Ja, es ist Frühling!

Ja, es ist Frühling!

Haben Sie ’mal in der ersten sonnenreichen Frühlingswoche die Gesichter der Menschen beobachtet? Nein?
Ich schon. Beim Einkauf im Center, beim Spaziergang und im Gespräch.

Fast alle Leute blickten viel entspannter und fröhlicher drein als in den letzten Wochen der vielen Atlantiktiefs.
Es schien, als spiegelte sich der Frühling in den Augen der Menschen wider.
Es ist unbegreiflich, wie doch Mensch und Natur miteinander verstrickt sind. Wir müssen es nicht verstehen. Staunen ist viel sinniger.

Der astronomische Frühling beginnt am 21. März, der meteorologische Frühling am 1. März. Und weil er zeitlich näher liegt und wir ihn sehnsüchtig erwarten, wird der 1. März gern als Frühlingsanfang definiert.
Auch wenn noch ein paar Schneeflocken fallen und milder Frost unsere Wiesen mit Raureif überziehen sollte, summen wir: „Veronika, der Lenz ist da ...!“

In den Vorgärten sprießt und knospet es. Krokusse, Schneeglöckchen und Osterglocken fallen alljährlich zuerst auf. Die Japanische Kirsche leuchtet in den Vorgärten bereits in ihrer einzigartigen Pink-Blütenpracht.

Frühjahrsmüdigkeit? Keine Spur. Das meiste Melatonin entfleuchte bereits meinem Körper. Tatendrang befällt mich. Ich muss raus in die freie Natur. Eine Pirsch im Westerwald ist angesagt – nur mit Fotoapparat und Fernglas.

Die Morgensonne kämpft noch mit dem den Hochnebel - uns siegt nach zehn Minuten.

Die Dorffrauen sind schon fleißig beim Frühjahrsputz. Ein kleines äußeres Zeichen der Erneuerung? Vielleicht auch Zeichen für ein inneres Aufräumen?

Zwei Landwirte bestellen mit Großgeräten ihre Felder für die Sommersaat. „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“ – war einmal.

Hier im Westerwald sind innerhalb einer Woche die Wiesen explodiert. Ein Meer aus gelben Löwenzahnblüten erfreut Seele und Augen. Hier und da sehe ich den ersten Bärlauch. Ja, sogar die alte Schneeballhecke am Wiesenblick blüht schon wieder. Oder immer noch?
Auch die Apfelbäume auf den zahlreichen Streuobstwiesen präsentieren bereits ihre üppigen Blüten. Die vielen wilden Kirschbäume stehen ihnen im Blütenreigen nicht nach.

Die roten Waldameisen bauen fleißig ihre Hügel mit Nadeln und Moosen aus.
Fette Hummeln, bunte Schmetterlinge und Falter sind heute schon zeitig unterwegs.
Ein Wanderschäfer zieht mit seiner Herde und zwei Hunden über Stoppeln und Wiesen. Ich zähle vierunddreißig Lämmer – fürwahr, echte Frühlingsboten.

Aber was sehe ich da oben links am Rand der Benjeshecke? Ein schwarzer Klumpen und sechs bräunliche kleinere Punkte. Ich reiße mein Fernglas hoch und beobachte morgens um 9.20 Uhr eine Wildschweinbache mit ihren winzigen gestreiften Frischlingen, wie sie genüsslich eine Wiese umdrehen um nach Eiweißleckerbissen suchen. Herrlich, dieser seltene Morgenanblick!

Unterhalb eines Bachlaufs drücken sich zwei Junghasen in der Wiesensasse. Toll, der erste Osterhasen-Nachwuchs ist sichtbar. Feldlerchen belausche ich und erkenne hoch in der Luft zwei Bussarde im Balzflug.

Jetzt gibt es unendlich viel zu entdecken.

Emsig bauen die Vögel ihre Nester.
Der Turmfalke hingegen nicht. Er hat in der hohen Lärche an der Jagdhütte frech ein Elsternest besetzt. Nur weil er dieses Jahr ’mal „Vogel des Jahres“ sein darf? Bestimmt nicht.
Am Nachmittag schaue ich, vom schrillen Schrei der Wildgänse aufmerksam geworden, in den Himmel. Unsere großen Zugvögel ziehen in riesigen Ketten- und Keilformationen zu ihren Sommerquartieren nach Norden.

Die Schatztruhe der Natur hat sich geöffnet und den Frühling entweichen lassen – ein ständig wiederkehrendes Mysterium.
Freuen wir uns und genießen diese wunderbare Zeit der Erneuerung mit allen Sinnen.




Wolfgang M. A. Bessel
http://www.bessel-autor.info
 



 
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