Kapriolen und Kinkerlitzchen

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ENachtigall

Mitglied
… und der Sommer kam

lautlos

wie laszive Frauen
im Frühjahr Früchte
pflücken gegangen waren
und so

fremd

und schwerfällig hingen
Trauben von Charmeuren
an Blaubeerlippen und nippten
am Witz von Kapriolen und Kinkerlitzchen

… und der Sommer schrie

mit der Stimme erschöpfter Eselinnen
und spie verdorbenes Rosa
aus den Wolken

… und der Sommer blieb

unbeugsam und sonnensprossig
wie das Rückgrat des Bambus
und die herbstende Seele



© elkENachtigall
August 2008
 
K

Kasper Grimm

Gast
Schöne eigenwillige Bilder, die an die Assoziation gerichtet sind, weniger an den kalten, oft so unpoetischen Verstand.
"… und der Sommer schrie

mit der Stimme erschöpfter Eselinnen
und spie verdorbenes Rosa
aus den Wolken"
Das ist einfach wunderbar und will weniger erklärt, vielmehr nachgefühlt werden.
 
P

penelope

Gast
liebe elke,


ja, ein hohelied für mein sonst so "gepeinigtes" herz, und als fanatischer anhänger der alliteration ein chorgesang des lebens, der kraft und unbeugsamkeit: im Frühjahr Früchte/pflücken, von Kapriolen und Kinkerlitzchen, der Sommer schrie/mit der Stimme.
deine zeilen wirbeln auf, wie ein wind, der von vorn uns entgegenkommt, der bilder uns versucht zu entreißen. mein intellekt sagt mir, geh weiter, kämpfe dagegen an, zieh den kopf zur seite, um diesem sog auszuweichen. aber kein einziges wort lässt locker, zwingt meinen blick nach vorn, immer weiter nach vorn, indem es mich greift, mir zeigt, dass es ihm sehr ernst damit ist. es tobt sich vor mir und in mir aus, und hinter mir, nichts, windstille, als wäre mein körper in dem grenzland deiner poesie, in dieser grauzone morgens (durs grünbein) gefangen. stille, die nicht nur spürbar ist, sondern auch unbeugsam und sonnensprossig/wie das Rückgrat des Bambus/und die herbstende Seele. stille, hoffnung, aber auch ein hauch von melancholie, die mich straucheln lassen. so muss ich langsam und vorsichtig durch deine worte schreiten, da sie mir den weg liebevoll markieren, damit mir nichts geschieht. vielleicht spricht sich mein folgender gedanke endlich durch dieses wahrhafte gedicht endlich herum: wer niemals hinhört, kriegt den mund nicht voll, die brust nicht leer.

in diesem sinne

lg penelope
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Elke,
... seeehr bedeutungsschwanger .... :D
Liebe Franzi,
freut mich, dass Dir meine Zeilen etwas sagen; das muss wohl an meiner gebärfreudigen Fantasie liegen ;-)
Im Ernst: meine diffusen Stimmungen finden oft solange ein Pendant in Natur, im zwischenmenschlichen Austausch, in unerwarteten Ereignissen, bis sie auf einmal in diese Wortkostüme schlüpfen und anfangen, etwas darzustellen. Die Regisseurin hat am Ende das Theater - das Diffuse wird abgelegt wie eine Larve und die Stimmung verbeugt sich aus dem wohltuenden Hoch frank und frei vor dem Applaus.

Vielmals bedankt!
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Elke,

der Tag war sicher schwül, an dem Du das schriebst. ;)

Ein interessantes Thema sind Farben an solchen Tagen, Dein [red]rosa[/red] habe ich vor Gewittern auch schon intensiv als [blue]gelbes[/blue] Licht beobachtet.

Am wenigsten habe ich die letzte Strophe verstanden. Hier ist es auch schon schwül, ich kann kaum noch denken...

Liebe Grüße

Herbert
 

ENachtigall

Mitglied
Lieber Kaspar Grimm,

ein herzliches Willkommen von mir auf der Leselupe und Dank für Deinen Besuch und Kommentar.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die meinen Texten etwas abgewinnen; mir ist es eigentlich Geschenk genug, den Mut aufzubringen, überhaupt "öffentlich" zu schreiben. Um so mehr freue ich mich, wenn es Reaktionen hervorruft.
Auf ein interessantes und kritisches Lesen und Gelesenwerden!

Mit lieben Grüßen, Elke
 

ENachtigall

Mitglied
wer niemals hinhört, kriegt den mund nicht voll, die brust nicht leer
Hallo penelope,

diese konzentrische Weisheit unter meinem Sommergedicht zu lesen, das ist Anerkennung in seiner schönsten Form!

Herzlichen Dank für die Ausführungen, was und warum es Dir gefallen hat.

Liebe Grüße, Elke
 

ENachtigall

Mitglied
@ HerbertH

Hallo Herbert,

schwül? Jain, es ist doch so ein Fallobstgedicht, das mehrere Reifegrade durchlaufen hat und von entsprechend vielen Wettern gegerbt wurde.
Wer weiß, ob nicht das verdorbene Rosa beim Zusammendonnern der Wolken diesen bedrohlichen Gelbton annimmt, der so sehr ein bewußt trügerisches Weltuntergangslicht verbreitet, schaurig schön eben ...

@ Leise Wege

Hallo Moni,

schön, wie Du diesen Reifegedanken so klar heraus kristallisiert hast, mit (unüberhörbar) Leisen Worten ;-)


@ erbsenrot

Ich freue mich über Dein "schööön".

Euch allen einen herzlichen Gruß,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
… und der Sommer kam

lautlos

wie laszive Frauen
im Frühjahr Früchte
pflücken gegangen waren
und so

fremd

und schwerfällig hingen
Trauben von Charmeuren
an Blaubeerlippen und nippten
am Witz von Kapriolen und Kinkerlitzchen

… und der Sommer schrie

mit der Stimme erschöpfter Eselinnen
und spie verdorbenes Rosa
aus den Wolken

… und der Sommer blieb

unbeugsam und sonnensprossig
wie die herbstende Haut und
das Rückgrat des Bambus


© Elke Nachtigall
August 2008
 



 
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