Kapitel 1 - Hinterhalt

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Auron

Mitglied
Das ist jetzt das Ganze etwas überarbeitet und mit Bezug auf eure Anregungen verbessert. Hoffe ihr findet es gelungener^^. Viel Spaß beim Lesen.
Euer Auron

STERNENSTAUBSAGA
Ein fantastischer Abenteuerroman

KAPITEL 1
-Hinterhalt-

"Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen."

— Sun Tzu, Die Kunst des Krieges



Seid gegrüßt, oh Mensch, dessen Herz noch unwissend ist! Willkommen in einer fernen Welt, wo die geheimnisumwobene Kunst der Magie zur Realität gehört!

Blendend weiße Schäfchenwolken verdeckten die Sicht auf das Land das sie hektisch überflogen.
Hier und da war ein tiefblauer Flecken unter ihnen zu sehen. Zusammengedrängt über dem Meer, stauten sie sich zu einem Schwall aus auftürmendem Grau und kräuselten sich in bizarren Formen langsam aufs Festland zu.
Das Festland, eine Blockade der Stille. Keine Städte und Straßen, nur vereinzelte kleine Gehöfte und einsame Hütten zwischen Bäumen und Wiesen, deren Anordnung sich rein willkürlich ausrichtete. Eine unberührte, sich überlassene Natur.
Wie tröstende Marionetten eines zur Einsamkeit verdammten Puppenspielers tanzten die Bäume der unüberschaubar großen Wälder, ergaben sich vor der Allmacht des Windes. Schutzlos waren sie ihm ausgeliefert und nur in der Masse, so glaubten sie, gingen sie nicht unter. Doch nicht alle Bäume waren dieser Ansicht...
Ein einzelner alter Baumgigant auf einem kleinen begrasten Hügel ragte wie ein Monolith aus der Umgebung, trotzte dort eine Ewigkeit schon Wind und Wetter. Er stand weit ab seiner Kameraden, doch seine Wurzeln reichten außergewöhnlich tief ins Erdreich hinein und boten ihm kräftigen Halt. An seinem Baumstamm entlang führte eine von Erosion stark genarbte Mauerruine aus grauen Steinen, kaum höher als einen Meter.
Auf dieser Mauer saß ein junger Mann, nicht viel älter als ein Kind, doch auch nicht erwachsen. Seine braunen Haare reichten ein Stück über die Ohren und hatten lange Zeit weder Kamm noch Schere gesehen. Der Junge bekam noch keinen Bart, seine Gesichtskonturen waren aber bereits sehr kantig.
Er hielt etwas silbrig glänzendes in der linken Hand. Ab und zu durchdrang die Sonne das Wolkenlabyrinth und ließ den Gegenstand aufleuchten. Ein doppelschneidiger Dolch, dessen vergoldeter Griff dem flachen eines Wurfmessers ähnelte. Mit einem samtenen purpurroten Tuch putzte der Junge die Waffe, streichelte ihre künstlerisch hervorragend geschliffene Gravur in Form eines einzigen, verschnörkelten Wortes:
YIN.
Rehbraune Augen reflektierten sich auf der schlanken Klinge. Sie sahen traurig aus, nachdenklich und verträumt, doch weder Mut noch Begeisterung waren in ihnen zu finden. Gleichwohl war da vor allem eines:
ANGST.
Wie von selbst führte sich die Klinge an seinen Arm, gab die Liebkosungen zurück, die sie vom Tuch erfahren hatte, streichelte auf und ab entlang des Unterarmes und verursachte eine Gänsehaut. Ein prickelnd kühles Gefühl auf der Haut, dem man nicht abgeneigt sein konnte. Der Dolch wollte sich revangieren für sein edles, strahlendes Aussehen. Er rieb sich sanft in die Haut des Jungen, hinterließ dünne rote Fäden voller Freude. Gab all die Liebe wieder, die ihm zuteil wurde. Eine Waffe über und über mit Hingabe.
Im Gesicht des Jungen bewegte sich nichts, mit Ausnahme dieser vor Angst weit geöffneten Augen, die ruhig und Aufmerksam den Weg der Klinge verfolgten. Mit jedem Schnitt schwand die Angst, reduzierte sich die Hemmung vor dem Schmerz, öffnete sich sein Geist mehr der Dunkelheit in die er lautlos fiel.
Er sprang von der Mauer und ging mit unsicher wirkenden Schritten durch das hüfthohe Gras zum Rande des Waldes. Über ihm tanzten noch immer die Bäume und beteten, dass der starke Wind sich bald legen mochte, damit die baldig hereinbrechende Nacht nicht ihre Letzte wäre, die sie in der Gemeinschaft erleben durften.
Und als hätte er das Klagen der ächtzenden Äste vernommen, hörte der Wind auf zu wehen, als der Junge den dichten Wald betrat.

Jenseits dieses Waldes befand sich eine nicht sehr hohe Bergkette, deren nackte, deprimierende Felsen sich wie ein Keil aus fremden Invasoren mitten in die Vegetation ringsum bohrten.
Auf den ersten Blick wirkte diese gebirgige Landschaft recht einsam; auf den zweiten Blick erkannte man das rote Glühen eines Feuers, dessen Rauch sich in der Dunkelheit wie ein schwarzer Schleier empor schob.
Und sah man noch etwas genauer hin, erkannte man auf einer Klippe unweit über dem Wald einige weiße, kreisförmige Zelte.
In diesen Zelten schliefen keine Jäger, sondern Krieger. Zugegeben, es waren junge Soldaten -beinahe noch Kinder - aber sie hatten ein festes Ziel vor Augen. Nein, sie suchten nicht nach Ruhm, waren während keinem blutigen Eroberungszug hierhergekommen um zu rasten. Ihr Ziel war es, den Frieden in ihr Land zurückzuholen. Und dieses Ziel schien nun mehr als jemals zuvor in greifbare Nähe gekommen zu sein. Geschwächt durch unzählige Kämpfe, von denen keiner mehr Grund noch Ursache wusste, hatten bis heute angedauert und kosteten über die Jahrhunderte hinweg viele Millionen Menschen und Elfen das Leben. Die Alten unter dem Volke konnten sich nicht daran erinnern, dass es zwischen den fünf Reichen Valonias je für lange Zeit Frieden gegeben hatte; und sei es auch nur ein Waffenstillstand gewesen.
Ein weiser Mann sagte einst, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Wenn das andersherum auch funktionieren sollte, dann bitte schnell und erfolgreich. Denn nichts wünschte man sich sehnlicher, als endlich wieder Nachts ohne Angst schlafen zu können.
Hier, in den Lappbergen, stehen die Zelte von Jungsoldaten, deren Leben und Schicksal dem großen und mächtigen Königreich von Palandria gehört, dem östlichsten aller Kontinente.

Als sich der Wald zu einer kleinen Steigung hin lichtete, betrat der Junge mit der roten Tunika die Klippenplattform. Sein Arm blutete nicht mehr, er hatte die Wunden an einem kleinen Bach im Wald gesäubert.
Mehrere Lagerfeuer erhellten das Lager. Um sie verteilt saßen die auserwählten Nachtwachen in ihren marineblauen Eisenrüstungen, kauten auf harten Brotlaiben und tranken dampfende Kelche voll Reiswein. Sie unterhielten sich leise, aber deutlich. Ihre Gemüter waren angespannt, doch den Jungen interessierte es nicht. Er lief geradlinig an ihnen vorbei, ohne groß davon Notiz zu nehmen, worüber sie sich unterhielten.
>>Ist vielleicht warm heute Nacht...<<, sagte einer der Jungs und schöpte einen weiteren Kelch aus dem Faß, das neben ihm stand. Der Nächste lehnte seinen Kopf gegen eine kurze Lanze mit jeweils einer Sichelklinge an jedem Ende, die Voulge genannt wurde.
>>Du trinkst zu viel Sake. Wegen dir haben sie die Rationen gekürzt.<<, behauptete er murmelnd im Halbschlaf. Immer wieder nickte er ein und wachte zuckend auf.
>>Seht in die Sterne-<<, meinte da der Dritte. Ein sehr junger Soldat, der an seinem Brustpanzer einen Tapferkeitsorden haften hatte.
>>-glaubt ihr, dass Seydis wirklich Frieden schließen wird?<<, fragte er.
>>Der Krieg ist vorbei!<<, sagte der Erste scharf und ein wenig lallend.
Diese Worte vernahm der Junge mti der roten Tunika noch, dann schob er die gegerbte Lederplane beiseite und betrat das Zelt direkt neben dem knisternden Lagerfeuer.
Hier saß ein weiterer Jungsoldat samt Rüstung auf seinem mit Stroh ausgelegten Feldbett und starrte auf den abgelegten Helm. Er hatte langes blondes Haar das zu Locken neigte, blaue Augen, war groß und schlank. Ein Typ, auf den die Frauen standen.
>>Hallo...<<, sagte er etwas überrascht zu dem Jungen mit der roten Tunika. Als er ihn bemerkt hatte, war der Junge bereits kraftlos auf seine Matte gefallen.
>>Wo warst du so lange?<<, fragte der Blonde.
>>Spazieren...<<, antwortete der Junge noch immer in Gedanken versunken und musterte die Decke des Zeltes, auf der die Schatten des Lagerfeuers wie in Wasser schwammen.
Der Blonde sah ihn etwas verwundert an, dann legte er sich auch zurück.
>>Endlich...ich bin so glücklich! Bald können wir wieder zu unseren Familien zurück.<<, sagte der Blonde.
>>Ja.<<, antwortete er mit einem besorgten Blick, in dem diese panische Angst wieder aufstieg und berührte die Klinge unter sein Gewand. Sie war noch da...so verlockend ihre kühle Zuneigung.
>>Du machst dir noch immer Sorgen um Pal und deine Mutter?<<, vermutete der Blondschopf.
>>Ja, schon.<<
>>Ihr geht es gut, denke ich. Ich bin mir sicher! Hey, du wirst sehen, morgen werden wir aufbrechen. Der Krieg ist vorbei. Du wirst sehen, alles wird gut.<<
>>Wenn du das sagst...<<, sagte er nicht wirklich überzeugt.
>>Du bist ohne Rüstung draußen umhergelaufen. Das war leichtsinnig von dir, Ryz. Wenn der Hauptmann davon etwas mitbekommt, wird er dich disziplinieren.<<
Ryz hatte seine Rüstung weit von sich geschoben. Er haßte sie inzwischen so sehr, obwohl er einmal vor langer Zeit stolz war, sie tragen zu dürfen.
Als der Blonde seine Rüstung abgestriffen und sich ein blaues Leinenhemd übergezogen hatte, sagte er:
>>Wollen wir nicht nochmal frische Luft schnappen, Ryz?<<
>>Ich kann sowieso nicht schlafen.<<, sagte Ryz, stand auf und ging wieder nach draußen. Die Nachtwachen waren inzwischen still. Ryz sah zu ihnen herüber. Sie lagen am Boden und schliefen fest, denn der lange Fußmarsch am Morgen hatte ihnen erheblich zugesetzt. Dafür zirpten nun Grillen unablässig und in der Nähe wetzte jemand sein Schwert am Schleifstein. Seltsam, dachte Ryz, wozu brauchen wir denn noch Waffen? Ein aufgebrachter Schwarm Flederratten zog an der Klippe vorbei und dicht über Ryz' Kopf hinweg. Ihre kläglichen Qietscher hatten etwas Bedrohliches an sich. Irgendetwas schien sie unfreiwillig aus ihrem Versteck getrieben zu haben.
In diesem Moment kam der Blondschopf aus dem Zelt, streckte seine Glieder und warf Ryz dann eine große Haxe Pökelfleisch zu.
>>Du solltest noch etwas essen, bevor wir losziehen. Wir haben einen weiten Weg vor uns.<<, empfahl er.
Ohne ein Wort kauten sie auf den Keulen.
Als er die Hälfte des Bratens geschafft hatte, maulte Ryz auf:
>>Bäh, ich bin diese Feldrationen so satt! Ich vermisse Pals leckeren Quambeerenauflauf.<<
Der Blondschopf lachte beherzt.
>>Stimmt! Es muss ja schon Jahre her sein, das wir den gegessen haben.<<, doch seine Freude schwankte schnell in Trauer um.
>>Haben wir noch Wasser, in das diese Idioten von Feldköche kein Salz geschüttet haben?<<, sagte Ryz herablassend, denn er hatte seit Moanten weder Saft noch Milch gesehen. Er drehte sich um und ging zurück zum Zelt, warf dabei die halbe Fleischkeule achtlos über die bewaldete Klippe hinter sich. Weil der Blondschopf daraufhin so laut kicherte, hörten sie nicht, wie eine rauhe Stimme unter der Klippe erschrocken einen Schmerzschrei fluchte.

>>Ich vermisse sie, Kenji.<<, sagte Ryz ehrlich zu dem Blondschopf, als sie später wieder auf ihren schäbigen Nachtquartieren im Zelt lagen.
>>Du weißt, wie stark sie ist.<<, sagte Kenji und gähnte. >>Pal kann besser allein auf sich aufpassen, als du es je könntest!<<
In der Dunkelheit schmunzelte Ryz matt.
>>Ich habe ja dich dabei.<<, sagte er.
Und dann grinste auch Kenji.

Wenig später schlummerten sie den Schlaf der Gerechten.
Ein jäher, abgehackter Schrei riss sie aber schnell wieder aus ihren Träumen.
>>Was zum Gryffin war das?<<, regte sich Kenji gereizt auf und rieb sich den Schlafsand aus den Augen.
>>Wir müssen nachsehen, was draußen los ist!<<, drängte Ryz. Er verspürte ein schreckliches Ziehen in der Magengegend, das nichts Gutes verhieß. Sein Herz klopfte schnell und unregelmäßig. Er war völlig außer sich.
Sie langten beide nach ihren Naginatas, den langen, gezackten Speerlanzen die an der Zeltwand lehnten und schlichen auf Zehenspitzen hinaus in die Nacht. Es war jedoch niemand von den Jungsoldaten zu sehen.
Mit einem schallend lauten Schlag auf den Kriegsgong erwachte das ganze Lager innerhalb von wenigen Sekunden. Der Kommandant, im beigen Schlafgewand aus seinem Zelt gestürmt, schrie aus Leibeskräften:
>>Angriff! Angriccchhh-<<
Durch einen brennenden Pfeil in den Hals wurde dem Krakehler ein jähes Ende gesetzt. Er fiel um und landete direkt vor Ryz und Kenjis Füßen.
>>Verdammt!<<, rief Kenji mit einem Geischtsausdruck von überraschter Verzweiflung. Ryz merkte, wie ihm schlecht wurde, doch bevor er sich übergeben konnte, wurde er von Kenji am Arm gepackt und mitgezogen. Sie bahnten sich einen Weg zwischen den Zelten entlang, an ihren in Panik geratenen Kameraden vorbei. Ein Jungsoldat lud sein Gewehr, legte an und schoss in dem Moment, an dem Ryz an ihm vorbeirannte. Das Herz fiel ihm in die Hose und die Welt um ihn herum begann sich zu drehen wie ein Karussell.
Er sah nach links, wo zwischen den Zelten der Abhang in den Wald begann.
Im Dickicht des westlichen Waldes loderten Dutzende Fackeln und der silbrige Glanz eines Eisenrohrs blitzte im trüben Schein der zwei Mondsicheln auf. Männer riefen taktische Kommandos an ihre Untergebenen und bewegten die Fackeln in einer stummen Zeichensprache.
>>Schnell, Ryz! Wir müssen fliehen!<<, zischte Kenji.
>>Aber die anderen!<<
>>Los!<<, drängte Kenji ohne auf Ryz zu hören, packte ihn fester am Arm und zog ihn in den Wald Richtung Osten. Unmittelbar hinter ihnen schlug eine Kanonenkugel donnernd in ein Zeit ein. Ryz riss es mit grober Kraft nach unten, etwas seitlich zu Boden, doch er wurde von Kenji weitergeschliffen. Ein stechender Schmerz breitete sich in Ryz' rechtem Bein aus. Einige der anderen Jungsoldaten riefen um Hilfe, nach ihren Müttern oder wimmerten einfach nur vor Angst. Auf dem Weg durch den Wald sah Ryz seine Kameraden verwundet herumlungern. Manche duckten sich hinter Felsbrocken und Baumstämmen und andere waren bereits tot. Nur manche hielten tapfer Gegenwehr zu den hinterhältigen Angreifern.
>>Schweine! Schweine!<<, brüllte jemand von der Seite her und feuerte mit einer Pistole ins Nichts.
Ein feiner Nadelstich traf Ryz' Kopf von der Seite.
>>Namu!<<, durchfuhr es ihn.
Ryz nahm sich zusammen, presste die Zähne aufeinander und vergaß den Schmerz in seinem Bein. Er riß sich von Kenji los und rannte wie ein Verrückter zu dem Kameraden. Kenji blieb nicht stehen, aber sah im nach. Er suchte sich ein Versteck in einer laubbedeckten Erdmulde.
Ryz sah Namu an, er war bereits tot-
>>Es ist zwecklos!<<, fauchte Kenji und packte ihn rücksichtslos. >>Komm endlich!<<
Der Überraschungsangriff wurde ein voller Erfolg für die Angreifer und schon nach wenigen Minuten glich das Lager der Jungsoldaten einem von Schießpulverschwaden bedeckten Trümmerfeld. Hinter Kenji und Ryz wuchs eine beklemmende Stille heran. Sie wollten aber nicht stehenbleiben oder gar umkehren. Dafür war es zu spät. Sie rannten ohne ihre Rüstungen und ohne Plan durch den Wald, der sich wie ein dunkler Rachen vor ihnen immer tiefer auftat. Immer nach Osten. Ihre Naginatas hatten sie unterwegs ins Laub geworfen, damit sie schneller rennen konnten. Als der Wald endete und ein weites Hügelfeld zum Vorschein kam, blieb Kenji hustend stehen und auch Ryz ringte erbittert um Luft.
>>Hast - du - sie - gesehen?<<, fragte Kenji außer Atem, doch Ryz senkte nur schockiert und zitternd den Kopf, betrachtete mit Schrecken seine klaffende Fleischwunde im Bein. Sie sah aus, als hätte ein wildes Tier ihn angefallen und mit grausamer Brutalität ein Stück seiner Haut einfach herausgebissen. Sie duckten sich erschöpft ins Gras und verschnauften, doch von ihrem Schockzustand konnten sie sich nicht erholen. Kein Laut, ausgenommen ihrem Gehechel war mehr zu hören. Keine Grille und kein Vogel verkündete den neuen Morgen.
>>Ich glaube kaum, dass sie nach uns suchen werden.<<, versuchte Kenji seinen Ryz zu beruhigen, doch das schien nichts zu bewirken.
Ryz hatte sie gesehen. Die Angreifer. Er sah es noch direkt vor sich, blickte genau in das Gesicht des Anführers, als der befahl, jene für Ryz so verheerende Kanonenkugel abzufeuern. Diese überlegen grinsende Fratze des Mannes hatte sich in sein Bewusstsein gebrandmarkt. Er würde sie nie wieder vergessen können, davon war er überzeugt. Und er wusste, dass sein junges Leben jeglichen Glanz von Ehre und Stolz verloren hatte. Es war sinnloser geworden, als es zuvor bereits war. Und wieder fühlte er ganz heimlich an YIN. Sie versuchte ihn zu beruhigen, doch diesmal konnte auch ihre bittere Liebe es nicht schaffen, den Schmerz in Ryz zu tilgen. Zu viel Unbegreifbares, zu viel Unrecht war geschehen und Kenji hatte es nicht einmal bemerkt. Oder doch? Hatte er nicht dasselbe wie Ryz verspürt? Er sagte nichts...
So warteten die beiden Freunde denn liegend, im Schutze eines Kreises aus dichten dornigen Hecken, bis die Sonne hinter den Hügeln aufstieg. Mit den ersten Lichtstrahlen über dem Horizont erschienen auch die winzig feuchten Spuren in den äußeren Augenrändern von Ryz, den sichtbaren Beweisen, dass er sich zusammenriss, nicht ungehemmt loszuheulen.
Mit aller Macht versuchte Kenji die Schuld in seiner gedämpften Stimme zu unterdrücken:
>>Wir haben einen taktischen Rückzug ergriffen, ok? Kein Mensch wird uns Vorwürfe machen, weil wir uns nicht sinnlos haben
abschlachten lassen. Dieser Hinterhalt war ein Massaker, kein ehrbarer Kampf!<<
Ryz wandt schnell den Kopf ab, als würden Kenjis Worte ihn verletzen, ja gar anwidern. Jetzt fielen doch Tränen vor seine Füße und häuften sich dort zu kleinen Pfützen.
>>Sag das den Familien der anderen! Sie werden uns nicht nur Vorwürfe machen, dass wir ihre Söhne nicht retten konnten. Nein! Sie werden uns allein deswegen verurteilen, weil wir noch am Leben sind. Du kennst die Ehre! Du weißt vom Stolz der-<<
>>Hör auf!<<, warf Kenji etwas wütend ein.
>>Ich kann nicht! Ich muss an ihre Schreie denken, das kann ich nicht vergessen! Nein! Hörst du? Sie schreien immernoch...<<
Kenji biss die Lippen zusammen und lauschte.
>>Sie schreien...unsere Namen...<<, flüsterte Ryz mit einem flehenden Unterton. Die Angst stand ihm nun ins Gesicht geschrieben. Sie hatte ihn gänzlich eingenommen und seinen Körper wie ein langsam zehrendes Gift durchspült. Er war kaum wiederzuerkennen, so bleich wie sich sein Gesicht gefärbt hatte. Und dann hörten sie tatsächlich etwas.
>>Da! Das sind Soldaten!<<, rief Kenji.
Ryz zuckte zusammen und spähte durch die Hecke in den aufgehenden roten Feuerball am Osthimmel. Auf einem breitgetrampelten Pfad in den nahen Grashügeln rollte ein Konvoi aus drei Planwagen. Kenji rannte ohne Vorwarnung aus dem Gebüsch und stürmte den Hügel zwischen Waldrand und Feldweg hinab. Ryz hielt den Atem an. Er hatte das Gefühl, sich im Boden vergraben zu müssen, damit man ihn nicht findet. Mit wild rudernden Armen sprang Kenji an den ersten der von Pferden gezogenen Planwagen und rief: >>Hey ihr! Helft uns! Schnell!<<
Der alte Kutscher in Zivil bremste den Konvoi und pfiff mit zwei Fingern durch den Mund. Seine Pferde wiehrten erleichtert über die Pause. Sofort sprangen zwei Soldaten hintlings des Wagens ab und kamen verwirrten Blickes auf Kenji zu. Ryz konnte sie von seinem Versteck aus mühelos belauschen.
Es waren marineblau gerüstete Soldaten aus Palandria, dem Reich, für dessen Ehre auch Ryz und Kenji kämpften. Eine sehr fragwürdige Ehre, wie aber keiner von beiden je mit Worten zugegeben hatte. Kenji wollte etwas sagen, doch die erwachsenen Soldaten kamen ihm zuvor.
>>Was? Aber du bist ja ein Jungsoldat!<<, wunderte sich der Leutnant (erkennbar an den roten Bruststreifen) mit einem Blick auf Kenjis Silbergürtel und der Gefreite (grüne Bruststreifen) rief gleich darauf:
>>Wir haben gedacht, ihr wärt alle tot!<<
>>Ihr wisst, dass Seydis uns angriff?<<, rief Kenji entsetzt und auch verwirrt.
>>Ja...<<, stöhnte der Leutnant auf und wechselten einen besorgten Blick mit seinem Gefreiten. Ryz beobachtete zitternd das Geschehen aus dem Gebüsch heraus, konnte aber die Gesichter der Soldaten nicht erkennen. Die Sonne blendete ihm unangenehm ins Gesicht. Auch dass er eine Hand über die Augen hielt, half nichts.
>>Wir kommen gerade aus den Lappbergen. Von der anderen Seite sahen wir einige Rauchfahnen oben am Bulwa-Pass. Sind hingefahren - da lagen eure Freunde - schrecklich - keiner ist mehr übrig. Dafür werden diese Seydis-Schweine bezahlen!<<
Der Gefreite nickte hastig und klopfte sich beschwörend auf die eiserne Brustplatte.
>>Fallen euch Jungs feige aus dem Hinterhalt an, diese Bastarde! Wenn du mich fragst, Kleiner, wir haben von diesen miesen Heuchlern nichts anderes erwartet! Sogar einen Friedensvertrag haben sie vorgetäuscht, nur um uns zu verunsichern! Aber diesmal sind sie zu weit gegangen!<<
Kenji sah äußerst mitgenommen aus. Wahrscheinlich hatte auch er endlich begriffen, das sie beide die einzigen Überlebenden waren. Ryz wünschte sich umsomehr, sich unsichtbar machen zu können.
Der Leutnant stützte sich mit dem Rücken an den Planwagen und betrachtete Kenji genauer. Schmutz haftete überall an ihm und seine Kleidung hatte während der überstürzten Flucht einige hässliche Fetzen gelassen.
>>Dieser Konvoi ist auf dem Weg nach Al Baku. Wir haben Wasser, Suppe und Munition für die Freiwilligenkompanie unter General Ganley geladen. Wenn ihr wollt, können du und dein Freund mit uns kommen.<<, sagte der Leutnant umsichtig und deutete mit dem Kinn auf Ryz, der gerade den Hügel heruntergestapft kam. Noch immer war er zu Tode verängstigt, wusste aber, dass es nun keine andere Möglichkeit mehr gab, als auf sein Glück zu vertrauen. Vielleicht würden die Soldaten keinen Verdacht schöpfen, wenn er sich nicht zu dem Vorfall äußerte. Er würde eine Amnesie vortäuschen und sich an nichts mehr erinnern, was während oder kurz nach dem Angriff passierte.
>>Sicher...wir danken euch!<<, meinte Kenji ein wenig erleichtert, salutierte kurz und kletterte dann etwas unbeholfen unter die Plane in den Wagen. Als auch Ryz zu ihm und den sechs anderen darin mitfahrenden Soldaten stieß, zog der Planwagen endlich ruckelnd vorwärts.

Der Konvoi machte gute Fahrt. Ihre holprige Reise verlief noch ein Stück über die Hügel und anschließend hinab in eine wüstenähnliche Ebene, die von Dattelpalmen und einem umgrünten Flusslauf gekennzeichnet war. Die Hitze erfüllte den Wagen und breitete sich zu unerträglicher Glut unter den Rüstungen der Soldaten aus. Sie legte ihre Brustpanzer sowie Helme und Beinschoner ab und legten sie in den vorderen Teil des Wagens. Ryz beobachtete von seinem Platz am Ende des Wagens aus die Kraniche, welche im breiten Flussbett gegenüber ausgiebig fischten. Ihre langen Schnäbel tauchten wieder und wieder unter, gierig stolzierten sie entlang des hiesigen Ufers im Schilf. Der Glanz des Sonnenlichts verwandelte das Wasser in einen goldenen Strom.
>>Wie habt ihr es denn geschafft, so unversehrt davonzukommen?<<, fragte der Leutnant plötzlich ganz misstrauisch.
Ryz horchte auf und wippte nervös mit einem Fuß. Kenji versuchte sich rauszureden:
>>Wir sind ihnen entkommen, weil wir keine Uniformen mehr trugen, denke ich. Wir hatten eigentlich am Morgen Erlaubnis von der Front zurück in die Heimat zu ziehen. Sie werden Ryz und mich nicht bemerkt haben ohne unsere Rüstungen.<<
Ryz starrte auf seine leuchtende, rubinrote Tunika. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, dass auch einige der Soldaten ihn anstarrten.
Kenji sprach unterdessen ungerührt weiter:
>>Wir hatten keine Chance gegen diese Typen! Seydisische Kanonen, Blitzwerfer, Nachtfalkner und so`n abgedrehtes Zeug! Die müssen das schon lange geplant haben, sage ich euch!<<, log Kenji ohne den Anschwung einer Errötung und bemerkte erleichtert, dass Ryz' auffällige Nervosität ebenfalls einem "nur noch" schuldigen Blick wich. Doch Ryz fühlte sich mehr als schuldig. Er ahnte, dass er dem Tode geweiht war. Und er betete dafür, dass Kenji endlich den Mund halten würde.
>>Ahja. So ist das also. Nun...ähem...<<, räusperte sich der Leutnant mit strenger Mine und der Wagen wurde kurz durchgerüttelt. Alle mussten sich gut festhalten, sonst wären sie übereinander geflogen.
>>Entschuldigt bitte!<<, rief der Kutscher in mildem Ton nach hinten und fügte hinzu, dass jetzt die gepflasterte Steinstraße nach Al Baku begonnen hätte.
>>Wir werden bald am Ziel sein. Wohin müsst ihr beiden denn in die Heimat?<<, fragte der Leutnant weiter.
>>Jeniga Falls, Westlande.<<, sagte Kenji und Ryz schnaubte auf, als pfiffe er aus dem letzten Loch.
>>Oh, Jeniga ist ein sehr schönes Dorf.<<, meinte der Gefreite von vorhin und von einigen anderen Soldaten bekam er eiligen Zuspruch.
Leicht ratternd rückte der Konvoi in die Stadt Al Baku ein, die ganz im Süden von Palandria lag. Eine flächenmäßig große Stadt, deren Einwohnerzahl allerdings stark geschrumpft war, seit dem letzten Krieg. Ryz betrachtete die leerstehenden und teilweise eingebrochenen Lehmhütten, denen die Vorbeigehenden keine Bicke mehr zuwandten. Es war deprimierend, doch Ryz war froh, dass sie endlich diesen Konvoi verlassen und den Blicken des Leutnants entgehen konnten. Er hatte Angst, den Leutnant auch nur anzusehen.
Al Baku war nur noch von Frauen, kleinen Kindern und alten Männern bewohnt und selbst diese alten, verrunzelten Männer trugen noch die goldenen Abzeichen der Landwehr auf ihren Schafsfellwesten. Einige hatten versilberte Katanas mit Edelsteingriffen geschultert, die Waffen der altkaiserlichen Samuraigarde. Aber einen Kaiser gab es schon seit hunderten von Jahren nicht mehr, stattdessen regierte die aus einer Revolution auferstandene Königsfamilie über den Thron. Es waren wohl Erbstücke, so wie besonders unter den Menschen vieles von Vater zu Sohn weitergegeben wurde. Auch Ryz hatte etwas derartig wertvolles geerbt.
In der Mitte der Stadt befand sich ein kleiner Markt, auf dem Gemüse aus hydroponischem Anbau und etwas Hanffaserkleidung verkauft wurde. Der Rest des Platzes war sorgfältig in eine uneinnehmbar wirkende Militärfestung verwandelt worden. Im Notfall konnten sich alle Stadtbewohner hierher in Sicherheit bringen. Ryz fand es unglaublich, als einer der Soldaten erzählte, dass die Festung von Freiwilligenhand geschaffen wurde. Hohe, nachträglich errichtete und sehr dicke Steinmauern umringten den Brunnen und die um ihm stehenden Militärzelte, die viel größer als die der Jungsoldaten waren.
Ryz dachte darüber nach, wie viele Menschen wohl nötig gewesen sein mussten, um dieses Bollwerk zu errichten. Aber er konnte verstehen, warum sie es taten, denn Palandrianer hingen sehr an ihrem Land und fühlten sich den alten Traditionen verpflichtet. Dazu gehörten besonders Mondzeremonien, den Abstand von ausländischen Technologien und eine weltberühmte Schwert- und Schmiedekunst. Letztere war grundsätzlich den Zwergen überlassen, da diese ihr Handwerk im Bezug zu Metall und Erde verstanden.
Der Konvoi stoppte direkt vor einem großen, beigecamouflagenen Zelt, das ein von hölzernen Stützpfeilern gehaltenes Vordach besaß. Unter dem Vordach stand ein stämmiger Hühne in der goldgestreiften Uniform eines palandrischen Offiziers. Er hatte sehr lange schwarze Zottelhaare und quer über seinen Rücken prangerte ein tödliches No-Dachi. Ein zweihändig geführtes Schwert mit einer langen, leicht gebogenen Klinge. Freundlich salutierte er dem Leutnant des Konvois, als dieser ausstieg und seinen blauen Helm anstandsgemäß gerade richtete.
>>Willkommen in der Oase des Friedens, Leutnant Tarpi.<<, sagte der Offizier zur Begrüßung. Ryz fand, das klang wie die Begrüßung für einen Landurlaub. Das war also General Ganley. Ein wirklich beeindruckender Held, mit Muskeln bespickt wie andere seiner Sorte mit Fettröllchen.
Leutnant Tarpi salutierte dem Offizier hämisch grinsend zurück und schob die beiden Jungsoldaten kurzerhand vor sich. Der Offizier, welcher gute zwei Meter groß sein musste, bückte sich ein Stück zu den Jungen herab und beäugte sie sorgfältig.
>>Oha, wen haben wir denn da? Die tapferen kleinen Helden von der Südfront, was? Aber wo habt ihr denn eure Uniformen gelassen?<<, grunzte er.
>>Das sind die Überlebenden, Sir.<<, raunte Tarpi.
Der Offizier bekam riesige, glasige Augen.
>>Über...<<, der Offizier schien es nicht aussprechen zu können und sammelte sich erneut. >>Überlebende???<<, stammelte er fassungslos und unwissend, den Blick zwischen Ryz, Kenji und Tarpi wechselnd.
>>Mein Name ist Kenji und das ist Ryz. Wir sind von der sechsten Kompanie. Wir Jungsoldaten sind in einen Hinterhalt geraten, Sir!<<, erklärte Kenji mit zittriger Stimme, aber fest auf dem Boden der Tatsachen. Ryz hatte das Gefühl, diesen Boden zu verlieren. Die eine Tatsache, dass sie beide noch lebten, klebte mit einem unerträglichen Gestank des Verrats an ihm und er wusste, dass reinblütige Menschen wie er nur den Stolz und die Ehre zum Vorteil allen anderen Rassen gegenüber hatten.
>>Ein Hinterhalt? Wie denn? Was denn? Aber wer sollte denn....doch nicht etwa...<<
Leutnant Tarpi fiel dem völlig verwirrten Offizier ins Wort:
>>Oberst. Wir haben einige tote seydisische Soldaten oben am Bulwa-Pass gefunden. Dies hier haben wir mitgebracht.<<
Tarpi schnippte mit den Fingern und der Gefreite, wahrscheinlich Tarpis Rechte Hand, kam aus dem zweiten Planwagen hervor, ein stählernes Gewehr in seinen Armen haltend.
Er überreichte es Tarpi und dieser gab es dann dem Offizier, der es außerordentlich argwöhnisch von sich hielt. Es handelte sich um ein hochtechnisches, vielleicht sogar automatisches Gewehr; zerkratzt und stark nach Schießpulver riechend.
>>Seydis also...<<, grummelte die bärig rauhe Stimme des Offiziers, als plötzlich ein anderer Offizier (rot-goldgestreifte Brust) aus dem Zelt herausgestürmt kam. Es war ein jung aussehender Elf (erkennbar an den schmalen Ohren mit den Federspitzen) mit goldblonden Haaren und einem knöchellangen, saphirblauen Umhang über seiner Rüstung.
>>Zeig mal her, Cang.<<, sagte er und riss dem anderen Offizier, offensichtlich nicht Ganley, das Gewehr aus der Hand.
>>Was?<<, wunderte sich Offizier Cang.
Der wahre General Ganley brauchte nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf die Waffe zu werfen, um sie zu identifizieren.
>>Das ist ein Gewehr aus dem fernen Reich Zirkonia, das jenseits der endlosen Sümpfe von Seydis liegt. Wie sollen seydisische Soldaten an so eine exotische Waffe gekommen sein?<<
Leutnant Tarpi schien verdutzt. War er falsch in der Annahme, dass es sich um ein seydisisches Gewehr handelte?
>>Nun, solche Gewehre lagen da zu Hauf auf dem Schlachtfeld.<<, versuchte er sich herauszureden.
Ein scharfes Auge von Ganley fixierte Tarpis trübseligen Gesichtsausdruck, als würde er etwas darin erkennen, was ihm rein gar nicht gefiel.
>>Wollt ihr mir wirklich glauben machen, Leutnant, dass Seydis hinter dem Anschlag - diesem Akt der Feigheit steckt?<<
Tarpi schwieg, doch er sah Ganley stur ins Gesicht. Seine Aussage würde sich nicht ändern.
>>Soll ich ihnen mal was sagen, Leutnant? Just in diesem Moment werden der König und der seydisische Premierminister den Friedensvertrag am Heiligen Berg Ganesh ausrollen! Die Anschuldigungen, die ihr hier erzählt, wiegen so schwer, dass sie uns in einen neuen Krieg stürzen, der schlimmer werden könnte, als alles, was dieses Land je erlebt hat! Habt ihr die Toten wenigstens auf Illusionszauber hin untersucht?<<
Ein verächtliches Grunzen ging von Leutnant Tarpi aus.
>>Bist du sicher, was das Gewehr angeht, Fenix?<<, fragte der schwarzhaarige Offizier Cang. >>Ich meine, dass es wirklich aus Zirkonia stammt?<<
Fenix Ganley hob abwehrend, fast schwörend die rechte Hand.
>>Absolut. Ich habe selbst mal eines am eigenen Leib gespürt und es ist ein Wunder, dass ich es überlebt habe. Ich erinnere mich noch genau an den Krieg zwischen dem Dreibund und Zirkonia. Die Fees hatten tausende dieser Gewehre gegen uns gerichtet. Wir nannten es damals den Basheeblaster.<<, sagte Fenix und dann fiel sein Blick zum ersten Mal auf die ängstlich dreinschauenden Jungsoldaten.
>>Wer sind die denn?<<
Er sah Ryz mit einem Ausdruck an, der ihn in die alte Todesangst zurückversetzte. Aber irgendwie schien Ganley ebensolche Angst vor Ryz zu haben, auch wenn er es gut verbergen konnte...Ryz sah es in Ganleys Augen. Sie hatten genau den gleichen, matten Glanz wie die seinen.
>>Das sind die Kadetten Kenji und Ryz.<<, erklärte Oberst Cang mit einem vielsagenden Blick.
>>Ryz? Ahh... Ryz und Kenji.<<, murmelte Fenix überrannt von einem Gedanken und trat an die Jungs heran. >>Ihr habt also diesen Hinterhalt überlebt, was?<< Anscheinend schien es ihn nicht zu verwundern.
Stumm nickten die beiden.
>>Höchst interessant! Dann kommt mal mit rein, während sich der Oberst um die Entladung von Leutnant Tarpis Konvoi kümmert. Ich habe einige Fragen an euch Jungs.<<, sagte Fenix und führte die beiden in das große Zelt hinter sich. Der Oberst ging derweil zur Rückseite des dritten Planwagens, schob die Schutzplane etwas zurück und begutachtete die unzähligen Fässer und Kisten mit Schießpulver, Waffen und Munition darin. Er machte ein verwundertes Gesicht und drehte sich achselzuckend zum Leutnant Tarpi um.
>>Sollen wir ein Land erobern?<<

Der sehr wohlgesittete Elfengeneral Fenix Ganley ließ Kenji und Ryz auf zwei Stühlen Platz nehmen und nahm sie sich bei einer Tasse frischgebrühtem Tee zum Gemüt.
>>Ihr sagt also, ihr kommt aus Jeniga?<<
>>Ja, Sir. Jeniga Falls, Westlande.<<, erklärte Ryz monoton und in einer gehetzten Art, die nach kurz vor dem Herzstillstand klang.
Fenix schlürfte an seinem Tee. Er starrte die ganze Zeit auf Ryz. Warum sah er ihn an? Was wollte er von ihm? Er sollte wenigstens einmal Kenji anschauen. Ryz fühlte sich äußerst unwohl, obwohl er von Fenix einen ganz netten ersten Eindruck hatte.
>>Jeniga Falls...nun, da seid ihr aber ein gutes Stück von eurem Zuhause entfernt! Ihr müsst ziemlich schnell gerannt sein, wenn ihr den Bansheeblastern entkommen konntet.<<
>>Ich wurde verletzt...<<, sagte Ryz leise, als wäre das für alle Anwesenden belanglos. Er wollte kein Aufsehen erregen, er woltle weg von diesen Soldaten und nach Hause zu Pal, die er seit zwei Jahren nicht gesehen hatte. Er wollte in Ruhe gelassen werden und alles vergessen. Doch Fenix ließ nicht locker:
>>Also...wenn ich in eure Gesichter sehe, dann erkenne ich zwei Dinge. Erstens: Ich habe so viel Angst, dass ich mir in die Hose mache.
Zweitens: Ich weiß etwas, von dem ich General Ganley noch nichts gesagt habe, weil ich mich davor fürchte, was passiert, wenn er es erfährt.<<
Das traf Ryz wie ein faustschlag mitten ins Gesicht. Er war sehr überrascht, ja zutiefst erschrocken. Wie konnte der General etwas davon wissen? Natürlich wollte Fenix erfahren, wer wirklich hinter dem Angriff steckte.
Kenji versuchte irgendeinen dummen Plan zu verfolgen, den er sich sicher gemacht hatte. Seine Stimme wurde merklich hastiger, als überspringe er das Unwesentliche:
>>Ich weiß nicht, wer uns angegriffen hat, Sir. Es ging alles so schnell und-<<
Ryz' Unterlippe bebte.
>>Kadett?<<, hakte Fenix nach. Er sah wirklich unglaublich jung für einen General aus (Elfen altern zehnmal langsamer als Menschen), aber er hatte es faustdick hinter den Ohren, den Leuten ihre Geheimnisse zu entlocken.
>>Ich...es...wir...<<
>>Nunmal der Reihe nach, Kadett.<<
>>Palandria. Wir...wir haben uns selbst angegriffen.<<
>>WAS?<<, stieß es aus Kenji heraus. Er war völlig verdutzt. Also hatte Ryz Recht und Kenji wusst ewirklich nicht, vor wem sie letzte Nacht geflohen waren. Deshalb konnte er auch so unberührt zu Tarpi springen... Ryz hatte plötzlich unendlich viele Gedanken im Kopf. Sie hätten Kenji töten können...er hatte ihm nicht die Wahrheit gesagt...er wollte es verdrängen...er konnte nicht...
>>Ruhig, Kadett.<<, besänftigte Fenix Kenji. >>Lassen wir deinen Freund erstmal ausreden.<< Noch immer sah Fenix in keinster Weise überrascht aus, sondern betrachtete gedulgig Ryz von seiner Seite des Tisches aus.
>>Es waren diese Soldaten mit denen wir hierherkamen. Leutnant Tarpi... Ich sah ihn diese Kanone anzünden, bevor sie...bevor sie mich am Bein verletzte. Es ist so...so-<<
Ryz brachte kein Wort mehr heraus, so sehr er sich auch bemühte, denn er spürte eine unbändige Wut in sich aufsteigen, die sich mit ebenso großer Angst vermischte und zu lähmender Unfähigkeit gemischt durch seinen Körper strömte. Kenji war außer sich und merkte nicht einmal wie er den heißen Tee über seiner Hose verschüttete. Sicher würde er Ryz hart ins Gebet nehmen...
>>Das sind schwere Behauptungen Kadett.<<, mahnte Fenix leise, damit wirklich niemand die drei hören konnte.
Ryz wischte sich das Wasser aus den Augen und stand auf. Ein entschlossener Blick lag in ihnen. Er griff unter seine Tunika.
>>Ich schwöre es! Bei Yin und Yang!<<, sagte er, zog blitzschnell zwei kurze Silberdolche hervor und schnitt sich mit ihnen gleichzeitig in die Arme. Es war ein gutes Gefühl, befreiend...entschuldigend...
Blut tropfte vor Fenix auf den Tisch.
Eine Minute lang herrschte bedeutungsvolles Schweigen im Zelt. Ryz stand noch immer vor Fenix und ließ sein Blut langsam vor dessen Augen herabfallen. Eine rote Pfütze sammelte sich langsam um Fenix' Teetasse herum.
>>Ich verstehe. Ja, ihr sagt also die Wahrheit. Eine äußerst bittere Wahrheit, wenn ich das so bemerken darf. Ich brauche euch wohl kaum zu sagen, dass es höchst beunruhigend ist, was da vor sich geht. Es sieht mir ganz nach einer Verschwörung von Fanatikern innerhalb unseres Militärs aus. Wir alle wollten den Frieden, aber durch diese kleine Aktion werden die Bürger Palandrias Rache fordern. Mein Gott, eine ganze Kompanie...<<
>>Sie können es verhindern!<<, zischte Kenji. >>Sperren sie diesen elenden Tarpi und seine Kumpanen doch einfach in den Kerker und-<<
In diesem Augenblick kam Oberst Cang zu ihnen ins Zelt. Er hatte eine vollkommen aufgewühlte Mine.
>>Fenix. Du solltest besser rauskommen...und ihr beide auch.<<, sagte er und verschwand wieder. Nun gingen sie alle nach draußen. Und dort erstarrten sie. In den Straßen vor dem Marktplatz stand ein riesiges Heer weißer Pegasi (so wurden die geflügelten Pferde genannt), auf denen die goldenen Elfenritter der Leibgarde und tausende menschliche Ritter sattelten. Eines dieser Pferde stach aus der Menge hervor. Es trug eine blendend goldene Kopfrüstung und auf ihm saß ein schwarzhaariger junger Elfenmann mit einem purpurroten Umhang. Auch seine prachtvolle Ritterrüstung war vollkommen vergoldet.
>>Prinz Dawn!<<, rief General Fenix Ganley und rannte ein gutes Stück näher. Vor dem Pferd des Prinzen kniete er auf einem Bein nieder und senkte sein Haupt.
Ryz konnte sich überhaupt nicht erklären, wie eine so große Streitmacht in so kurzer Zeit in die Stadt einrücken konnte. Er sah zu Kenji, dessen Kinnlade wohl sehr schwer wiegen musste, so weit unten wie sie war. Und dann spürte Ryz ein unkontrolliertes Stechen in der Brust und in seinem Hals pulsierte ein dröhnendes Klopfen. Wenn der Prinz von dem Hinterhalt erfuhr, dann würden er und Kenji sicher noch einmal ausgequetscht werden...
>>Wie ich sehe, Ganley, werdet ihr eurem Ruf gerecht.<<, pöbelte der Prinz herablassend. Fenix musste es überhört haben, denn er antwortete:
>>Oh, danke, euer Hoheit-<<
>>IDIOT!<<, rief Prinz Dawn, holte mit einem goldgepanzerten Fäustling aus, was aussah, als wolle er die Luft schlagen, und ließ einen grünleuchtenden Energieschweif daraus hervorschießen. Die magische Entladung traf Fenix funkensprühend am Kopf und warf ihn einige Meter rückwärts.
Fenix sagte nichts, sondern mühte sich auf und rieb die Stelle am Kopf, wo ihn der Strahl berührt hatte.
>>Aber warum tut ihr das?<<
>>Still, Elender!<<, herrschte Dawn. Dann zeigte er gebieterisch auf Ryz und Kenji, die wie aufgelöst neben Oberst Cang standen.
>>Nehmt diese wiederlichen kleinen Spione fest! Sie werden dafür bezahlen, das Volk Palandrias dermaßen hintergangen zu haben! Fort! FORT MIT IHNEN, SAGE ICH!<<, brüllte er, dass es über den gesamten Marktplatz zu hören war. Ryz und Kenji wurden von grimmig aussehenden Soldaten gepackt, in Ketten gelegt und auf einen offenen Pferdekarren gescheucht.
>>Bringt sie fort und stellt sie vors Kriegsgericht. Wenn ihr mich versteht...<<, befahl Dawn, stieg von seinem Pferd und trat an Fenix heran, der noch halb benommen auf dem Boden kauerte.
>>Was dich angeht, Ganley -<<, er sah auf ihn herab wie auf ein kümmerliches Insekt. >>- wir werden uns persönlich unterhalten!<<
 

Greenlia

Mitglied
willkommen, schreiberling! ;)

Ailtta Auron! (Hat dein Name noch was mit deiner Geschichte zu tun?)

Die Zusammenfassung des 1. Teiles deines Romans hat mich sehr überzeugt. Klingt schön spannend und originell.
Aber dein erstes Kapitel ist noch verbesserungswürdig. Du hast stellenweise etwas schlampig geschrieben, umgangssprachliche Ausdrücke hineingebracht oder Dinge nicht genau erklärt. Es ist also hauptsächlich der Stil, bei dem es noch hapert.
Klingt jetzt alles nicht so toll, ist aber halb so schlimm. Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es weitergeht, vor allem, da deine Welt so einen asiatisch Hauch hat (Samurai, Yin & Yang etc.) und außerdem nicht im klassischen Mittelalter-Fantasy-Stil geschrieben ist. Und die ganze militärische Atmosphäre gefällt mir auch gut. ;)

Ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind:

Und dieses Ziel scheint jetzt näher als jemals zuvor in greifbarer Nähe zu sein.
--> ist doppelt gemoppelt

Aber ein weiser Mann soll mal gesagt haben
--> das klingt ziemlich umgangssprachlich

Wenn das andersherum auch funktionieren sollte, dann bitte schnell und erfolgreich. Denn nichts wünschte man sich sehnlicher --> Zeitsprung

als endlich mit beiden Augen schlafen zu können. --> mit beiden Augen?? mit beiden geschlossenen Augen vielleicht?

{Hierhin würde ich einen Absatz machen, damit man merkt, dass jetzt eine andere Erzählweise beginnt.}
Zwischen einigen Nadelbaumflecken, am südlichen Hang der Bergkette...
Schick dir ne Muse,
Aileen

P.S. Ist dieser erste Absatz von den Göttern geschrieben, oder wat? Ich weiß ja nicht, wie deine Götter sind, aber dieser Abschnitt klingt ein wenig nach Drehbuch...
 

Auron

Mitglied
Re Sternenstaub

Also erst mal danke für deine Kritik^^ und deine Verbesserungsvorschläge, ich werde das Ganze nochmal überarbeiten.
Ja also ich denk mal man merkt, dass ich noch nicht so viel Ahnung vom Stil hab. Auron hat bis jetzt noch nichts damit zu tun, obwohl ich die Geschichte schon etwa zur Hälfte fertig geschrieben habe. (also zwei von vier Teilen sind von der Story her abgeschlossen)
Dass es nach Drehbuch klingt, ist eigentlich typisch für meine Schreibweise, denn ich versuch es immer so zu schrieben, dass man es sich möglichst gut vorstellen kann.^^ Wenn du da Verbesserungsvorschläge hast, ich hab beide Ohren offen.^^

Okey, bis denn dann mal, Gruß Auron!
 



 
Oben Unten