul.

Die Kabine war so eng, dat wir uns kaum drehen konnten. Dusche und Lokus maßen zusammen höchstens einen Quadratmeter.

Ich entdeckte son bedrucktet Blatt auffem Bett: „Dinner und Begrüßungsabend für Neptundeck im Pinguinsaal um 20.30 Uhr“.
„Berta, sach ma, wat heißt denn ‚Dinner’?“
„Mensch, Willi, wat bisse fürn ungebildeten Pannemann. Dat iss dat Abendbrot, mittags lunscht du. Merk dir dat, sonst fällze hier schwer auf, da bisse sofort son sozioleten Vogel.“

Die erste Dinner-Abendbrot-Schicht war bereits um 18.30 Uhr, aber nur für die zwei vornehmen oberen VIP-Decks. Ich hatte Hunger wie n Wolf und kriegte vom langen Kohldampfschieben fast n Anfall.

Wir marschierten äußerst pünktlich zum Speisesaal. Am Eingang stand n freundlicher braun gebrannter Herr in schmucker dunkler Uniform, Propeller um, son richtigen feinen Schiffer-Gentlemann im mittleren Alter war dat. Auf seinem Namensschild stand: „Zahlmeister Otto Schluckebier“.

Er begrüßte uns Kerle mit Handschlag, die Weiber mit Handkuss. Berta lief von dem erotischen Handkuss total verwirrt vorneweg und verschwand im Pinguinsaal.
Mich pickte dieser nette Empfangs-Seebär aus der Schar der einfallenden Dinnergäste heraus.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragte er mich, „doch wohl nicht in den Speisesaal, mein Herr?“
„Doch“, sachte ich, „wat meinen Sie denn wohin, ich hab Kohldampf wie n Ochse.“
„Ach, sind Sie nicht der Herr Püttmann vom Neptundeck? Ihre Kabinen-Stewards berichteten mir bereits über Ihre Aversion gegenüber der besagten Deckklasse.“
„Ja, dat bin ich. Ich bin der Willi Püttmann aus Herne-Baukau, dat iss wirklich ein Scheiß-Loch da unten.“

„Herr Püttmann, kommen Sie doch bitte mal mit. Ich erkläre Ihnen mal, wie das hier auf dem Schiff so abläuft. In Ihrem Aufzug können Sie auf keinen Fall beim Dinner erscheinen.“
„Wat soll dat denn heißen, Aufzug? Ich hab ne saubere Badehose am Hintern, frische weiße Kniestrümpfe, und auch dat bunte Hemd iss sauber.
Ich hab keine anderen Klamotten im Karton. Dat iss meine erste und letzte Schiffsreise.“
„Nein, lieber Herr Püttmann, so können Sie nicht zum Dinner erscheinen. Es gibt Bordgepflogenheiten. Sie bekommen von mir für die Zeit Ihrer Reise einen dunklen Anzug geliehen. Ziehen Sie bitte dieses weiße Hemd an und binden Sie sich eine Fliege. Die Turnschuhe tauschen Sie bitte gegen dieses Paar schwarze Schuhe. Die Größe dürfte stimmen.“
Ich war von dem Service echt beeindruckt. „Hörn Se ma, Herr Schluckebier, ich kann keine Fliege binden, können Se dat ma für mich übernehmen?“
„Na klar.“
Er goss uns beiden n doppelten Kognak ein und rief hocherfreut:
„Prima, Herr Püttmann, so gefallen Sie mir!“
Jetz war mir der Zahlmeister echt sympathisch. Son richtigen Kumpeltyp war dat.
„Hömma, Zahlmeister, bei uns im Pütt sagen se alle ‚du’ für einen. Wenne nix dagegen hass, bisse für mich der Ötte, ich bin der Willi. Komm, lass noch ma die Luft ausse Gläser.“
Der Zahlmeister grinste, goss die Schwenker bis zum Rand voll und rief:
„Chiers, Willi! Wir werden bestimmt ne tolle Zeit an Bord verleben!“

Ich wieder ab nach oben zum Dinner-Abendbrot-Saal. Ich suchte meine Berta, die fand ich auch nach n paar Minuten. Die saß mit son paar aufgedonnerten Figuren an einem Sechsertisch und erkannte mich überhaupt nich.
„Ey, Berta, kennze mich nich mehr? Ich bin dein Mann. Hasse schon mit die Herrschaften einen verpitscht?“

Berta war sprachlos. Son fein gekleideten Ehemann hatte se ja noch nie inne Augen gehabt! Sie stellte mir wegen der neuen Klamotten zum Glück keine Fragen.

Ich stellte mich am Tisch mit nem zünftigen „Glück auf “ vor und haute mir, so zum Einstimmen, erst ma ne halbe Pulle Rotwein in den Kopp. Dann ließ ich aufscheppen, dreimal, viermal, fünfmal, bis mein Ranzen den Gürtel quälte.
Ja, und die Leute am Tisch, dat waren richtig feine Pinkel. Alle poften ebenfalls unten im Neptundeck, die Sparschweine hatten auch dat beschissene Sonderangebot gebucht. Dat pensionierte Medizinerehepaar kam aus Gelsenkirchen, dann war da noch ne reiche Fabrikantenwitwe aus Remscheid und n Pastor aus Bochum.
Die Witwe balzte mit mir nach der zweiten Pulle Rotwein äußerst unanständig unterm Tisch rum. Ständig scheuerte sie ihre Käsemauken an meinem vornehmen Leihanzug. Als mir dat im Schritt zu bunt wurde, trat ich ihr zweimal kräftig gegen dat Schienbein, die Olle schrie wie angestochen auf und humpelte, auf ihr Rheuma fluchend, zur Klabautermann-Bar.

Kapitän Kurt Knurrhahn begrüßte alle Passagiere, stellte die Offiziere und Stewards vor, sachte wat Technischet über den Kahn und verzog sich anschließend mit Zahlmeister Otto anne Bar.
Ruck, zuck war dort der Bär los. Die Weiber umzingelten die beiden und rissen sich fast um die armen Kerle. Berta schob ihre Mollis n bissken höher und unternahm nach dem Essen auch n scheuen Annäherungsversuch, kapitulierte aber achselzuckend vor der Übermacht der jüngeren Weiber.

Ja, die Reise war schon wat Schönet. Da hasse ja unheimlich viel Wasser und Himmel gesehen. Auch der Landausflug inne Mittagsglut nach Ibiza-Stadt war toffte, machte aber schwer durstig.
Die übrigen Landgänge ersparten wir uns wegen der tropischen Hitze und haben uns dafür auffem Sonnendeck schön inne pralle Sonne geknallt. Der aufmerksame Steward brachte uns etliche kalte Pilsken und geeiste Cocktails – nur so war die Hitze erträglich.
Wir kommen spätnachmittags in unsere Kabine rein, liegt da inne Koje ne elegante Einladungskarte für n Käptnsdinner. „Kapitän Kurt Knurrhahn gibt sich die Ehre …, Eheleute Berta und Wilhelm Püttmann …,
bla, bla …,Tisch 1, 20.30 Uhr am Kapitänstisch.“

Junge, dat war wirklich ma ne tolle Überraschung. Einige Auserwählte durften heute Abend mit dem Kapitän und mit die Offiziere an einem Tisch sitzen. Berta hatte sich zum Glück n dunklet Kostüm eingepackt, sonst hätte se wahrscheinlich auch beim Zahlmeister antanzen dürfen.

Mann, ich kann Ihnen wat flüstern, wat da allet auffem Buffet an Fressalien draufstand, so wat hatte mir meine Berta zu Hause noch nie geboten.
Die einzelnen Gänge standen auf ner extra gedruckten Karte. Ich wollte die Karte laut vorlesen, konnte ich überhaupt nich. Überwiegend französische Ausdrücke standen da drauf, aber lecker war der französische Kram, sogar unheimlich lecker. Und – gesoffen wurde da am Tisch, dat können Sie sich nich vorstellen!
Alle paar Minuten standen Kapitän Knurrhahn oder der Ötte Schluckebier auf, grölten n dreckigen Seemanns-Trinkspruch und hauten sich einen Kognak nach dem anderen hinter die Binde.
Als der Ötte zum zwölften Trinkspruch anhob und sich dabei auffen Stuhl stellen wollte, verdrehte er plötzlich die Augen, kippte nach vorne weg und knallte volle Kanne mit dem Kopp in unsere herrliche Eisbombe.
Zwei Küchenbullen schnappten sich den Ötte und schleiften ihn hinaus. Der Kapitän vertrat ihn hervorragend beim Kampfsaufen – bis er ganz alleine am Tisch saß. Einer nach dem anderen hatte sich heimlich verdrückt. Wir konnten nich mehr!

Nun halten Se sich fest!
Morgens erfuhren wir über den Bordlautsprecher, dat der Zahlmeister seinem Unfall beim Käptnsdinner erlegen wär!

Ehrlich, dat war für alle an Bord n kräftigen Schock! Berta wurde kreidebleich, heulte und musste sich setzen. Nee, wat tat uns der Mann leid! So wat Schrecklichet, ausgerechnet auf unserer ersten Kreuzfahrt!

Um 10.30 Uhr wurde ich zum Kapitän gerufen. Er lag wie tot im Bett der Krankenstation. Schiffsarzt Dr. Drüsken fühlte besorgt seinen Puls.
Der Kapitän röchelte: „Mein armer Kamerad, mein lieber Freund Otto ist tot, ich leide Qualen der Trauer, ich bin vor Kummer sterbenskrank. Herr Püttmann, können Sie sich vorstellen, dass ich in meinem Zustand eine pietätvolle Seebestattung durchführen könnte? Nein, das geht einfach nicht.
Hier ist ein Priester an Bord, der sich weigert, stellvertretend für mich die Seebestattung für meinen Freund durchzuführen. Nur weil Zahlmeister Schluckebier kein Kirchenmitglied ist, lehnt der Mann meine Bitte ab, das müssen Sie sich mal vorstellen! So ein Kleingeist! Der Mann, von dem ich spreche, ist der Pfarrer Drögsack, der Kerl an Ihrem Tisch.
Herr Püttmann, Sie sind meine letzte Rettung. Sie sind nach unserer Information freier Grabredner. Ich bitte Sie inständig, die Seebestattungszeremonie vorzunehmen, ich fühle mich dazu außerstande. Wir laufen übermorgen in Casablanca ein, nehmen ein paar Damen an Bord, dann legt das Schiff sofort wieder ab. Der Zahlmeister wird auf hoher See sein Seemannsgrab bekommen.

„Wat für Damen nehmen Sie in Casablanca an Bord, Kapitän? Neue Passagiere?“
„Ja, wie soll ich Ihnen das erklären? Ich bin in einer ganz vertrackten Situation. Ich habe heute Morgen die Kabine von Zahlmeister Schluckebier inspiziert, und was glauben Sie, was ich dort entdeckte?
Ich fass es immer noch nicht, ich bin noch nicht fähig, diese brisante Problematik richtig einzunorden.“
„Kapitän, nun sagen Se doch endlich, wat los iss.“
„Herr Püttmann, setzen Sie sich bitte. Dr. Drüsken, schütten Sie Herrn Püttmann mal n Kognak ein, sonst kippt er uns noch aus den Latschen.“
Ich trank dat Glas leer und war auf allet gefasst. Schließlich hatte ich mit meinen Kunden ja auch schon so allerhand erlebt.
„Jetz ma raus mit die Sprache, Kapitän.“
„Lieber Herr Püttmann, wir fanden in seinem Kabinenschrank drei Heiratsurkunden. Otto Schluckebier war mit drei Frauen verheiratet.“
„Wat iss denn da so schlimm dran?“, fragte ich, „dat kommt doch wohl häufiger vor, dat ein Mann dreimal verheiratet war.“
„Herr Püttmann, der Mann i s t mit drei Frauen verheiratet! Gleichzeitig! Das ist ein verdammter Bigamist! Ich wusste nur von einer Verlobten, der Lulu, die das ,Bordella Casablanca‘ im Hafen leitet.
Die Ehefrauen und die Verlobte habe ich per Telegramm informiert, alle haben ihre Teilnahme an der Trauerfeier bestätigt. Ich kann nicht mehr, Doktor, geben Sie mir auch n Kognak.“

Ich war platt, aber nich doof.
„Kapitän, dat mit meiner Trauerfestrede können Se sich abschminken, ich werde mich für dat Drama nich hergeben. Weiber sind Furien, die machen Hackfleisch aus mir, wenn ich für den Ötte auch nur ein einziget gutet Wörtchen sagen tu. Nee, nee, werden Se schnell wieder gesund und machen Se Ihren Kram schön alleine.“

Der Kapitän war verzweifelt und winselte:
„Kommen Sie, Willi Püttmann, wir trinken Brüderschaft, wir Männer müssen an Bord zusammenhalten. Ich bin der Kurt. Lass mich bitte nicht hängen, ich bin sonst erledigt.“

Der Schiffsarzt nahm mich diskret zur Seite und flüsterte:
„Herr Püttmann, der Kapitän ist wirklich schwer erkrankt, ich mache mir große Sorgen. Wollen Sie, dass er auch noch an Bord verstirbt und das Schiff durch zweitklassige Führung auf dem Meer treibt und nachts irgendwo an den Klippen zerschellt? Sie müssen die Rede halten.“
Seine Worte waren einleuchtend.

Wir kippten noch einige Gläser, und die beiden kloppten mich mit ihren stichhaltigen Argumenten und Fusel langsam weich:
„Kurt, ich brauch ne Stunde Bedenkzeit, ich muss dat erst ma mit meiner Berta durchquatschen. Die Situation iss verdammt nich einfach. Ich sach dir nachher Bescheid.“

Berta schüttelte während meines halbstündigen Berichts immer wieder ungläubig den Kopp. Sie konnte dat mit den vielen Weibern nich begreifen:
„Nee, Willi, drei arme Ehefrauen und noch ne Nutte! So ein elender Saubalg!“
„Berta, der war eben mit ganz besonderen Genhormonen ausgestattet. Wenn ich auch so gut bestückt wär, hätte ich vielleicht sogar noch mehr Weiber.“
„Dat ich nich lache! Du schaffs mich ja kaum! Träum schön weiter. Aber da iss noch wat, Willi, ich hab den Eindruck, dat der Kapitän überhaupt nich richtig krank iss, höchstens vom gestrigen Saufen. Der Kerl simuliert, dat ist ein ganz mieser Feigling, der wusste mit Sicherheit über den Zahlmeister Bescheid! Der hat jetz nur Muffensausen vor den Weibern und seiner Reederei.
Hör zu, du übernimms die Trauerfeier nur unter einer Bedingung: Der Kapitän soll uns hier unten aus dem verdammten Loch rausholen. Nur wenn wir für den Rest der Reise ne Swiete kriegen, sachsse zu.“
Ich wieder ab zum Kapitän:

„Ey, Kurt, Berta gestattet mir die Rede nur, wenne uns für den Rest der Reise ne Swiete auf deinem Kahn besorgen tus und unsere Getränke an Bord für lau sind.“
„Mensch, Willi, lass dich umarmen.“
Er griff zum Telefon und wies den Kabinensteward an, die Kapitänssuite für das Ehepaar Püttmann herzurichten. Champagner, Obst und Pralinen sollten dreimal täglich auf Vollständigkeit überprüft werden. Den Getränkegutschein füllte er sogar selbst aus.
„Noch wat, Kurt, ich würde gerne noch son paar Klamotten vom Ötte erben, die passen mir nämlich wie angegossen.“
„Natürlich, Willi, auch dieser Wunsch wird dir selbstverständlich erfüllt.“
„Hömma, Kurt, noch ganz wat Wichtiget: Die Ehefrauen muss jemand auffem Schiff in Empfang nehmen, in einen Raum sperren, pö a pö über die Klöpse vom Ötte aufklären und so lange eingesperrt lassen, bis die sich beruhigt haben, sonst gibt dat bei die Trauerfeier schwer Theater.
Ich versuch Pastor Drögsack für diesen Job anzuheuern, der hat dat mit dem Trost und Hoffnung in schwierigen Lagen studiert.“
„Willi, du bist der richtige Organisator, du kennz dich mit den Frauenzimmern und dem Leben aus. Du hast an Bord freie Hand.“

Ich lockte den Drögsack anne Bar, schluckte n paar Bier mit ihm und hab ihn in allet eingeweiht. Als er entrüstet n Stursack spielen wollte, hab ich ihm laut und deutlich vor alle Leute die Meinung gegeigt und ihn an seine verdammte Christenpflicht erinnert. Dat half. Wir konnten gelassen in Casablanca vor Anker gehen.

Die „MS Heimat“ legte zwei Tage später im Hafen von Casablanca an. Berta und ich schauten vonne Reling neugierig auf dat spannende Anlegemanöver. Im Hafen herrschte buntet orientalischet Treiben.
Die Schiffstreppe wurde ausgefahren, und einige Seeleute bildeten am Kai ein Empfangsspalier.

„Peil ma nach rechts, Berta, da kommt ne Damenabordnung, wahrscheinlich iss dat ein Geschenk vom marokkanischen König. Berta, kuck ma, die kurzen Röcksken und die hohen Pömmes, wie toll die ihre Fahrgestelle unterstreichen! Iss dat nich n herrlichen Anblick? Und kuck ma die Mollis, die sind ja kaum bedeckt!“
Bertas Blick hätten Se ma sehn sollen!
Et waren neun bildhübsche, junge Damen, die kleine, bunte Schirme aufgespannt hatten, damit die Haut nich noch schwatter wurde.

Der Erste Offizier begrüßte sie wie alte Bekannte und führte sie laut lachend zum Kapitän.

„Mensch, Berta, ich glaub, dat waren doch wohl keine königlichen Präsente, dat waren die Weiber aussem Puff.“
Berta musste mich wieder niedermachen:
„Willi, du biss n unheimlichen Schnellmerker, die Sorte Weiber hab ich auffen ersten Blick erkannt.“
Dann betraten drei Frauen in Trauerkleidung dat Schiff. Sie wurden von zwei Offizieren begleitet.
„Berta, dat sind bestimmt die Ehefrauen vom Ötte. Der Nimmersatt hatte echt Geschmack.“
Wieder streifte mich ein verächtlicher Blick.

Seit gut zwei Stunden lief mein armet Priesterlein auffem Promenadendeck nervös auf und ab. Er trug extra n silbernet Kreuz auf seinem schwatten Pullover, dat man ihn auch sofort als Seelsorger erkannte.
Ich ging zu ihm.
„So, jetz ma los, Pastor Drögsack, zeigen Se ma, wat Se draufhaben. Ich komm inne Stunde vorbei und kuck ma, ob die Weiber noch eingesperrt bleiben müssen. Kopp hoch, Hochwürden, klappt schon, ihr kennt euch ja gut mit die Weiber aus, haha.“

Er ging mit gesenktem Haupt auf die drei Ehefrauen zu, begrüßte sie still und führte sie in die Offiziersmesse. Drei Matrosen begleiteten ihn als Leibwache; dat hatte der Feigling zur Bedingung gemacht.

Ich beschloss nach einer Stunde, die beiden weiblichen Lager zu inspizieren, und marschierte zuerst zu unserem schwer kranken Kapitän in die Hospitalabteilung. Ich traute meinen Augen nich.

Die schwatten Schönheiten hatten ihre Landestracht abgelegt, saßen auf seinem Krankenlager und befummelten den Kapitän am ganzen Balg. Er streichelte und koste verzückt ihre Rundungen. Der Doktor stand grinsend daneben.
Von Krankheit keine Spur!
Als ihm die Liebkosungen zu aufdringlich wurden, scheuchte er die jungen Damen vom Bett und zog die etwas ältere auf sein Krankenlager, nahm die Frau in den Arm und tröstete sie, indem er ihr mehrfach über ihren knackigen Hintern streichelte und sie zärtlich „Lulumäuschen“ nannte.

Sonnenklar, diese Frau war Öttes Verlobte, die Chefin vom „Bordella Casablanca“. Die Weiber waren allesamt Gespielinnen vom Kapitän, dem Doktor und dem armen Ötte, da war ich mir ganz sicher, sonst hätte man ja nur die Lulu an Bord gelassen.

Nee, wat hatten die Männer der Weltmeere für ein herrlichet Leben! Pssst, hoffentlich hatte ich dat nich zu laut gedacht. Berta hörte inne letzten Zeit sogar die Flöhe husten und dat Gras wachsen.

Der Kapitän stellte mich den reizenden Damen als seinen besten Freund vor. Sofort fielen die Hübschen über mich her, schmatzten mich ab, kniffen mir in den Hintern und prüften sehr geschickt, ob noch Leben in mir war.

Ich hab in einem günstigen Moment die Kurve gekratzt, meine Klamotten geordnet, die Lippenstiftfarbe aussem Gesicht geschrubbt und schaute ma bei Pastor Drögsack vorbei. Auf ein verabredetet Kloppzeichen wurde mir geöffnet.

Da ging et noch hoch her. Die armen Ehefrauen heulten und schrien vor Wut und Enttäuschung. Der Drögsack hatte allet gut im Griff. Ich begrüßte die Damen, stellte mich vor und sprach ihnen mein Beileid aus.

Ich wieder hoch zum Kapitän.
„Ey, Kurt, da unten bei die offiziellen Weiber iss allet klar, die haben sich einigermaßen beruhigt. Lass dich da unten sehen, fahr mit dem Krankenbett runter und mach da schön Wetter. Ich zieh inzwischen mit die Nutten anne Poolbar.“

Im Nu war die Bar von Matrosen und schmachtenden Tattergreisen umzingelt. Alle Kerle hatten plötzlich ne dröge Kehle.
Berta erkannte die gefährliche Situation, packte mich von hinten und zog mich schimpfend von dieser paradiesischen Bar ab.

Dat Schiff legte ab. Die Bestattungsfeier sollte um 16 Uhr aufm Sonnendeck stattfinden.
Ottos Abschiedsfestplatz hatte Berta mit Blümkes und großen Topfpflanzen aussem Speisesaal dekorieren lassen. Einen Küchentisch bezog sie mit Betttüchern und richtete ihn wie n Altar her. Dat Betttuch war mit Schmierseife präpariert und diente als Rampe.

Wir erreichten den vorgegebenen Ankerplatz, die Sonne brannte, allet war unter Kontrolle. Et konnte von mir aus losgehen.

Vom Bordlautsprecher kam die Aufforderung, dat sich die Trauergäste auf das Sonnendeck begeben möchten und Offiziere und Mannschaften vollständig zur Beisetzung anzutreten hätten.

Der Kapitän zog seine Galauniform an, legte sich damit in sein Krankenbett und ließ sich links neben mein Rednerpult schieben. Pastor Drögsack stand rechts von mir.
Beide sollten zur Not einspringen. Offiziere und Mannschaften hatten Order, bei Zoff die Parteien sofort zu trennen und einzusperren.

Ungefähr zweihundert Personen standen aufm Sonnendeck, andere sahen vom höher gelegenen Lidodeck zu.

Zahlmeister Otto Schluckebier wurde unter leichtem Trommelwirbel von vier Matrosen in einem Seesack an Deck getragen und auf den Tisch gehievt. Ötte wurde auf besonderen Wunsch des Kapitäns von zwei Matrosen in eine Reichskriegsflagge gehüllt.

Man drückte mir n Mikrofon inne Hand, und ich begann meine erste Grabrede auf hoher See:

„Glück auf und ahoi, liebe Trauergäste. Ich begrüße Sie im Namen unseres schwer kranken Kapitäns ganz herzlich zur Trauerfeier von Zahlmeister Otto Schluckebier. Et heißt ja immer so schön: ‚Eine Seefahrt, die iss lustig …’ Leider wurde aber diese Reise von einem Unfall getrübt.
Wenn ein so ehrenwerter Seemann wie der Zahlmeister Otto Schluckebier mit knapp 58 Jahren plötzlich aus seinem himmlischen Leben auf Erden abberufen wird, dann iss dat ne verdammt traurige Angelegenheit.

Wie hat er doch dat pralle Leben genossen! Wie schön war et immer mit ihm anne Bar! Wir haben ihn ja alle hier erleben dürfen. Er konnte die dreckigsten Witze reißen, wie ein Schikolo schwofen und die Damen an Bord verrückt machen, er wurde niemals müde, half jedem, war immer freundlich und rücksichtsvoll.
Alle an Bord liebten ihn. Alle Blusen, äh …, Herzen öffneten sich, wenn er in den Ballsaal trat.
Dieser herzensgute Mensch besaß nich nur ne gute Seele, nein, Otto war die gute Seele vonne ‚MS Heimat’.
Er war ein blendend aussehender Mann, alle Frauen waren verrückt nach ihm. Er konnte den Damen, die ihn überall heiß begehrten, einfach keinen Korb verpassen. Oh nein, dat hätte der arme Otto niemals über sein gutet Herz gebracht. Er war eben ein richtiger Gentlemann! Er war viel zu schade für diese grausame Weiberwelt und wurde zwangsläufig ein bedauernswertet Opfer seines anstrengenden Berufs.

Natürlich hatte er, wie jeder Mensch, n paar kleine Fehler. Wir Menschen haben Fehler! Wir Menschen machen Fehler! Ich frage euch: Wer von uns hat keine? Ich gebe euch die Antwort: Wir alle bauen Sch …, äh …, Mist, denn wir sind nur Menschen, armselige, schwache Menschen.

Ottos Fehler war doch nur, dat er nich Nein sagen konnte, nein zu den unzähligen weiblichen Schönheiten, die ihn auf allen Weltmeeren anbaggerten. Er gab den meisten Damen bereits nach ner kurzen Affäre n süßen Abschiedskuss.“

Bislang bemerkte ich noch keine negative Reaktion bei die Weiber, deshalb sprach ich munter weiter:

„Bei den drei großartigsten, hübschesten Frauen in seinem Leben wurde Otto Schluckebier allerdings schwach, zu schwach.
Er wollte und konnte Ihnen, meine Damen, nich dat Herz brechen. Er konnte Ihre flehenden Bitten, mit ihm in den Hafen der Ehe zu segeln, einfach nich abschlagen.
Er liebte Sie alle gleichermaßen. Dat können nur wenige Auserwählte auf Erden, und et zeugt von seinem großartigen Edelmut und grenzenloser Selbstlosigkeit, die schwere Verantwortung für drei Ehefrauen und acht Kinder zu übernehmen.
Dat iss inne westlichen Zivilisation ne verdammt große Seltenheit. Daran könnt ihr ermessen, wat fürn selten guter Kerl der Otto, euer lieber Ehemann, war.“

Die Ehefrauen lauschten mit versteinerten Gesichtern meinen tröstenden Worten. Berta und der Pastor schüttelten allerdings permanent ihre Häupter.

Der Kapitän zog Stück für Stück die Bettdecke höher. Man sah nur noch die Augen und die Schirmmütze.

Eine der Ehefrauen wurde rotzfrech für mich und zischte mich an: „Sie Schwein, halten Sie endlich Ihr verdammtes Machomaul!“
Dat juckte mich überhaupt nich, denn ich war diese Art von Trauerbewältigung längst gewöhnt.

Die schwarze Verlobte stimmte ohne meine Aufforderung son arabischen Klagegesang an - furchtbar. Ihre jungen Begleiterinnen stimmten auch noch mit in dat Gejammer ein.

Ich hab se genau zwei Minuten heulen lassen, dann aber um Ruhe gebeten.
Die Verlobte verstand auf einmal Deutsch. Kommt die Schwatte auf mich zu:
„Hör mal, du verdammter Sittenstrolch, hast du da gerade was von drei Ehefrauen gesagt?“
„Ja“, sachte ich, „unser ehrenwerter Otto war mit diesen Damen dort drüben inne ersten Reihe gleichzeitig verheiratet. So wat iss doch gute Sitte bei euch in Afrika, da müssten S i e doch wohl Verständnis für haben.“

Junge, da hatte ich wat gesacht. Ich war doch im Glauben, der Kapitän hätte der Lulu auf seinem Krankenlager allet von den drei Ehefrauen gebeichtet.

Die Frau stürzte sich mit dem Schirm auf den Seesack und prügelte wie irre auf die schöne Reichskriegsflagge ein, der arme Otto hat hoffentlich nix mehr davon gespürt. Die anderen schwatten Weiber hauten aus Solidarität mit drauf und kreischten wie Furien.
Der Ötte tat mir in seinem engen Seesack richtig leid. Kriegte der arme Hund auch noch blaue Flecken auf seiner letzten Reise!
Dann fiel die Lulu über die drei Ehefrauen her und beschimpfte sie mit furchtbaren Ausdrücken, zog ihre Stöckelpömmes aus und schlug damit brutal auf die Frauen ein.

Ich schrie: „Alle schwatten Weiber festnehmen! Wir sind doch hier nich auf nem Irrenschiff, dat iss hier ne würdige Bestattungsfeier!“
Die aufgebrachte Lulu und ihr hübschet Personal wurden von den eingeteilten Schutzkräften geschnappt und in den Maschinenraum gesperrt.

Der Kapitän, der feige Köter, hatte sich während dieser bedrohlichen Szene die Bettdecke vollständig über die Birne gezogen.

Ich sprach weiter:
„Kapitän Knurrhahn bittet für diesen unwürdigen Vorfall um Entschuldigung. Ich kann die arme Frau ja verstehen, dat iss auch wirklich nich so einfach, so plötzlich ohne Verlobten zu sein.

Glauben Sie mir, liebe Ehefrauen, dem armen Otto iss dat jahrelange Theaterspielen mit euch dreien und einer Verlobten bestimmt nich leicht gefallen. Er hat seine Rolle vorzüglich gespielt. Ihr werdet seinen künstlerischen Auftritt auf der Bühne des Lebens hoffentlich nie vergessen.

Wie mir der Kapitän erzählte, war Ötte jedet Mal froh, wenn er sich nach dem stressigen Heimaturlaub endlich wieder an Bord erholen durfte. Nach zwei Tagen war er dann wieder fit und erlag erneut den Reizen der Weiblichkeit.

Streikten seine überforderten Lenden, besoff er sich schrecklich. Leider war er letzte Zeit jeden Abend voll.“

Die drei Ehefrauen waren durch meine tröstenden Worte so gerührt, dat se schon vor Ottos See-Abgang heulend stiften gingen.

Ich sachte zu den restlichen Gästen: „Et wird nun Zeit, unseren lieben Ötte zu versenken. Pastor Drögsack, bitte sprechen Sie n Gebet. Dat nützt zwar nix, schadet aber auch nich.“

Der Kerl hielt sich dran. Nach drei Minuten trat ich ihm ma ganz kurz auf seine Plattfüße, und ruck, zuck sachte er: „Amen.“

Ein Offizier nahm seine Bootsmannspfeife und pfiff dem Otto die letzte Seite, dat iss son ehrender, letzter Gruß bei die Seeleute.

Vier Mann hoben den Tisch, marschierten damit zur Reling, neigten ihn und wuppdich, unser lieber Otto landete mit nem sauberen Köpper im schönen lauwarmen Mittelmeer.

„So“, sachte ich, „nun hasse endlich Ruhe vor die Weiber. Schmeißt noch n Teil vonne Tischblumen hinterher, der Rest kommt heute Abend wieder als Dekor auf dat Buffet.

Liebe Trauergäste, auf Wunsch von Kapitän Knurrhahn iss heute Abend ab 21.30 Uhr Zahlmeister-Fellversaufen im Casinosaal, alle Getränke sind für lau.
Wir laufen in dreißig Minuten in Casablanca ein. Unsere lieben Trauerfrauen werden uns dort verlassen.
Die Trauerfeier iss beendet.“

Tosender Beifall von allen Decks erreichte mein Ohr, ich war sehr gerührt. Leider kam der Applaus nur von den Männern.

Als Ottos Ehefrauen und dat Bordella-Personal von Bord waren, lief Kapitän Knurrhahn putzmunter auffe Kommandobrücke rum. Berta hatte ma wieder Recht gehabt.

Er ließ mich holen, umarmte mich und fragte: „Willi, sag mal, wie hab ich dat wieder geschaukelt?“
Ich hab mir n Glas Wodka eingeschenkt und lediglich „Prost“ gesacht, drehte mich um, ging noch ma zum Sonnendeck und schaute auf die freundliche See.

Ich stellte mir vor, dat da unten ne hübsche Seejungfrau beim Otto auffem Schoß saß und ihm nen Heiratsantrag machte.

Ungefähr ein Jahr später erhielt ich vom Landgericht Bremen ne Vorladung. Ich sollte dort als Zeuge in der Angelegenheit Reederei „Sturm“ gegen Offiziere der „MS Heimat“ aussagen.

„Berta, wat soll dat denn bedeuten, wat soll i c h denn da?“ „Willi, dat kann ich dir auch nich sagen. Die Kerle haben vielleicht Theater mit die Reederei wegen unserer Swiete gekriegt.“

Ich fuhr mit der Eisenbahn nach Bremen, meldete mich wegen der Spesen vor dem Verhandlungssaal, wurde von dort aber sofort zur Vernehmung in den rappelvollen Gerichtssaal geführt. Da saßen fast nur Frauen. Ich wurde vereidigt und von der Richterin gefragt:
„Herr Püttmann, schauen Sie sich bitte hier im Saal um. Erkennen Sie Offiziere der ‚MS Heimat’?“ Ich drehte mich um. Wen sah ich denn da auffe Sünderbank?
„Klar doch, Euer Ehren“, rief ich. „Hallo, Kurt, ja, dat iss mein alter Kumpel, Kapitän Kurt Knurrhahn, ja, und rechts von ihm sitzt Dr. Drüsken, hallo, Doktor.“ Beide winkten lächelnd zurück.

Dann traf mich der Schlag, ich wurde blass. „Frau Richter, haben Se ma n Schluck Wasser, ich glaub dat einfach nich.“
„Was glauben Sie nicht, Herr Püttmann?“
„Ötte!“, rief ich in den Saal, „bisse auferstanden? Ötte Schluckebier, mein guter Ötte, mein lieber Freund, du lebs wieder, H a l l e l u j a ! Nee, dat iss aber schön!“ Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Ötte und ich weinten vor Freude.

Nach dem unverhofften Wiedersehen trat bei mir jäh Ernüchterung ein.
Ich erkannte links inne ersten Reihe drei Frauen, Ottos Ehefrauen. Da fiel bei mir der Groschen!
 



 
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