Kanzler-Kandidaten-Kür

Kanzler-Kandidaten-Kür



Es war schon immer so, dass man auf die Weisheit der Alten nicht verzichten wollte, und zu wichtigen Ereignissen ihren Rat einholte, und wie so vieles, kommt, auch in der Politik, die Entscheidung immer von ganz oben. Das ist in unserer heutigen Zeit nicht anders. Heroen sind nun mal Heroen. Da steht es ihnen mehr als zu, sich allabendlich, nach dem Essen, in die Tiekholz-getäfelte Bibliothek zurück- zuziehen, um über wichtige Entscheidungen zu diskutieren.
In einem Cockney-Ledersessel sitzt Konrad Adenauer, mit einer Selbstgezüchten Rose im Knopfloch seines Pinguins, auch Smoking genannt, und lächelt versonnen in die Runde. Links neben ihm, Will Brandt, in einer weiten, bequemen Wollweste mit Ärmelschonern und einem Armagnac-Cognac in der Hand. Nun, er kann es eben nicht lassen, obwohl er seit den Tagen der heißen Wahlkämpfe in Berlin-Moabit, seinen Spitznamen: Cognac-Willi, weg hat. Der dritte im herrischen Bunde ist Franz Josef, der Strauß, noch fetter geworden, weil die Küche hier oben auch nicht schlechter als in Bayern ist, und er nach wie vor nicht von den Weisswürstln mit süßem Senf und einer zünftigen Maas Bier lassen kann.
In knapp einer Stunde ruft der Edmund Stoiber an, um das Plazet entgegennehmen, wer im Herbst 2002, bei den Bundestagswahlen, gegen den Amtierenden, als Kandidat der CDU/CSU, ran darf. Die demokratischen Spielregeln müssen, jedenfalls formal, schon eingehalten werden. Lange diskutieren ist also nicht, eine Entscheidung muss her.
Franz Josef rülpst laut, das sind halt die Konsequenzen, und geht sofort zum Angriff über. Ist seine Methode, seit eh und je. Auf zum fröhlichen Halali: „Das glaubst du doch selber nicht Willi, das es dein Brioni-Kasperl noch mal packt, das ist ne Pappnase, der hat doch keine Ahnung von nichts, der steht doch nur da und lächelt, und ein richtiges Mannsbild ist der auch nicht, kein bisschen „quammbad“ ist der, und wenn du genau hinschaust, siehst du, das er dich in letzter Zeit nachmacht, in Gestik und Diktion, ich glaub der übt heimlich vor dem Spiegel, das muss dir doch weh tun, oder nicht?“ Jetzt wird es Konni zu bunt und er schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch, schaut die Jungspunde böse an und zischt: „ Aus, Schluss, lasst euch von einem alten Hasen mal was sagen!“ „Diese Angie, äh, jetzt rede ich schon wie die Kiddis, ich mein natürlich, die Merkel, wird es sicher nicht, dass Mädchen, hat keine Ausstrahlung und wie die aussieht, mit diesem dämlichen Haarschnitt, richtig furchtbar, bewegt sich wie ein Trampel, und habt ihr euch schon mal ihr Gesicht angesehen: Die ist doch depressiv, die gehört doch in die Klappse oder nimmt die Drogen? Also, mit mir nicht, bei so wenig Grazie, kriegt ihr meine Stimme nicht. Aber wie wärs mit meinem Enkel Helmut, das war doch einer, fast wie wir, einer der was aushalten konnte und nicht immer gleich lamentierte, vor allem einer der auch was darstellt, diese imposante Erscheinung, wenn er das Maul hält. Und wie ich gehört habe, denken da unten eine ganze Menge so wie ich, die wünschen sich was fürs Herz und da wär er doch genau der Richtige!“ „Aber, aber, Konni“, wirft Willi dazwischen, „du weißt doch, wer weg vom Fenster ist, ist weg, das ist halt mal so in der Politik - aber wem sag ich das!“ – „Ich hingegen, ich kann überhaupt nicht verstehen, das der Franz Josef den Edmund favorisiert, das ist ein regredierter Konfirmand, ein billiger Streber, einer der sicher schon in der Schule immer in der ersten Reihe saß, und garantiert bei Frauen keinen Schlag hat. Das ist so ein steriler. Apropos: Hat der überhaupt Kinder?“ „Oh Willi, du kapierst ja gar nichts“, prustet Franz Josef los, „weißt du nicht, warum ich den Edmund vorschlage?“ - „Übrigens, ich denk da so wie du, ich konnte den noch nie leiden, der ist um mich rumgeschwänzelt, mir zwischen den Beinen rumgelaufen, das ist ein Speichellecker vor dem Herrn - entschuldige mein Guter, ist nicht so gemeint - aber deswegen schlage ich ihn nicht vor, sondern, weil er ruhig auch mal ne Niederlage einstecken soll, der weiß doch gar nicht, was das ist, dem soll’s so gehen wie mir, ich war ja auch nur der Kandidat, nur deshalb schlage ich den Stoiber vor.“ Jetzt können sich die anderen kaum halten, sie schlagen sich auf die Schenkel und stoßen auf ihre Entscheidung an.
Da bimmelt, pünktlich auf die Sekunde, das Handy. Franz Josef geht ran, unterdrückt sein Lachen und flüstert in salbungsvollem Ton: „Ja, mein Sohn, was begehrst du?“ „Hier ist der Stoiber, Edmund, der Ministerpräsident, aus der Bayrischen Staatskanzlei, entschuldigends bittschön, ich hätt‘, ich hätt‘ gern den Heiligen Franz Josef, meinen Herrgott g’schprochn?“
 



 
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