Jesus im Kaufhof

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die aktuelle Fassung steht weiter unten.

Köln, dritter verkaufsoffener Samstag vor Weihnachten.

Es ist Mittagszeit und die Menschen schieben und drängeln in den Geschäften.
Die letzten Geschenke müssen besorgt werden. Im Kaufhof
ist es besonders schlimm.

Überall voll, aus den Lautsprechern dudelt unentwegt "Heilige Nacht, Stille Nacht", "Ihr Kinderlein kommet" oder "Süßer die Glocken nie klingen".

Da betritt Jesus den Kaufhof durch den Haupteingang.

Erkennen tut ihn natürlich niemand, denn er ist ein Mensch wie Du und ich.

Haare vielleicht ein bisschen zu lang, leger gekleidet, Jeans und Sportschuhe, Sweatshirt und Daunenjacke.

Die Menschen hasten an ihm vorbei und niemand nimmt Notiz von ihm.

Er wird geschoben und angerempelt. "Junger Mann, stehen Sie doch nicht so im Weg", schnauzt ihn ein Verkäufer an.

So etwas kann Jesus natürlich nicht wirklich schocken, da hat er ganz andere Dinge aushalten müssen.

Verwundert betrachtet er die hektischen Menschen. Wem rennen sie hinterher? Warum sind sie so nervös?

Er sieht kitschige Krippendarstellungen und Rauschgoldengel, kunstvoll verpacktes Parfüm, Weihnachtsmänner in allen Größen und Formen, Rentiere...
warum gibt es so etwas?

Er liest "Geiz ist geil" und "Saubillig".

Was hat das denn mit seinem Geburtstag zu tun?

Es war doch alles ganz anders im Stall, damals.
Was stellen die Menschen sich vor?

Er war ein Kind armer Leute und seine ersten Besucher waren die Hirten, auch arme Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen. Zu denen ist er immer gegangen.

Was ist hier aus seinem Geburtsfest geworden? Ein Konsumrausch?

Jesus sieht in die Herzen der Menschen im Kaufhof.

Er sieht, dass sie oft voll Feindschaft und Hass sind, dass sie traurig sind, dass sie Kummer und Sorgen haben... und trotzdem kaufen sie Geschenke.

Lasst das sein, will er ihnen zurufen.

Versöhnt Euch erst, dann könnt ihr meinen Geburtstag feiern.
Und wenn ihr es nicht wollt, dann tut ihr es eben nicht.
Man muss nicht jedes Fest feiern.

Jesus steht ratlos in der Menge.

Er kann die Menschen nicht erreichen.
Das hat er damals schon nicht geschafft.
Nur bei einigen wenigen.

Plötzlich zupft ihn jemand am Ärmel.
"Du, ich hab meine Mama verloren", sagt ein kleines Mädchen zu ihm. "Was soll ich machen? Gerade war sie noch da und
nun ist sie weg" flüstert sie und beginnt zu weinen.

Jesus nimmt ihre Hand. "Keine Angst, ich bleib bei Dir", tröstet er sie. "Sie sucht Dich bestimmt auch schon und wir bleiben am besten hier stehen, dann findet sie dich."

Das Mädchen nicht vertrauensvoll. "Was wünscht Du Dir zu Weihnachten?" fragt sie.
"Oh", erwidert Jesus, "gute Frage. Eigentlich wünsche ich mir nur Frieden auf Erden und dass alle Menschen sich vertragen."

Der spinnt, denkt das Mädchen. Das sind ja Wünsche!!!

"Also ich wünsche mir ein Barbiehaus mit Zubehör", strahlt sie ihn an. "Ich glaube, ich kriege das auch, denn ich war ziemlich lieb in letzter Zeit."

Jesus muss schmunzeln. "Willst Du nicht versuchen, auch sonst mal lieb zu sein?", fragt er sie. "Und wie feiert ihr Weihnachten? Geht ihr auch in die Kirche?"

Das Mädchen nickt eifrig. "Ja, Weihnachten gehen wir immer in die Kirche, schon wegen der Oma, und dann setzen wir uns zusammen und reden und spielen."

Jesus ist etwas beruhigt. Na gut, wenigstens diese Familie erlebt Gemeinschaft.

"Da ist meine Mama," ruft das Mädchen auf einmal aufgeregt und läuft auf eine Frau zu. Sie dreht sich noch einmal um und ruft ihm zu "Danke fürs Aufpassen und schöne Weihnachten!"

Die Frau schaut ihre Tochter streng an. "Wer war das, der da auf Dich aufgepasst hat?", fragt sie. "Oh, der war nett, aber der spinnt ein bisschen, der wünscht sich zu Weihnachten nur Frieden und so komische Sachen," entgegnet das Mädchen und hat ihn dann schon vergessen.

Und was macht Jesus?

Er ist ernüchtert und desillusioniert, was aus seinem Geburtstag geworden ist.
Die Hoffnung aufgeben tut er aber nicht.
Die Hoffnung, dass es doch einige Menschen gibt, die die Botschaft des Festes richtig verstehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo DocSchneider,

deine Geschichte gefällt mir. Deine Idee, Jesus in die heutige Zeit in ein Kaufhaus zu versetzen, finde ich sehr kreativ.

Den Ausdruck desillusioniert nehme ich nicht ab. Hoffnung paßt dann gur auf Jesus als Symbol eines Botschafters.

Liebe Grüße. Rhondaly.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Rhonaldy,
wollte Dir die ganze Zeit schon schreiben, dass ich mich damals sehr über deinen Kommentar gefreut habe.
Das mit dem desillusioniert nehme ich ja wieder zurück, siehe


Die Hoffnung aufgeben tut er aber nicht.
Die Hoffnung, dass es doch einige Menschen gibt, die die Botschaft des Festes richtig verstehen

LG Doc
 
A

Architheutis

Gast
Hallo Erzengel Schneider,

ich hätte Deinem Jesus gefallen, denn ich habe im materieller Hinsicht nichts außer zwei selbstgebastelten Kalendern meiner Lieben bekommen. OK, ich war nicht in der Kirche, aber irgendwas ist ja immer. :)

Sprachlich hapert es hier und da:

Erkennen tut ihn natürlich niemand
Die Hoffnung aufgeben tut er aber nicht.
Das tut richtig weh. Umschreibe es einfach. :)

Mit Deiner Kommerzkritik ist sicher jeder einverstanden, aber mir ist es hier ein wenig zu sehr Moralpredigt. Wie gesagt, ich gehe nicht in die Kirche...

Mich stören die vielen Absätze, es muss nicht alles unterbrochen werden. Du kannst unmöglich so viele Sinnpausen in Deinem Text sehen!

Was Rhondaly schon ansprach, das Problem hatte auch ich. Wie gesagt, ich bin kein religiöser Mensch, aber wenn Jesus wiederkehren sollte, würde er sich dann über uns verkommene Schafe wirklich wundern? Warum sonst sollte er wiederkehren, wenn nicht, uns erneut auf den rechten Weg zurück zu bringen?

Ich glaube seine Verwunderung nicht. Ich glaube aber eh nicht an Wunder, auch nicht an religiöse. Ich kann mir eh nicht vorstellen, wieso eine Allmacht an uns Gefallen finden sollte, warum Gott uns missraten und nicht gleich perfekt erschaffen hat, sondern seinen/ihren Sohn zu uns schickt, damit wir ihn auch noch massakrieren können. Das ist die grösste Satire auf Erden! Den Teufel gibt es ja auch nur, damit es die Kirche gibt. Heute wohnt Luzifer halt im Kaufhof, eher aber noch in den Banken, das alles muss Jesus als Sohn Gottes doch wissen! Oder?

Wie gesagt: Deine Botschaft kommt an, ich unterstütze sie, aber wenn ich sowas hören möchte, gehe ich in die Kirche.

Eine "Note" kann und will ich hier aber nicht vergeben, denn Religion ist immer eine persönliche Sache. Eine Bewertung verbietet sich mir daher.

Lieben Gruß,
Archi
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Köln, dritter verkaufsoffener Samstag vor Weihnachten.

Es ist Mittagszeit und die Menschen schieben und drängeln in den Geschäften.
Die letzten Geschenke müssen besorgt werden. Im Kaufhof
ist es besonders schlimm.
Überall voll, aus den Lautsprechern dudelt unentwegt "Heilige Nacht, Stille Nacht", "Ihr Kinderlein kommet" oder "Süßer die Glocken nie klingen".

Da betritt Jesus den Kaufhof durch den Haupteingang. Da er ein Mensch wie Du und ich ist, erkennt ihn niemand. Seine Haare sind vielleicht ein bisschen zu lang, er ist leger gekleidet, trägt Jeans und Sportschuhe, Sweatshirt und Daunenjacke. Die Menschen hasten an ihm vorbei. Er wird geschoben und angerempelt. "Junger Mann, stehen Sie doch nicht so im Weg", schnauzt ihn ein Verkäufer an.
So etwas kann Jesus natürlich nicht wirklich schocken, da hat er ganz andere Dinge aushalten müssen. Verwundert betrachtet er die hektischen Menschen. Wem rennen sie hinterher? Warum sind sie so nervös?

Er sieht kitschige Krippendarstellungen und Rauschgoldengel, kunstvoll verpacktes Parfüm, Weihnachtsmänner in allen Größen und Formen, Rentiere...
warum gibt es so etwas? Er liest "Geiz ist geil" und "Saubillig". Was hat das denn mit seinem Geburtstag zu tun?
Es war doch alles ganz anders im Stall, damals.
Was stellen die Menschen sich vor?
Er war ein Kind armer Leute und seine ersten Besucher waren die Hirten, auch arme Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen. Zu denen ist er immer gegangen.
Was ist hier aus seinem Geburtsfest geworden? Ein Konsumrausch?

Jesus sieht in die Herzen der Menschen im Kaufhof.

Er sieht, dass sie oft voll Feindschaft und Hass sind, dass sie traurig sind, dass sie Kummer und Sorgen haben... und trotzdem kaufen sie Geschenke. Lasst das sein, will er ihnen zurufen. Versöhnt Euch erst, dann könnt ihr meinen Geburtstag feiern.
Und wenn ihr es nicht wollt, dann tut ihr es eben nicht.
Man muss nicht jedes Fest feiern.

Jesus steht ratlos in der Menge.
Er kann die Menschen nicht erreichen.
Das hat er damals schon nicht geschafft.
Nur bei einigen wenigen.

Plötzlich zupft ihn jemand am Ärmel.
"Du, ich hab meine Mama verloren", sagt ein kleines Mädchen zu ihm. "Was soll ich machen? Gerade war sie noch da und
nun ist sie weg" flüstert sie und beginnt zu weinen.
Jesus nimmt ihre Hand. "Keine Angst, ich bleib bei Dir", tröstet er sie. "Sie sucht Dich bestimmt auch schon und wir bleiben am besten hier stehen, dann findet sie dich."

Das Mädchen nicht vertrauensvoll. "Was wünscht Du Dir zu Weihnachten?" fragt sie.
"Oh", erwidert Jesus, "gute Frage. Eigentlich wünsche ich mir nur Frieden auf Erden und dass alle Menschen sich vertragen." Der spinnt, denkt das Mädchen. Das sind ja Wünsche! "Also ich wünsche mir ein Barbiehaus mit Zubehör", strahlt sie ihn an. "Ich glaube, ich kriege das auch, denn ich war ziemlich lieb in letzter Zeit."

Jesus muss schmunzeln. "Willst Du nicht versuchen, auch sonst mal lieb zu sein?", fragt er sie. "Und wie feiert ihr Weihnachten? Geht ihr auch in die Kirche?" Das Mädchen nickt eifrig. "Ja, Weihnachten gehen wir immer in die Kirche, schon wegen der Oma, und dann setzen wir uns zusammen und reden und spielen." Jesus ist etwas beruhigt. Na gut, wenigstens diese Familie erlebt Gemeinschaft.

"Da ist meine Mama," ruft das Mädchen auf einmal aufgeregt und läuft auf eine Frau zu. Sie dreht sich noch einmal um und ruft ihm zu "Danke fürs Aufpassen und schöne Weihnachten!" Die Frau schaut ihre Tochter streng an. "Wer war das, der da auf Dich aufgepasst hat?", fragt sie. "Oh, der war nett, aber der spinnt ein bisschen, der wünscht sich zu Weihnachten nur Frieden und so komische Sachen," entgegnet das Mädchen und hat ihn dann schon vergessen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Köln, dritter verkaufsoffener Samstag vor Weihnachten.

Es ist Mittagszeit und die Menschen schieben und drängeln in den Geschäften.
Die letzten Geschenke müssen besorgt werden. Im Kaufhof
ist es besonders schlimm.
Überall voll, aus den Lautsprechern dudelt unentwegt "Heilige Nacht, Stille Nacht", "Ihr Kinderlein kommet" oder "Süßer die Glocken nie klingen".

Da betritt Jesus den Kaufhof durch den Haupteingang. Da er ein Mensch wie Du und ich ist, erkennt ihn niemand. Seine Haare sind vielleicht ein bisschen zu lang, er ist leger gekleidet, trägt Jeans und Sportschuhe, Sweatshirt und Daunenjacke. Die Menschen hasten an ihm vorbei. Er wird geschoben und angerempelt. "Junger Mann, stehen Sie doch nicht so im Weg", schnauzt ihn ein Verkäufer an.
So etwas kann Jesus natürlich nicht wirklich schocken, da hat er ganz andere Dinge aushalten müssen. Verwundert betrachtet er die hektischen Menschen. Wem rennen sie hinterher? Warum sind sie so nervös?

Er sieht kitschige Krippendarstellungen und Rauschgoldengel, kunstvoll verpacktes Parfüm, Weihnachtsmänner in allen Größen und Formen sowie glitzernde Rentiere. Er liest "Geiz ist geil" und "Saubillig". Was hat das denn mit seinem Geburtstag zu tun?
Es war doch alles ganz anders im Stall, damals.
Was stellen die Menschen sich vor?
Er war ein Kind armer Leute und seine ersten Besucher waren die Hirten, auch arme Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen. Zu denen ist er immer gegangen.
Was ist hier aus seinem Geburtsfest geworden? Ein Konsumrausch?

Jesus sieht in die Herzen der Menschen im Kaufhof.

Er sieht, dass sie oft voll Feindschaft und Hass sind, dass sie traurig sind, dass sie Kummer und Sorgen haben... und trotzdem kaufen sie Geschenke. Lasst das sein, will er ihnen zurufen. Versöhnt Euch erst, dann könnt ihr meinen Geburtstag feiern.
Und wenn ihr es nicht wollt, dann tut ihr es eben nicht.
Man muss nicht jedes Fest feiern.

Jesus steht ratlos in der Menge.
Er kann die Menschen nicht erreichen.
Das hat er damals schon nicht geschafft.
Nur bei einigen wenigen.

Plötzlich zupft ihn jemand am Ärmel.
"Du, ich hab meine Mama verloren", sagt ein kleines Mädchen zu ihm. "Was soll ich machen? Gerade war sie noch da und
nun ist sie weg" flüstert sie und beginnt zu weinen.
Jesus nimmt ihre Hand. "Keine Angst, ich bleib bei Dir", tröstet er sie. "Sie sucht Dich bestimmt auch schon und wir bleiben am besten hier stehen, dann findet sie dich."

Das Mädchen nicht vertrauensvoll. "Was wünscht Du Dir zu Weihnachten?" fragt sie.
"Oh", erwidert Jesus, "gute Frage. Eigentlich wünsche ich mir nur Frieden auf Erden und dass alle Menschen sich vertragen." Der spinnt, denkt das Mädchen. Das sind ja Wünsche! "Also ich wünsche mir ein Barbiehaus mit Zubehör", strahlt sie ihn an. "Ich glaube, ich kriege das auch, denn ich war ziemlich lieb in letzter Zeit."

Jesus muss schmunzeln. "Willst Du nicht versuchen, auch sonst mal lieb zu sein?", fragt er sie. "Und wie feiert ihr Weihnachten? Geht ihr auch in die Kirche?" Das Mädchen nickt eifrig. "Ja, Weihnachten gehen wir immer in die Kirche, schon wegen der Oma, und dann setzen wir uns zusammen und reden und spielen." Jesus ist etwas beruhigt. Na gut, wenigstens diese Familie erlebt Gemeinschaft.

"Da ist meine Mama," ruft das Mädchen auf einmal aufgeregt und läuft auf eine Frau zu. Sie dreht sich noch einmal um und ruft ihm zu "Danke fürs Aufpassen und schöne Weihnachten!" Die Frau schaut ihre Tochter streng an. "Wer war das, der da auf Dich aufgepasst hat?", fragt sie. "Oh, der war nett, aber der spinnt ein bisschen, der wünscht sich zu Weihnachten nur Frieden und so komische Sachen," entgegnet das Mädchen und hat ihn dann schon vergessen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Archi, dieser Uralt-Text von mir bedurfte dringend der Überarbeitung und ich habe auch den letzten Absatz ganz entfernt, so erscheint er mir sinnvoller und der Leser kann sich selbst ein Urteil über eine Begegnung mit Jesus im Kaufhof machen.
Es ist immer schwer, über Religion zu schreiben oder gar zu diskutieren, aber der Text und das Thema lagen mir am Herzen.

Übrigens: Es gibt hier durchaus noch mehr religiöse Texte, auch wenn wir nicht in der Kirche sind:
http://www.leselupe.de/lw/titel-Weihnachten-Eine-persoenliche-Annaeherung-106344.htm


LG Doc, weder Engel noch aus Erz ;-)
 
Hallo Doc,
ich glaube, diese Geschichte lebt aus ihrem Inhalt; daher möchte ich nur dazu etwas anmerken: Dass hier der sinnentleerte Konsumrausch angeprangert wird, haben andere schon erwähnt.
Mich rührt die Erzählung aus einem anderen Grund: Als das Mädchen seine Mutter nicht mehr findet, ist einfach jemand da und nimmt sie an der Hand. Diese zutiefst menschliche Geste zeigt m.E. das Zentrale des Evangeliums, einfach menschlich zu sein, da zu sein, wenn jemand uns braucht; auch wenn man dann (im Text von der Mutter) misstrauisch angeschaut wird. In diesem Sinn scheint mir, lebt die Botschaft dieses besonderen Menschen Jesus (ich begebe mich hier auf theologisches Glatteis) weiter und hat auch in Zukunft ihre Berechtigung.
Danke für die Veröffentlichung dieser beachtenswerten Geschichte
und die besten Wünsche für das neue Jahr
Bertl
 
A

Architheutis

Gast
Hallo nochmal,

ob und wie religiöse Texte funtkionieren, dazu gibt es just im Lupanum einen starken Faden mit einer Diskussion, die zur Abwechselung mal diesen Namen verdient. Sehr empfehlenswert! Ungern machte ich hier eine parallele Diskussion auf.

Ich will mein Problem mal weitgehend unabhängig von dem moralischen Aspekt erläutern:

Kehrte Jesus zurück, erwarte ich einfach etwas anderes als einen Mann, der verwundert durch die Kölner Konsummeile schreitet. Ich erwarte sein übergeordnetes Wissen und eine Aura, die uns alle in ihren Bann zieht, uns (erneut/erstmalig) bekehrt.

Wie gesagt: wir alle teilen die Konsumkritik, gerade in dieser Zeit. Das ist ein wichtiges und richtiges Argument. Ich kann gute Bewertungen zu diesem Text daher nachvollziehen. Ich möchte neben dieser Botschaft aber auch einen literarischen Anspruch, der über diese Botschaft klar hinausgeht. Der fehlt mir hier ein wenig, s.o.

Das ist mein Problem, das ist eigentlich schon alles. Da ich aber merke, dass die religiösen Rechtfertigungen bereits losgehen, möchte ich den Text unbewertet lassen und mich hier aus der Diskussion verabschieden. Das ist nicht, was ich wollte. Mir liegt es fern, religiöse Überzeugungen zu beschädigen. Mir geht es alleine um Textarbeit.

Alles wird gut,
Archi
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Bertl, es ist schön, dass Dir der Kern aufgefallen ist. Abgesehen von der Konsumkritik fand ich die Idee sehr reizvoll, Jesus auf einen Menschen treffen zu lassen, hier das kleine Mädchen.
Umgekehrt könnte uns Jesus in jedem Menschen begegnen, der Hilfe o.ä. braucht.
Aber wie gesagt, ich hatte nur einen kleinen Ausschnitt im Sinn und wollte keine theologische Diskussion anstoßen, dazu ist der Text zu wenig literarisch. Insofern kann ich Archi verstehen. Danke für den Link - und danke an Bertl für die gute Bewertung.
Allen einen guten Jahresausklang, Doc
 

John Wein

Mitglied
Hallo Doc
Was bleibt, wenn man den ganzen Klimbim der um das Weihnachtsfest gemacht wird weglässt, übrig? Richtig! Weihnachten ein Fest der Stille und Einkehr.
.... und ein bisschen wünscht man das auch allen jenen, die unbedingt die andere Seite dieses vermaledeiten Brimboriums brauchen, um ihr Geld damit zu verdienen.
Aber was sollste machen!? Das Jesulein landet nur kurz in der Mottenkiste des Kommerzes. Das Osterfest steht ja schon in der Tür.
Gruß JW,
der den Weihnachtsfesttrubel in New York so eben und gerade noch überlebt hat; einfach so.. und sonst ganz schlicht.
Neujahrs Gruß, JW
 
D

Dnreb

Gast
Jesus contra LIEBE

Jesus im Kaufhof contra LIEBE von Protachion in der Kurzprosa

Liebe Doc Schneiderin,
schon das Contra in meiner Überschrift ist fehl am Platze, geht es doch in beiden Prosastücken um das Thema „Liebe“. Hingegen ohne Zweifel steht die völlig unterschiedliche Herangehensweise an den uralten Dauerbrenner: Im Haupteingang des Kölner Kaufhofs nähert sich eine erzählende Prosa in realistischer Manier über eine wiederbelebte Jesusfigur, während Protachions Liebe den Weg lyrischer Prosa bestreitet, er nutzt ein simples Naturbild, die Spiegelung von Sonne und Himmel in der zunächst ruhigen Wasserfläche eines Sees. Die Wahl der verwendeten Sinnbilder, durchaus stringent und die jeweilige Geschichte tragend, ob christlicher Jesus mit verbal durch Bergpredigt abgesichertem Liebesausdruck oder sinnlich erfahrbares Naturbild („Für einen jeden ist ihr heißer Hauch spürbar,...“) möchte ich in den Bereich individuellen Geschmacks verweisen, nahrhaft sind beide.
Interessanter erscheint mir der Umgang mit den stets vorhandenen Störgrößen. Was bedroht die Liebe? Was stört? Was will Liebe bis zur Unkenntlichkeit entstellen?
Und doch behauptet der Mensch sein Grundbedürfnis, vielleicht nur der Arterhaltung wegen...
Im realistisch angelegten Jesustext sind wir dem wohlbekannten Bombardement des Konsums ausgeliefert, und doch hat da ein kleines Mädchen ein „echtes“ Bedürfnis nach Schutz, Geborgenheit, Wärme … und Liebe?!
Die Autorin lässt uns nicht lieblos alleine, die Welt mag scheitern, die Liebe tut es nicht.
Auch Protachions Liebe erfährt heftige Störung, die überdauert werden will...
„Ein Wind kommt auf, verleiht diesem Abbild Bewegung, die zusehends unruhiger wird, das Bild bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und die verschiedenartigen Abbildungen ineinander verschwimmen lässt. ...“
und letztlich doch den Liebenden eine Bresche schlägt.
Und der See liegt da in seinem dunkler und undurchdringlicher werdendem Blau, strahlt eine immer deutlicher wahrnehmbar werdende Wärme in die nächste Umgebung aus,...“
Protachion schließt mit der blauen Stunde, einem in der Romantik verankertem Sinnbild – Sehnsucht.

Liebe Doc Schneiderin, ich habe nichts gegen Deinen Jesus einzuwenden. Was mich einzig stört ist das verletzende und arrogante Auftreten einiger Mitinsassen dieses Forums. Ob lyrische Prosa oder realistisch erzählende Prosa ist letztlich kein Qualitätsmerkmal der Literatur.

Herzliche Grüße
Bernd Sommer
 
G

Gelöschtes Mitglied 15058

Gast
Hallo Doc,
ich entdecke in deiner Geschichte den Tenor meiner eigenen wieder, nur, dass es in deiner, wie auch schon in der Bibel, ein Kind ist, das dann doch noch auf Wesentliches stößt, wobei du das Wesentliche mit dem einfachen Satz „Jesus nimmt ihre Hand.“ schön auf den Punkt bringst. Das gefällt mit!
 

Vagant

Mitglied
Hallo Doc, nun habe ich es endlich auch mal geschafft einen Text von dir zu lesen, und erst am Ende bemerkt, dass es sich ja um eine ältere Arbeit handelt. Als gläubiger Atheist habe ich beim Lesen des Titels natürlich erstmal gezuckt. Aber im Grunde geht es ja um eine allgemeingültige Aussage. Hat also gepasst. Das sind nun alles keine neuen Gedanken, aber ich finde, dass du sie gut in der szenischen Darstellung verpackt hast. Hier und da sind mir ein paar Worte aufgefallen, für die man vielleicht ein Synonym finden sollte.
Im Absatz ;

Zitat--- Er sieht kitschige Krippendarstellungen und Rauschgoldengel, kunstvoll verpacktes Parfüm, Weihnachtsmänner in allen Größen und Formen sowie glitzernde Rentiere. Er liest "Geiz ist geil" und "Saubillig". Was hat das denn mit seinem Geburtstag zu tun?
Es war doch alles ganz anders im Stall, damals.
Was stellen die Menschen sich vor?
Er war ein Kind armer Leute und seine ersten Besucher waren die Hirten, auch arme Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen. Zu denen ist er immer gegangen.
Was ist hier aus seinem Geburtsfest geworden? Ein Konsumrausch?--- ZitatEnde

Also ab ; '' was hat das mit seinem Geburtstag zu tun.....“ müsste Jesus eigentlich in die Gedankenrede. Es klingt ja teilweise schon wie Gedankenrede, aber dann ist auf ein mal wieder deutlich die Erzählerstimme zu hören ( Rande der Gesellschaft …) . Hier hätte ich Jesus in der Gedankenrede weiter reden lassen. Na ja, gibt halt immer jemanden der etwas zu mäkeln hat . Ansonsten hat es mir gut gefallen.

LG Vagant
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Benni, ja, Jesus nahm die Hand, das ist eine wichtige Aussage und ich freue mich, wenn dir der Text auch deswegen gefällt.

Hallo Vagant, Dein Einwand ist berechtigt. Eigentlich sind es Jesus' Gedanken, er führt eine Art Selbstgespräch. Ich gehe nochmal in mich, wie ich das anders schreiben kann. Ansonsten vielen Dank für die positive Meinung!

LG Doc
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Köln, dritter verkaufsoffener Samstag vor Weihnachten.

Es ist Mittagszeit und die Menschen schieben und drängeln in den Geschäften.
Die letzten Geschenke müssen besorgt werden. Im Kaufhof
ist es besonders schlimm.
Überall voll, aus den Lautsprechern dudelt unentwegt "Heilige Nacht, Stille Nacht", "Ihr Kinderlein kommet" oder "Süßer die Glocken nie klingen".

Da betritt Jesus den Kaufhof durch den Haupteingang. Da er ein Mensch wie Du und ich ist, erkennt ihn niemand. Seine Haare sind vielleicht ein bisschen zu lang, er ist leger gekleidet, trägt Jeans und Sportschuhe, Sweatshirt und Daunenjacke. Die Menschen hasten an ihm vorbei. Er wird geschoben und angerempelt. "Junger Mann, stehen Sie doch nicht so im Weg", schnauzt ihn ein Verkäufer an.
So etwas kann Jesus natürlich nicht wirklich schocken, da hat er ganz andere Dinge aushalten müssen. Verwundert betrachtet er die hektischen Menschen. Wem rennen sie hinterher? Warum sind sie so nervös?

Er sieht kitschige Krippendarstellungen und Rauschgoldengel, kunstvoll verpacktes Parfüm, Weihnachtsmänner in allen Größen und Formen sowie glitzernde Rentiere. Er liest "Geiz ist geil" und "Saubillig". Was hat das denn mit seinem Geburtstag zu tun?
Es war doch alles ganz anders im Stall, damals.
Was stellen die Menschen sich vor?
Er war ein Kind armer Leute und seine ersten Besucher waren die Hirten, auch arme Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen. Zu denen ist er immer gegangen.
Was ist hier aus seinem Geburtsfest geworden? Ein Konsumrausch? Das sind die Gedanken, die Jesus durch den Kopf schießen.

Dann sieht er in die Herzen der Menschen im Kaufhof.

Er sieht, dass sie oft voll Feindschaft und Hass sind, dass sie traurig sind, dass sie Kummer und Sorgen haben... und trotzdem kaufen sie Geschenke. Lasst das sein, will er ihnen zurufen. Versöhnt Euch erst, dann könnt ihr meinen Geburtstag feiern.
Und wenn ihr es nicht wollt, dann tut ihr es eben nicht.
Man muss nicht jedes Fest feiern.

Jesus steht ratlos in der Menge.
Er kann die Menschen nicht erreichen.
Das hat er damals schon nicht geschafft.
Nur bei einigen wenigen.

Plötzlich zupft ihn jemand am Ärmel.
"Du, ich hab meine Mama verloren", sagt ein kleines Mädchen zu ihm. "Was soll ich machen? Gerade war sie noch da und
nun ist sie weg" flüstert sie und beginnt zu weinen.
Jesus nimmt ihre Hand. "Keine Angst, ich bleib bei Dir", tröstet er sie. "Sie sucht Dich bestimmt auch schon und wir bleiben am besten hier stehen, dann findet sie dich."

Das Mädchen nicht vertrauensvoll. "Was wünscht Du Dir zu Weihnachten?" fragt sie.
"Oh", erwidert Jesus, "gute Frage. Eigentlich wünsche ich mir nur Frieden auf Erden und dass alle Menschen sich vertragen." Der spinnt, denkt das Mädchen. Das sind ja Wünsche! "Also ich wünsche mir ein Barbiehaus mit Zubehör", strahlt sie ihn an. "Ich glaube, ich kriege das auch, denn ich war ziemlich lieb in letzter Zeit."

Jesus muss schmunzeln. "Willst Du nicht versuchen, auch sonst mal lieb zu sein?", fragt er sie. "Und wie feiert ihr Weihnachten? Geht ihr auch in die Kirche?" Das Mädchen nickt eifrig. "Ja, Weihnachten gehen wir immer in die Kirche, schon wegen der Oma, und dann setzen wir uns zusammen und reden und spielen." Jesus ist etwas beruhigt. Na gut, wenigstens diese Familie erlebt Gemeinschaft.

"Da ist meine Mama," ruft das Mädchen auf einmal aufgeregt und läuft auf eine Frau zu. Sie dreht sich noch einmal um und ruft ihm zu "Danke fürs Aufpassen und schöne Weihnachten!" Die Frau schaut ihre Tochter streng an. "Wer war das, der da auf Dich aufgepasst hat?", fragt sie. "Oh, der war nett, aber der spinnt ein bisschen, der wünscht sich zu Weihnachten nur Frieden und so komische Sachen," entgegnet das Mädchen und hat ihn dann schon vergessen.
 



 
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