Juddeferz

4,00 Stern(e) 1 Stimme
Einmal, als kleiner Junge in den Sechzigern, im Lebensmittelladen bei seinen Eltern um die Ecke, genierte sich Bert plötzlich sehr. Kurz vor Sylvester und nicht zum ersten mal in diesen Tagen kaufte er „Juddeferz“. Er hatte das Wort gerade ausgesprochen und die freundliche Frau, die ihn schon sein ganzes Leben lang kannte, bediente ihn wie immer mit einem Lächeln, als er sich urplötzlich der eigentlichen Bedeutung des Ausdrucks „Ferz“ bewusst wurde. Das Blut schoss ihm in den Kopf und er wollte so schnell wie möglich wieder gehen. Bert war wohl inzwischen ein bisschen erwachsener geworden, das Wort war ihm auf ein Mal peinlich. Er mochte es schon als kleiner Junge nicht, wenn seine Eltern, selbst beim Essen, sich einfach gehen ließen.

Der Name diese Sylvesterknaller wurden im Dialekt ausgesprochen. Sie waren nicht so laut, deshalb wohl „Ferz“ und nicht so gefährlich, eher etwas für die kleineren Jungs. Man bekam die winzigen Dinger nicht einzeln, sondern nur mit dünnen Fäden fast kunstvoll in Reihen oder Paketen an den langen Zündschnüren zusammengebunden. Es sah aus wie ein Geflecht. Wollte man es auftrennen musste man aufpassen, dass die Zündschnüre nicht aus den kleinen Sprenghülsen herausgerissen wurden. Bert dachte immer an Jute, das musste irgendwie ein grober Stoff sein. Das Geflecht der Zündschnüre und Fäden hatte er damit in Verbindung gebracht. Er war schon erwachsen, als er sich seines Irrtums bewusst wurde.
 

mitis

Mitglied
ich kenne zwar das wort "juddeferz" gar nicht, da nicht im rheinischen zuhause. ich nehme an, es soll eingedeutscht "judenfurz" heißen.
wenn ich mit meiner vermutung richtig liege, finde ich deinen text sehr wichtig.
 

R. Herder

Mitglied
Hola. Hab mal versucht, den Text sprachlich zu glätten. Vielleicht kannst du was damit anfangen.


[blue]Einmal, als kleiner Junge, in einem Lebensmittelladen um die Ecke, genierte Bert sich plötzlich sehr. Nicht zum ersten Mal in diesen Tagen - kurz vor Sylvester - kaufte er "Juddeferz".[/blue] Er hatte das Wort gerade ausgesprochen[blue],[/blue] und die freundliche Frau, die ihn schon sein [strike]ganzes[/strike] Leben lang kannte, bediente ihn wie immer mit einem Lächeln, als er sich [strike]urplötzlich[/strike] [blue]unvermittelt[/blue] der eigentlichen Bedeutung des Ausdrucks „Ferz“ bewusst wurde. Das Blut schoss ihm in den Kopf und er wollte so schnell wie möglich wieder gehen. [strike]Bert war wohl inzwischen ein bisschen erwachsener geworden, das Wort war ihm auf ein Mal peinlich. Er mochte es schon als kleiner Junge nicht, wenn seine Eltern, selbst beim Essen, sich einfach gehen ließen.[/strike]

Der Name [blue]dieses[/blue] [blue]Sylvesterknallers[/blue] wurde[strike]n[/strike] im Dialekt ausgesprochen. [blue]"Juddeferze" waren nicht allzu laut, deshalb wohl „Ferz“, und nicht wirklich gefährlich[/blue], eher etwas für die kleineren Jungs. Man bekam die winzigen Dinger nicht einzeln, sondern nur mit dünnen Fäden fast kunstvoll in Reihen oder Paketen an den langen Zündschnüren zusammengebunden. Es sah aus wie ein Geflecht. Wollte man es auftrennen musste man aufpassen, dass die Zündschnüre nicht aus den kleinen Sprenghülsen herausgerissen wurden. Bert dachte immer an Jute, das musste irgendwie ein grober Stoff sein. Das Geflecht der Zündschnüre und Fäden hatte er damit in Verbindung gebracht. Er war schon erwachsen, als er sich seines Irrtums bewusst wurde.

Ansonsten eine interessante, ungekünstelte Episode.


Grüße,
René.
 
Hallo, Danke für Eure Rückmeldungen.

ich neige zu andeutungen und unausgesprochenem (wohl auch, weil ich nicht alles ausdrücken kann). das wort juddeferz ist für mich echt, auf hochdeutsch wirkt es für mich albern, fremd und grauenhaft zugleich. Genauso glaube ich, jeder in dessen dialekt das wort vorkommt, kann es auch in anderen dialekten erkennen. Und jeder aus der nachkriegszeit wird erkennen, dass es scheinbar für uns so harmlos war...Ja es ist wichtig, zu versuchen diese erinnerung zu erhalten.

Das wort "urplötzlich" finde ich immer noch besser als schwächere "unvermittelt" für diesen markannten moment. ein ur-erlebnis, eine lernerkenntnis mit negativem beigeschmack durch den es erst in der erinnerung eingebrannt wird. Der eigentliche Kontrast ist natürlich: Erst viel später stellt sich heraus, dass der negative beigeschmack lächerlich unbedeutend gegenüber der anderen späten erkenntnis ist.

Hallo Renè, Du hast die 2 richtigen sätze ausgestrichen. sie sind nachträglich hineingemogelt aus vermeintlichem Erklärungsbedürfnis. Solche und andere rückmeldungen brauche ich.

Versucht es doch bitte bei gelegenheit mit "Landungen in der Normandie". ...ob es sich lohnt weiterzumachen. schreiben ist mir eine quälerei, aber manchmal könnte ich platzen vor assoziationen.

Herzliche Grüße
reinhard

wenn euch eine eurer eigenen sachen besonders wichtig ist, sagt es mir!
 

R. Herder

Mitglied
Das "urplötzlich" habe ich deswegen zu streichen vorgeschlagen, weil du bereits im ersten Satz von "plötzlich" sprichst. Diese Dopplung ist unschön.
Vielleicht also fällt dir statt der ersten erwähnung noch was besseres ein, damit du das "urplötzlich", welches natürlich stärker ist als "unvermittelt", behalten kannst.

Grüße,
René.
 
das hat mich auch beschäftigt, hab das als steigerung angesehen, von plötzlich zu ur-plötzlich. Du hast recht, das ist schwach. Danke, merk ich mir

gruß reinhard
 

Justina

Mitglied
Bewegender Text! Ich kenne aus Kindertagen noch eine Redewendung, die da lautetet: "hie süht et uut wie en de Jüddeschool". Auch mir wurde der doch heftigst antisemitische Hintergrund erst später klar.
 



 
Oben Unten