Kaninchenbraten?

2,70 Stern(e) 3 Bewertungen

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kaninchenbraten?

Zwischen meinem Bruder und mir gab es ständig Streit. Er war drei Jahre älter als ich, dennoch versuchte ich stets, ihn zu übertrumpfen. Überall war er mir im Weg. Mama sagte, das ist bei Kindern immer so, aber Papa meinte, das könne nicht sein, Geschwister müssten sich vertragen. Er versuchte alles Mögliche, um uns zu Freunden zu machen, aber vergebens. Dann machte er uns eine große Freude: er schenkte uns zwei weiße Kaninchen. Wir tauften sie „Schnucki“ und „Mucki“ und hatten sie sehr lieb. Wir gaben ihnen gut zu essen und spielten jeden Tag mit ihnen. Beim Saubermachen half uns Papa. Mutti hatte sich ausgebeten, dass die Tiere stets sauber sind, sie würden ja sonst auch krank werden. Menschen werden auch krank, wenn sie sich nicht immer waschen.
Und oh Wunder – wenn wir bei den Tieren waren, vertrugen wir uns. Wir hatten die beiden so lieb, dass wir nicht um sie streiten konnten. Es wäre darauf hinausgelaufen, dass sie getrennt würden, und das wollte ich nicht.
Eines morgens saßen neben Schnucki und Mucki fünf ganz, ganz kleine Kaninchen. Die beiden hatten Babys bekommen! Wir klatschten in die Hände und jubelten vor Freude. Schnell suchten wir Namen für die Kleinen aus. Das eine war eindeutig eine Prinzessin, denn es hatte ein gezacktes schwarzes Muster auf dem Kopf. Das größte nannten wir Hasi, denn wenn es so weiter wachsen würde, wäre es bald so groß wie ein Hase. Das kleinste nannten wir Mausi, auf die beiden restlichen kamen die Namen Toni und Lu, weil das Namen sind, die sowohl ein Junge als auch ein Mädchen haben konnten. Zu unserer großen Freude machte Papa den Stall größer, damit die Familie nicht auseinander gerissen werden musste.
Was soll ich sagen, die Kaninchen vermehrten sich immer schneller, Papa kam gar nicht nach mit Ställe bauen. Dann sagte die Mutter, dass sie nun genug Karnickel groß gefüttert hätte. Man könnte endlich eines schlachten und essen.
Wir sagten sofort, dass sie in unserer Familie wohl keinen finden wird, der so liebe Tiere isst. Aber sie ließ sich nicht abhalten und bat den Nachbarn, den Schlächter zu machen. Am Sonntag hatte sie wie immer den Tisch sehr liebevoll gedeckt, mit Kerzen, Blumenstrauß und funkelnden Gläsern. Dann saßen wir vor dem Braten, schön mit Kartoffelklößen und Rotkohl, es duftete verführerisch, aber niemand nahm seine Gabel zur Hand. Nachdem ich eine Weile trotzig den Fußboden angeschaut hatte, blickte ich die schimpfende Mutter an und hatte eine giftige Bemerkung auf der Zunge. Die schluckte ich verblüfft hinunter, weil ich sah, dass mein Vater Tränen in den Augen hatte.
Mein Bruder musste sie wohl auch gesehen haben, denn er sprang vom Tisch auf und lief weinend aus dem Haus. Dabei rief er: „Nur Verbrecher essen kleine süße Kaninchen!“ Er kam erst spät abends nach Hause und aß in der nächsten Zeit nur, was er gründlich untersucht hatte, ob es nicht etwa doch Kaninchenfleisch enthielt.
Auch ich verzichtete sogar auf den Nachtisch, Birne auf Vanillepudding, sonst mein Leibgericht, und ich war tagelang böse mit Mama. Wie konnte sie nur einen von unseren Lieblingen schlachten lassen und dann auch noch erwarten, dass wir ihn essen! Wir sind doch keine Kannibalen! Darin stimmten mein Bruder und ich überein. Von nun an waren wir die dicksten Freunde, die man sich denken konnte.
 
R

Rote Socke

Gast
Hi oldicke,

Die kleine Erzählung ist des Lesens wert. Mir persönlich fehlt nur ein kleiner Spannungsbogen. Aber sicher kein Grund den Text so gnadenlos 'niederzubewerten'. Aber Du lässt Dich vom Bewertungssystem sicher nicht beirren.

Schöne Grüße
Socki
 
K

kuschelmuschel

Gast
Hallo Flammarion,

ich finde auch das es eine gut geschriebene Geschichte. Der Spannungsbögen wäre wirklich nicht schlecht, aber wenn du den Anfang noch ein bisschen ausbaust, uns einen Streit der beiden miterleben läßt und dann den Schluss vielleicht auch noch ein wenig ausbaust, dann ist das eine wirklich schöne Geschichte.

Vielleicht solltest Du sie dann aber in die Kinderbuchsektion verschieben. Ich habe zwar keine Ahnung was in dem Forum so für Texte stehen, aber vom Gefühl würde ich sagen das passt.

viele Grüße

Michael
 
H

hoover

Gast
der einzige große fehler des bewertungssystems liegt nicht am bewertungssystem, sondern daran, dass ich für den kommentar ´nen rotstift kriege, wenn ich sage, dass ich für die geschichte zwei punkte vergeben hab (soviel ich weiß, wenn nicht sogar noch mehr), was zwei punkte über der qualität der geschichte liegt.
sorry, flammarion, aber das ist nichts, null, nada, den text hast du diesmal bravourös von jeglicher schriftstellerischer qualität keimfrei sterilisiert. ich bin ziemlich überrascht, sowas von dir zu lesen. aber das ist echt enttäuschend. sorry.

hoover
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo hoover,

ich denke in der Bewertung sollte natürlich jeder frei entscheiden können. Und sinnvoller Weise, wie Du es mit Deinem Kommentar getan hast, gibt man dem Schreiber mit der Punktebewertung auch gleichzeitig eine schriftliche Begründung. Denn das hilft dem Autor Lücken aufzudecken und an der Geschichte zu feilen.

Was ich noch anmerken will. Ich persönlich bewerte Texte nicht allein nach Form und Stil und sprachlicher Fertigkeit sondern auch nach dem Inhalt. Und vom Inhalt her hat oldicke etwas lesenswertes zu berichten. Texte müssen ja nicht immer von Karach Kabumm handeln sondern dürfen/sollen auch einen kleinen alltäglichen Lebensabschnitt, ein kleines Erlebnis beleuchten.

Schöne Grüße
RS
 
H

hoover

Gast
hi,

ich geh bei einer geschichte nach dem gefühl. gefällt sie mir, gefällt sie mir nicht. in welchen punkten spricht sie mich an. wenn mich das thema nicht interessiert, hör ich nach der vierten zeile auf zu lesen oder gebe am ende keine bewertung ab. entweder ich denke die geschichte ist gelungen rübergebracht bzw. sie gefällt mir oder sie ist weniger gut. meinem eindruck nach.

grüßle
hoover
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Überarbeitung

Kaninchenbraten?

Mein Vater absolvierte ein Musikstudium in Berlin, als er meine Mutter kennen lernte. Es war Liebe auf den ersten Blick und sie heirateten bald. Kurz nach Beendigung des Studiums erbte mein Vater ein kleines Anwesen in seiner Heimat Kroatien und zog mit seiner Frau dort hin. Dann kamen wir auf die Welt, zuerst mein Bruder, drei Jahre später ich.
Als Geiger in Kroatien hatte man es nicht leicht. Die großen Orchester waren überbesetzt, so konnte unser Vater nur in einer kleinen Tanzkapelle spielen. Obwohl das Geld sehr knapp war, verwöhnte er uns, wo er nur konnte. Zum Beispiel erlebte er einmal, dass ich mir zum wiederholten Mal den Ackergaul des Nachbarn ausgeliehen hatte, um auszureiten. An jenem Tage aber hatte ich Pech und stürzte. Ich bekam zum nächsten Geburtstag ein Pony. Mama war sehr dagegen, sie meinte, dass vieles andere wesentlich nötiger wäre als ein Pony. Aber so war mein Vater nun einmal.
Die Begebenheit, von der ich hier berichten möchte, trug sich etliche Jahre früher zu: Eines Tages brachte Papa zwei weiße Kaninchen mit. Wir tauften sie „Schnucki“ und „Mucki“ und hatten sie sehr lieb. Wir gaben ihnen gut zu essen und spielten jeden Tag mit ihnen. Beim Saubermachen half uns Papa. Mutti hatte sich ausgebeten, dass die Tiere stets sauber sind, sie würden ja sonst auch krank werden. Menschen werden auch krank, wenn sie sich nicht immer waschen, so sagte sie.
Wir hatten die beiden Kaninchen so lieb, dass wir nicht um sie streiten konnten. Es wäre darauf hinausgelaufen, dass sie getrennt würden, und das wollte ich nicht.
Eines morgens saßen neben Schnucki und Mucki fünf ganz, ganz kleine Kaninchen. Die beiden hatten Babys bekommen! Wir klatschten in die Hände und jubelten vor Freude. Schnell suchten wir Namen für die Kleinen aus. Das eine war eindeutig eine Prinzessin, denn es hatte ein gezacktes schwarzes Muster auf dem Kopf. Das größte nannten wir Hasi, denn wenn es so weiter wachsen würde, wäre es bald so groß wie ein Hase. Das kleinste nannten wir Mausi, auf die beiden restlichen kamen die Namen Toni und Lu, weil das Namen sind, die sowohl ein Junge als auch ein Mädchen haben konnten. Zu unserer großen Freude machte Papa den Stall größer, damit die Familie nicht auseinander gerissen werden musste.
Was soll ich sagen, die Kaninchen vermehrten sich immer schneller, Papa kam gar nicht nach mit Ställe bauen und uns fielen kaum noch neue Namen ein.
Dann sagte unsere pragmatisch denkende Mutter, dass sie nun genug Karnickel groß gefüttert hätte. Man könnte endlich eines schlachten und essen. Wir sagten sofort, dass sie in unserer Familie wohl keinen finden wird, der so liebe Tiere isst. Aber sie ließ sich nicht abhalten und bat den Nachbarn, den Schlächter zu machen.
Am Sonntag hatte sie wie immer den Tisch sehr liebevoll gedeckt, mit Kerzen, Blumenstrauß und funkelnden Gläsern. Dann saßen wir vor dem Braten, schön mit Kartoffelklößen und Rotkohl. Es duftete verführerisch, aber niemand nahm seine Gabel zur Hand. Mama wunderte sich zuerst, dann schimpfte sie darüber, dass niemand den leckeren und so überaus preiswerten Braten essen wollte. Nachdem ich eine Weile trotzig den Fußboden angeschaut hatte, blickte ich die schimpfende Mutter an und hatte eine giftige Bemerkung auf der Zunge. Die schluckte ich verblüfft hinunter, denn ich sah, dass mein Vater Tränen in den Augen hatte. Weinte er, weil Geldmangel unsere Mutter zur Mörderin werden ließ?
Mein Bruder musste die Tränen wohl auch gesehen haben, denn er sprang vom Tisch auf und lief weinend aus dem Haus. Dabei rief er: „Nur Verbrecher essen kleine süße Kaninchen!“ Er kam erst spät abends nach Hause und aß in der nächsten Zeit nur, was er gründlich untersucht hatte, ob es nicht etwa doch Kaninchenfleisch enthielt.
Ich verzichtete sogar auf den Nachtisch, Birne auf Vanillepudding, sonst mein Leibgericht, und ich war tagelang böse mit Mama. Wie konnte sie nur einen von unseren Lieblingen schlachten lassen und dann auch noch erwarten, dass wir ihn essen! Wir sind doch keine Kannibalen! Wir wollten lieber hungern, als eines unserer Kaninchen zu essen. Darin stimmten mein Bruder und ich überein. Diese Begebenheit brachte mich meinem Bruder näher als alles, was er sonst tat. Wie bei Geschwistern üblich, hatten auch wir so unseren Zwist. Aber das ist eine andere Geschichte.
 
R

Rote Socke

Gast
Liebe oldicke,

ohne schwofeln zu wollen: SUPER KLASSE!

Nun ist Dir eine herrliche Erzählung gelungen. Prima Überarbeitung des alten Textes. Wer sich so viel Mühe gibt, hat schon allein Lorbeeren verdient und das Resultat spricht eh für sich. Ich bin ehrlich gesagt begeistert. Ganz im Ernst, die Erzählung trifft voll meinen Geschmack und sicher auch der anderen Leser. Du solltest den Text unbedingt neu posten.

Liebe Grüße
Volkmar
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

danke, lieber rote socke. ja, ich hatte die geschichte aus versehen neu gepostet. jetzt steht sie an der richtigen stelle. eine überarbeitung gehört unter das überarbeitete werk. ganz lieb grüßt
 
R

Rote Socke

Gast
Liebe oldicke,

aber das sieht doch keiner mehr. Wäre schade für den guten Text.
Solltest Dich mit dem Text auch bei einer entsprechenden Anthologieausschreibung bewerben. Das Ding gehört ins Buch.

LG
Socke
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

vielen dank für das lob. ja, wenn die geschichte in vergessenheit geraten ist, kann ich sie vielleicht bei kindergeschichten posten. ganz lieb grüßt
 

Zefira

Mitglied
Ich habe es mir eben auch noch einmal durchgelesen. Ja, die Kinderperspektive ist ausgezeichnet getroffen. Mir gefällt z.B., daß Du schreibst "wir gaben den Kaninchen zu essen" statt "zu fressen". Und der Ausruf des Bruders "Nur Verbrecher essen kleine süße Kaninchen" ist geradezu preiswürdig... Kennt jemand von euch "Ferien auf Saltkrokan" von Astrid Lindgren? Der tierliebe kleine Pelle ist ein getreues Abbild Deines Bruders. Dieser Satz hätte von ihm kommen können.

Liebe Grüße, auch von meinen beiden Häschen :)
Zefira
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

liebe zefira, das freut mich aber! leider kenne ich das von dir genannte buch nicht, habe von astrid lingren noch gar nichts gelesen, peinlich, peinlich.
ganz lieb grüßt
 



 
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