Jedes Buch ghet mal zu Ende - das Verleger-Problem

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Petra Pauls

Mitglied
Jedes Buch geht mal zu Ende...

Es ist wieder einmal so weit! Die letzten Seiten eines Buches sind soeben angebrochen. Was mache ich mit der Seite 113, die sowieso keiner lesen will, weil sie bekanntlich Unglück bringen soll?
Eigentlich müsste man jegliche Seite, auf der die 13 zu finden ist, radikal entfernen, meinen Sie nicht auch?
Seit Wochen und Monaten schon frage ich mich, ob es sich überhaupt lohnt, für diese Seite Druckkosten auszugeben, weil ich letztens in der Buchhandlung gleich hinten am Markt einen jungen Leser entdeckte, der beim Lesen ständig Seiten überschlug. Wertvolle Seiten, ja sogar interessante Seiten, wie er mir versicherte.
„Sehen Sie selber“, flüsterte er mir ins Ohr und mein Blick wanderte abwärts.
„Diese Seite hätten die sich doch glatt sparen können, wer will schon auf Seite 13 seinen Untergang entgegensehen?“
Tatsächlich hatten sich dort einige fiese Rechtschreibfehler eingeschlichen, die sogar in meinen Augen schmerzten.
„Das war abzusehen,“ klärte mich der Fremde auf und zückte ein weiteres Buch aus dem vollgestopften Regal.
„Sehen Sie hier, da haben wir es wieder.“
Sofort stach mir der Bettisch ins Auge und löste beim genaueren Hinsehen eine Träne aus meinem rechten Augenwinkel.
„Wirklich zum Heulen, Bettisch mit nur zwei t, das ist unerhört. Und warum? Klarer Fall – Seite 13!“
Ich wagte mich kaum zu fragen, was ein Betttisch oder gar ein Bettisch sein sollte! Entweder war es so etwas wie ein Tisch am Bett oder ein Tisch zum Beten, sprich ein Altar oder so.
„Sie werden es mir nicht glauben, junge Frau, aber hier haben wir den Beweis!“
Der Mann zückte erneut ein altes Buch aus dem untersten Regal und ich ahnte, was er mir gleich hinhalten würde. Ein Kinderbuch, farblich anspruchsvoll und strapazierfähig im kartonierten Einband und...
Wie erwartet schlug er gleich jene Seite auf, die mich innerlich zusammenschrecken ließ.
„Da, Seite 13!“
Unverkennbar.
Fast schon höhnisch grinste er mir frech ins Gesicht und hielt mir eine dieser Bilderbuchseite entgegen, deren Farben so blass wie mein Gesicht aussahen.
„Eindeutig ein Druckfehler“, schluckte ich verlegen und blätterte schnell um, mit der Hoffnung, dass sich dieser Druckfehler auch auf Seite 14 bemerkbar machen würde. Doch da hatte ich mich geirrt.
„So geht das pausenlos, ich könnte Ihnen hier Bücher vorlegen, da würden Ihnen glatt die Ohren schlackern.“
Nein danke, so früh am Morgen stand mir nicht der Sinn danach. Unbemerkt suchte ich den Ausgang aus dieser Buchruine, die wohl verzaubert zu sein schien. Wie viele Bücher mochte es hier noch geben, auf der die Seite 13 quasi unbrauchbar war?
Zu Hause angekommen stöberte ich gleich alle Neuerscheinungen der letzten Monate durch und erschrak.
Seite 13, eindeutig – hier hatte sich ein Ptilinus pectinicornis* niedergelassen. Ca. 45 mm lang. Seinen familiären Anhang fand ich wie erwartet auf Seite 113 und Seite 213!
„Ich schlage vor, die Seiten rauszureißen“, teilte mir ein Verlagsmitarbeiter schonungslos mit und verschwand mit der nächsten Buchlieferung im Keller, samt Ptilinus pectinicornis.*
Was tun?
Nicht nur, dass die Leserschaft wohl regelmäßig diese Seiten übersprang, weil sie beim Lesen Unglück bringen sollten – nein, denken Sie nur mal an die immensen Druckkosten für diese Seiten!
Eindeutig überflüssig.
Kostenaufwendig.
Unwirtschaftlich.
Konkursfördernd.

Deshalb haben wir einstimmig beschlossen, dass nur noch der Verleger selbst das Recht hat, diese Seiten für seinen Eigenbedarf zu nutzen – liest ja eh keiner!

* Bücherwurm
 
L

Lotte Werther

Gast
An Petra Pauls

Jedes Buch ghet mal zu Ende - das Verleger-Problem

Da grast der Fehlerteufel nun auch schon bei deinem Werk 3. Der wollte einfach nicht warten, bis du den 13. Text hier veröffentlichst.

Im Ernst, du hast flüssig geschrieben. Man merkt den Profi im Umgang mit Sprache.

Was mich nur mäßig amüsiert hat, ist das Thema an sich. Für mich klang es ein wenig zu bemüht.

Ich stelle mir aber durchaus vor, dass solch kleine Geschichten wie diese hier, oder auch die andere "Haben Sie schon gehört..." in einer Lokalzeitung abgedruckt, ihre Leserschaft finden.

Oder bereits gefunden haben. Und das ist legitim.

Lotte Werther
 



 
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