Jenseits der Wand

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Monika Bibel

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\"Hallo? \"Ich höre das Knarren der Dielen und möchte am liebsten rufen. Ich liege jetzt lange genug hier herum. Die Schritte entfernen sich und es wird wieder still.
Die Dielen tuscheln miteinander, aber ich kann nichts verstehen. \"Entschuldigen Sie bitte, wären Sie so freundlich mich aufzuklären? Was geht hier vor?\" Das Tuscheln verstummt und eine der Dielen antwortet mir mit leiser Stimme: \"Noch können wir nichts sagen, die Tür hat mal wieder nicht richtig aufgepasst. Doch wenn es stimmt, was die alte Leiste behauptet, waren es drei Männer, die hier durchs Haus liefen. Der Eine soll sehr alte gewesen sein. Psssst, ich höre Stimmen!\"
Tatsächlich. Auch ich höre jetzt Stimmen. \"Wenn der Plan stimmt, müsste hier mal eine Tür gewesen sein.\" Es klopft an der Wand. Immer näher und näher. Ich weiß auf einmal nicht mehr was ich mir wünschen soll. Was wird geschehen, wenn sie mich finden?

Meine Gedanken kehren zurück in das Jahr 43. Ruth Rosenberg hatte mich aufgenommen, durch das dunkle Haus getragen und auf ihr Bett gelegt. Schon dies war mir damals komisch vorgekommen. Bei all den schönen Reisen, die ich mit der Familie unternommen hatte, war ich noch niemals von der gnädigen Frau persönlich getragen worden. Ernst, der Bursche hatte mich immer vom Speicher geholt und dem Fräulein Elsbeth übergeben. Immer war es Elsbeth gewesen, die meine Lederriemen gelöst und den Deckel behutsam geöffnet hatte. Ihre kräftigen Hände konnten energisch zupacken. War sie jedoch mit mir allein, strich sie liebevoll über mein seidenes Futter und pflegte mein Leder mit einem weichen Tuch. Erst dann legte sie duftende Blusen, reich verzierte Röcke und edelste Unterwäsche zu mir. Die kleinen Lavendelsträußchen kamen obenauf und so ausgestattet ging es dann meist auf eine lange Reise. Wo war ich überall gewesen...
Aber an diesem Tag war alles anders. Eine bedrückende Stille lag über dem Haus. Das fröhliche Treiben, was einer jeden Reise vorausgegangen war, fehlte. Weder Elsbeth noch Ernst schienen da zu sein. Ruth Rosenberg nahm sich nicht die Zeit meine Schließen zu pflegen. Sie bewunderte auch nicht mein seidiges Futter. Hastig öffnete sie mich. Statt edler Blusen packte sie sowohl Schweres als auch Kantiges, alles in Tücher gewickelt in mich hinein. Ab und zu tropfte eine Träne auf mein Leder und hinterließ traurige Spuren. Ich begann mich zu fürchten damals, auch wenn ich nicht wusste wovor. Als ich bis oben voll war, mit all diesen Dingen, die ich nicht erkennen konnte, verschloss mich Ruth Rosenberg und zog mich von ihrem Bett herunter. Ohne Rücksicht auf mein schönes Leder, zerrte und zog sie mich über die Dielen bis hin zu der kleinen Tür, die ich noch nie zuvor registriert hatte. Jenseits dieser Tür war der Boden nicht so blank gescheuert. Es roch nicht nach Lavendel und es war kalt und staubig. Ich hörte wie Ruth Rosenberg ihren Sohn rief und zu ihm sprach: \"David, solltest du jemals hierher zurückkehren, denk daran, hier an dieser Stelle war mal eine Türe, dein Vater wird sie nun vermauern, aber dahinter findest du, was deine Eltern für dich aufgehoben haben. Vergiss das nie!\" Ich werde ihre Stimme nie vergessen. Sie sprach mit diesem kleinen Jungen so eindringlich, dass mir ganz wehmütig wurde. Dann begann ein Scharren und Kratzen. Ich blieb zurück in der Dunkelheit.

Was in jener Zeit geschah, kann ich nicht sagen. Nichts war mehr so, wie es einst gewesen war. Ich ging auf keine Reise, niemand betrat jemals diesen Raum. Wenige Tage nach meinem Umzug in die Dunkelheit hörte ich im Haus nochmals laute Stimmen und schwere Schritte. Dann wurde es ganz still. Nur von der Straße her drangen seltsame Geräusche zu mir durch. Die Wände zitterten so manches Mal und das Haus bebte. Ich hörte Rufe, Weinen und Schreie. Die Zeit verging. Irgendwann drang Jubel zu mir hinauf und auch das Haus wurde wieder bewohnt. Es waren wohl Männer, die nun die Treppen rauf und runter polterten, ich konnte sie jedoch nicht verstehen. Sie schienen eine Fremde Sprache zu sprechen.
Im Laufe der Zeit hatte ich mich etwas mit den Dielen angefreundet, die wiederum Kontakt zu den Leisten hielten. Von der Tür war nicht viel zu erwarten. Seit man ihr die Sicht genommen hatte dämmerte sie so vor sich hin.
Woher letztlich die Informationen stammten kann ich nicht sagen. Es hieß jedoch, die Zeiten würden besser werden. Was mich betraf, konnte ich das damals nicht bestätigen. Für mich änderte sich nichts.
Bis heute.

Jetzt wird es laut. Die Männer scheinen sich jenseits der Wand aufzuhalten. Alles Tuscheln verstummt. Selbst die Tür wirkt plötzlich wacher. Hätte ich ein Herz, es würde überlaut pochen. Holz bricht, irgendetwas wird zerschlagen. Aufregung macht sich breit, die kleine Tür wird aufgezogen und ein Lichtstrahl fällt durch den Spalt auf mich.
Es ist eine alte, brüchige Stimme, die mit unterdrückter Unruhe spricht: \"Der Koffer, Aaron sieh nach, ist dort ein Koffer?\" \"Ja, Vater! Ja!\" Und schon spüre ich eine entschlossene Hand, die mich packt, ein Stück über die ächzenden Dielen zieht um mich dann unter Stöhnen über die Schwelle zu heben. Endlich aus meinem jahrelangen Versteck befreit lande ich auf einem Hocker. Die Hand des Alten zittert, als er vorsichtig über mein verdrecktes Leder streicht. Ein wenig schäme ich mich dafür, dass ich so eingestaubt bin. Und dann, nach all den Jahren, sind es wieder Tränen, die auf mich hinab tropfen. Unter Tränen öffnet er behutsam meine Schließen, öffnet mit Bedacht meinen Deckel und streicht wie einst das Fräulein Elsbeth liebevoll über mein seidenes Futter. Die Tränen nehmen kein Ende, doch diesmal ärgere ich mich nicht. Ich bin glücklich. Glücklicher denn je. Ich weiß nicht, was hier geschieht, aber ich spüre, dass es etwas Großes ist.
 
hallo monika und willkommen bei der leselupe!

wenn ich es recht verstehe, erzählt uns hier ein koffer bruchstückhaft von seinem "leben" in einer jüdischen familie, die gegen ende des wk II fliehen musste und ihn, gefüllt mit den besitztümern, zurückließ. eine nette idee und perspektive!
das hören, sehen, fühlen und die konversation mit dielen, leisten etc. sind natürlich ein wenig märchenhaft... aber tun dem ganzen keinen abbruch.

ein paar details könnte man meiner meinung nach ändern/verbessern - dazu hier:
die schrägstriche sind wohl formatierungsfehler. die solltest du entfernen.
Noch können wir nichts sagen, die [blue]Tür[/blue] hat mal wieder nicht richtig aufgepasst.
hier meinst du doch sicher nicht die zugemauerte tür? vielleicht lieber: "die Haustür".
[blue]Der Eine[/blue] soll sehr alt[red]e[/red] gewesen sein.
das ist david? er war damals ein kleiner junge, wird jetzt also anfang 70 sein - nicht unbedingt "sehr" alt. auch dass dies hier überhaupt erwähnt wird, halte ich für nicht unbedingt nötig.
Wenn der Plan stimmt, müsste hier mal eine Tür gewesen sein.
hat er es sich doch nicht gemerkt?
Meine Gedanken kehren zurück in das [blue]Jahr 43[/blue].
so alt wird er doch nun auch nicht sein. ;) besser: "Jahr ´43"
Erst dann legte sie duftende Blusen, reich verzierte Röcke und edelste Unterwäsche [blue]zu mir[/blue].
nicht "in mich"?
Die kleinen Lavendelsträußchen kamen obenauf [blue](komma)[/blue] und so ausgestattet ging es dann meist auf eine lange Reise.
Aber an [blue](diesem) jenem[/blue] Tag war alles anders.
Ab und zu [blue]tropfte eine Träne[/blue] auf mein Leder und [blue]hinterließ traurige Spuren[/blue].
singular vs. plural
Ich begann mich zu fürchten damals[strike], auch wenn ich nicht wusste wovor[/strike].
man weiß ja, dass die situation fremd ist.
Als ich bis oben voll war[red],[/red] mit all diesen Dingen, die ich nicht erkennen konnte, verschloss mich Ruth Rosenberg und zog mich von ihrem Bett herunter.
Ohne Rücksicht auf mein schönes Leder, zerrte und zog sie mich über die Dielen bis hin zu der kleinen Tür, die ich noch nie zuvor registriert hatte. Jenseits [blue](dieser Tür) davon[/blue] war der Boden nicht so blank gescheuert.
David, solltest du jemals hierher zurückkehren, denk daran, hier an dieser Stelle [blue]war mal eine Türe[/blue], dein Vater wird sie nun vermauern, aber dahinter findest du, was deine Eltern für dich aufgehoben haben.
noch gibt es sie ja, diese tür.
[blue]Wenige Tage[/blue] nach meinem Umzug in die Dunkelheit hörte ich im Haus nochmals laute Stimmen und schwere Schritte.
vielleicht etwas unwahrscheinlich, dass der koffer in der dunkelheit noch tage zählt. wie wäre es mit: "Wenig später" oder so?
Die Zeit verging. [blue](absatz)[/blue] Irgendwann drang Jubel zu mir hinauf und auch das Haus wurde wieder bewohnt.
Sie schienen eine [red]f[/red]remde Sprache zu sprechen.
welche sprache denn? das ist etwas unklar.
Im Laufe der Zeit hatte ich mich etwas mit den Dielen angefreundet, die wiederum Kontakt zu den Leisten hielten. Von der Tür war nicht viel zu erwarten. Seit man ihr die Sicht genommen hatte dämmerte sie so vor sich hin.
zumindest die stelle mit der tür passt nicht so richtig zur sonstigen stimmung in der geschichte, finde ich.
[strike]Selbst die Tür wirkt plötzlich wacher. Hätte ich ein Herz, es würde überlaut pochen.[/strike]
würde ich weglassen.
[blue]Holz[/blue] bricht, irgendetwas wird zerschlagen.
nicht eher stein? sie wurde doch "vermauert".
\"Der Koffer, Aaron sieh nach, ist dort ein Koffer?\" [blue](absatz)[/blue] \"Ja, Vater! Ja!\"
[strike]Ein wenig schäme ich mich dafür, dass ich so eingestaubt bin.[/strike]
auch nicht nötig.
Und dann, nach all den Jahren, sind es wieder [blue]Tränen[/blue], die auf mich hinab tropfen. Unter [blue]Tränen[/blue] öffnet er behutsam meine Schließen, öffnet mit Bedacht meinen Deckel und streicht wie einst das Fräulein Elsbeth liebevoll über mein seidenes Futter. Die [blue]Tränen[/blue] nehmen kein Ende, doch diesmal ärgere ich mich nicht.
sehr viele tränen...
Ich weiß nicht, was hier geschieht, aber ich spüre, dass es etwas Großes ist.
hmm, was könnte das "Großes" sein? etwas außerhalb der welt des koffers? oder nur für ihn?
fragen, fragen, fragen... ;)

insgesamt ein netter text, auch wenn man ihn hier und da noch ein bisschen aufpeppen könnte!

lg C.
 

Monika Bibel

Mitglied
Danke für diese ausführliche Kommentierung meines Textes. Ich werde mich intensiv damit auseinandersetzten.
Was Rechtschreibfehler und falsche Kommasetzung betrifft: Gibt es ein Programm was auch diese Fehler findet? Mein normales "Word Rechtschreibprogramm" hat sie anscheinend übersehen...

Gruß MB
 



 
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