KUBA

Naciye

Mitglied
Es war einer dieser heißen Tage, an denen selbst die Fliegen an der Wand klebten und Siesta hielten. Ich hatte bereits das dritte Mal an diesem Tage geduscht, fühlte mich trotzdem dreckig und verschwitzt. Nachdem ich aus dem Hotel in meinen Wagen gestiegen war, hatte jemand auf mich geschossen, ich konnte froh sein noch zu leben.


Die Sonne Kubas brannte auf meinen Kopf als ich den Weg zu der kleinen Wellblechhütte am Rande der Klippen einschlug. Ich mußte dort hin, auch wenn ich wußte, daß es mein letzter Gang sein könnte. Die Schweißperlen rannen mir in die Augen, ich setzt mich auf einen großen Stein der das Ende der befahrbaren Straße markierte, wischte mir mein staubbedecktes Gesicht mit dem verschwitzten Hemd ab. Ich überlegte nach einem Ausweg, kam dann zu dem Entschluß, daß es keinen gab. Der einzige Weg den es überhaupt gab, war der zur Hütte. Nach kurzer Pause schritt ich durch das Unwegsame Gelände. Das Meer war zu riechen, bitter-salzig, benzingetränkter Geruch. Nirgendwo auf der Welt, hatte ich Meer gesehen, daß dreckig roch. Hier war alles dreckig, auch das Meer. Langsam schritt ich voran, ich hatte keine Lust zu sterben, vorhin als dieser Irre auf mich schoß genauso wenig wie jetzt. Heute mußte mein Glückstag sein. Wer einmal Glück hat, hat es auch ein zweites Mal. Mit dem Mut den mir dieser Gedanke brachte, rannte ich die letzten paar hundert Meter. Abrupt blieb ich stehen. Ein Auto mit peruanischen Kennzeichen parkte vor der Hütte. Was hatte das zu bedeuten? Ich legte mich abseits der Fensterfront in ein Gebüsch und beobachtete aus einiger Entfernung die Umgebung. Ein großer Vololbärtige Mann flüchtete mit hinkendem Gang aus der Hütte und ich wußte er hatte nur Glück gehabt. Jetzt war ich an der Reihe. Vielleicht war heute doch der richtige Tag zum Sterben. Ich riß mir das Hemd vom Leib, wischte mir ein letztes Mal den Schweiß vom Körper und schmiß es in ein Gebüsch. Dann schritt ich die abgebröckelten Stufen zur Tür hinauf. Ein rotes, abgewetztes Tuch hing in der Eingangstür. Ich hatte es gesehen, letztes Mal als ich hier war. Jetzt bekam alles eine andere Dimension. Ich wußte, daß eventuell mein Tod hinter diesem Tuch lauerte. Vorsichtig schob meine Hand den Stoff zur Seite und ich spähte in das schummrige Licht. Es war alles so wie in meiner Erinnerung. Der Boden bedeckt mit Brokatstoffenen Kissen, der kleine Runde Tisch auf dem das Teufelszeug stand. Ich schloß für einige Sekunden die Augen und sog mit einigen langen Zügen die Luft in meine Nase. Es roch süßlich, herb nach kubanischem Zigarrenrauch, ich meinte eine Montecristo No.4 rauszuriechen. Die ohnehin niedrige Decke dieses Raumes ware tief mit Stoffen behangen und diese hielten den Geruch in festen Händen. Ich haßte es, fremden Gerüchen den Weg in meine Nase freigeben zu müssen. Der Duft hier war fremd, nichts roch wie zu dem Zeitpunkt meines Verschwindens. Warum war ich eigentlich gegangen? Ich hätte hier bleiben sollen, aber das paßte nicht zu einem Mann wie mir. Ich setzte mich auf einen der beiden Stühle, die gleich neben dem verhangenen Fenster standen. Harte Stühle, mit dem kleinen ovalen Tisch davor. Hier wurden die Geldgeschäfte erledigt. Hier lagen die Bündel am Ende eines Monats, fein säuberlich gestapelt, aus abgegriffenem Papier. Ich legte ein Bündel 20$ Scheine neben das Teufelszeug und starrte auf meine schmutzigen Hände. Ich hatte mein Auto für dieses Geld verkauft und der Buik erschien mir in meinem Geiste. Der schmierige Autoverkäufer hatte mir seine letzten Dollar gegeben, weniger als der Wagen wert war, aber ich brauchte keine Peseten. Ich sah an meinem nackten Oberkörper herunter, auf die schmutzige Jeans. Mein Blick blieb an den spitzzulaufenden Rindslederstiefeln hängen. Ich saß hier, auf dem Stuhl, wartete auf mein Urteil.

Der Vorhang zum abgetrennten Teil des Raumes wurde bei Seite geschoben. Dann stand sie da, die Versuchung, der ich mein Leben opfern würde. In ihrer herben, anziehenden Art blickte sie mir lasziv in die Augen. Dann schaute sie auf das Geldbündel. Wenig später lagen wir nackt übereinander, in den nach billigen Parfüm und Schweiß riechenden Kissen. Schon bald verschwand die Fremdheit des Geruchs und die Ausdünstungen unserer Körper tränkten die Kissen. Sie lag unter mir. Meine Erregung spielte mit der Feuchtigkeit ihres Körpers. Sie rieb sich an mir, es trennt uns nur der hauchdünne Film aus Schweiß. In kleinen Rinnsaalen troff er ihr auch über das Gesicht, sie ließ sich auf meine Brust gleiten, legte ihr Ohr auf mein Herz. Ich war erregt, wußte aber das jetzt meine einzige, vor allem letzte Chance war von hier zu verschwinden. Ich drückte ihren Kopf an meine Körper und deutete ihr an, sich anzuziehen. Sie verstand, machte jedoch keine Anstalten, auch nur einen Millimeter von mir zu weichen. Ich sah auf die Uhr, stand auf und riß sie aus dem Bett. Ich zeigte mit dem Finger auf den Uhrzeiger, sie verstand und verschwand im Zimmer neben an. Ich stieg in meine Jeans, ging zum Tisch und griff nach dem Geld. Plötzlich spürte ich den kalten Lauf einer kleine Pistole an meiner Schläfe.
„Amigo“
sie hatte eine tiefe sonore Stimme die ich vorher nur aus dem Bett kannte. In sauberem, fast akzentfreien Englisch sagte sie dann, ich solle das Geld zurück auf den Tisch legen und mich auf den Stuhl setzen. Ich hatte nicht geglaubt daß sie dazu im stande war, hatte mir eingebildet, es wäre tatsächlich mehr als nur die sexuelle Anziehungskraft zwischen uns gewesen.
„In einer Stunde wird Carlos hier sein!“ Sie sagte das in einem trockenen Ton.
„Warum verdammt noch mal!? Warum hast du nicht vorher gesprochen?“ ich starrte sie an.
„Du bist doch auch nur einer dieser beschissenen Freier, die einem die tollste Welt versprechen und am Ende nur kostenlos was zum ficken haben wollen. Komm mir nicht mit so einem verlogenden Scheiß über Liebe. Was ist Liebe? Amigo, Sex ist käuflich, deswegen bist Du hier.“
Ich bin hier um Dich zu holen, ich werde Kuba nicht ohne dich verlassen.“ Ich fragte mich insgeheim ob ich Kuba jemals verlassen würde, ein Toter hat selten Kuba verlassen.
Sie setzt sich auf den anderen Stuhl, zündete sich eine Zigarette an und schaute angespannt auf die Ringe, die sie mit dem Rauch gemacht hatte.
„Carlos sorgt für mich seitdem ich 15 bin. Er ist wie ein Vater, hält mir Arschlöcher wie Dich vom Hals“

„Mach die Augen auf! Er verarscht Dich! Wie heißt Du eigentlich wirklich?“
„Was geht Dich mein Name an? In einer Stunde bist Du tot, da spielt es keine Rolle mehr wie ich heiße.“
Der Revolver lag vor ihr auf dem Tisch, sie wußte ich hätte ihn mit einer schnelle Handbewegung greifen können. Ich tat es nicht, schaute auch auf die Ringe, die sich verformten und zu Herzen wurden.
„Leila“ ich hatte den Namen in einige der Kissenbezüge gestickt gesehen. „er sorgt sich nicht um Dich, er sorgt sich um sein verkacktes Geld“
„Tut er nicht, er liebt mich“
„Warum läßt er es Dich dann mit fremden Männern treiben?“
Sie starrte ängstlich auf die Tür, ein Windzug hatte das Tuch in Bewegung gebracht.
„Verschwinde!“ sagte sie „Ich werde Carlos nicht sagen das Du hier warst“
„Ich werde Kuba nicht ohne Dich verlassen. Eher sterbe ich hier.“
„Warum denkt ihr Männer immer, daß Frauen, nur weil sie zweimal guten Sex hatten, ihr leben für einen Mann hinschmeißen würden? Ich lebe gut. Ich habe was zu essen und schöne Kleider, kann zweimal im Monat nach Havanna fahren und mir die Straßen anschauen.“
„Leila, wir haben keine Zeit jetzt darüber zu reden. Carlos wird gleich da sein, er hat mich schon im Hotel beobachten lassen.“
„Wo steht Dein Auto?
„Ich hab’s verkauft.“
Sie fing an hysterisch zu werden und an ihrer Stirn traten die Adern heraus.
„Du hast was?“ Leila stürzte mit dem Revolver auf mich gerichtet rücklings durch die Tür.
„Nimm die Knarre endlich runter, ich hätte sie Dir schon zehn Mal abnehmen können.“
Sie merkte, daß ich es ernst meinte und den Wagen tatsächlich verkauft hatte.
„Wie sollen wir hier wegkommen? Carlos Männer sind im ganzen Gebiet verteilt und stehen Patrouille. Wenn ich mit Dir gehe sehe ich heute Abend meinen letzte Sonnenuntergang. Bist Du wirklich so blöd?“
„Wir haben genug Geld für zwei Plätze in einem Boot Richtung Miami. Ohne Schmiergelder schaffen wir es nicht. Komm jetzt, er ist sicher gleich da und dann wirst Du nicht einmal diesen letzten Sonnenuntergang sehen können.“
„Ich bleibe und Du kannst Dich von mir aus verziehen.“
Sie griff zu der Flasche auf dem Tisch und nahm einen großen Schluck aus ihr.
„Steck Dein Geld ein und hau ab!“ nuschelte sie, nachdem sie die Flasche wieder abgesetzte hatte.

Das Aufheulen eines Motors unterbrach unsere Auseinandersetzung. Carlos rief etwas, dann hörten wir Steinchen unter Schuhen knirschen. Die Schritte näherten sich der Hütte. „Verdammt“ flüsterte ich „hat das Haus einen anderen Ausgang?“
„Nein“ antwortete sie, aber ein Fenster.

Dann stand Carlo inder Tür.

„Mein Zuckerpüppchen! Du hier?“ Der kleine dicke Carlos grinste Leila so breit an, daß seine Goldzähne aufblitzen. Leila machte einen nervösen Eindruck, so als wolle sie gleich wegrennen.
„Sie hat mit der Sache nichts tun, Carlos!. Das ist ein Ding zwischen Dir und mir. Sie wollte Dir treu bleiben, ich wollte sie ein letztes Mal sehen bevor ich Kuba verlasse.“

Carlos gröllte vor Lachen, hielt sich seinen kugelnen Bauch und schnappte nach Luft.

„Leila. Mir treu?“ ihm rannen Lachtränen über das pausbäckige Gesicht „Das ich nicht lache! Seit Monaten erzählt sie mir es kämen keine Freier mehr, sie sei pleite und könne mir kein Geld geben. Wenn ich doch ein richtiger Zuhälter wäre. Das bin ich garnicht. Ich hatte mir Sorgen um Dich gemacht Amigo. Leila ist seit geraumer Zeit, auf der Suche nach einem Mann der ihre Flucht plant und den sie dann abknallen kann. Leila ist ein Stück. Dem letzten Amerikaner konnte sie nicht trauen, der hatte was mit Drogengeschäften zu tun, die Mafia war hinter ihm her und hatte ihn auch schon Mal erwischt. Ins Knie haben sie dem Guten geschossen. So einen brauchte Leila nun wirklich nicht.“

„Aber wie kommt es dann, das gestern auf mich geschossen wurde. Weshalb der Brief an der Rezeption?“ fragte ich zaghaft

„Warum schon. Leila wollte so schnelll wie möglich weg hier. Mit Deinem Auto zum Boot. Ich nehme an Du hast eins gemietet, irgendwo bei K....“

Ein Schuß unterbrach Carlos seine Rede. Wir alle blickten Richtung Tür. Dort stand der Vollbärtige mit eisigem Blick und starrte auf Leila. Carlos und ich schauen uns auch um. Leila lag tot am Boden, blut quoll aus ihrem Kopf.

„Das ist aber kein schöner Anblick“ Carlos drehete sich weg, starrte auf ein Kissen, das auf der anderern Seite des Zimmers lag.

Der Bärtige ging zu Carlos, stoß ihn auf den Boden, drückte seinen Kopf mit seinem kaputten Bein auf den Steinboden und zielt mit der Pistole auf Carlos Gesicht. Ich wollte nicht mehr hier sein, konnte nicht glauben, daß Leila tot ist. Mit ganzem Mut stürtzte ich mich zur Tür.


Jetzt sitze ich in diesem verdammt Boot, mein ins Gebüsch geschmissene Hemd habe ich wieder angezogen. Der Schweiß rinnt mir vom Gesicht. Ich hasse Kuba!
 



 
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